Kampf gegen Fachkräftemangel: Was die Regierung plant

Kampf gegen Fachkräftemangel: Was die Regierung plant
Koch gilt endlich als Mangelberuf. Rot-Weiß-Rot-Karte für Lehre wird nicht geöffnet. SPÖ befürchtet Senkung von Lohnniveau.

Die Skisaison ist gestartet, die Tourismusgebiete im Westen Österreichs füllen sich langsam – da legt die Regierung einen Vorschlag auf den Tisch, um den seit Jahren beklagten Mangel an Arbeitskräften im Tourismus zu bekämpfen.

Der Koch hat es endlich auf die Mangelberufsliste geschafft, die von 27 auf 45 Berufe aufgestockt wurde. Im Zuge der Reform bzw. Entbürokratisierung der Rot-Weiß-Rot-Karte wurde diese Liste auch auf die Regionen abgestimmt.

Kurzum: Für Ausländer soll es künftig einfacher werden, in Österreich arbeiten zu dürfen. Eine Maßnahme, die bei den Gewerkschaftern nicht unumstritten ist.

Das ist die Rot-Weiß-Rot-Karte:

Die Rot-Weiß-Rot-Karte wurde 2011 eingeführt, um den Zuzug von Nicht-EU-Bürgern am österreichischen Arbeitsmarkt zu steuern. Sie ist Voraussetzung, um hier einen Job als so genannte hochqualifizierte Arbeitskraft, als Schlüsselarbeitskraft oder als Fachkraft in einem Mangelberuf zu ergattern.

Angepeilt wurden jährlich 8000 solcher Arbeitsbewilligungen, dieses Ziel wurde aber nie erreicht. Die Wirtschaft kritisierte, die Hürden seien zu hoch, Bewerber würden abgeschreckt.

Zuletzt wurde die Karte 2017 reformiert. Ausländische Uni-Absolventen erhalten seitdem ein Jahr - statt bisher sechs Monate - Zeit, um nach Abschluss ihres Studiums einen qualifizierten Job in Österreich zu finden, ohne ihren Aufenthaltstitel zu verlieren.

Außerdem bekommen auch Bachelor-Absolventen und Gründer von Start-ups Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte. Die Gültigkeitsdauer der Rot-Weiß-Rot-Karte wurde von einem Jahr auf zwei Jahre verlängert, erst danach wird eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus für einen unbeschränkten Arbeitsmarktzugang ausgestellt.

Kampf gegen Fachkräftemangel: Was die Regierung plant

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck

Zugang soll erleichtert werden:

Kritisiert wurde seitens der Wirtschaft etwa die Gehaltsuntergrenzen: Für hochqualifizierte Zuwanderer bzw. jene, die von den Unternehmen als Schlüsselarbeitskräfte gesehen werden, werden sie nun deutlich gesenkt: Für Unter-30-Jährige liegt sie nun nur noch bei 2052 statt bisher 2565 Euro monatlich. Bei den Über-30-Jährigen bei 2565 statt 3078 Euro.

Ganz abgeschafft wurde die Erfordernis, einen Mietvertrag vorzuweisen – das hatte viele Antragsteller abgeschreckt. Einen Mietvertrag in Österreich abzuschließen, wenn der Job hier noch nicht fix ist, war nicht praktikabel.

Mangelberufsliste wird erweitert:

Die Mangelberufsliste ist ein Faktor für die Rot-Weiß-Rot-Karte. Bei dieser wird nun zwischen einer Bundes- und einer Landesliste unterschieden.

Die Bundesliste wurde von 27 auf 45 Berufe aufgestockt – mit dabei ist jetzt der Kochberuf, nachdem der Tourismus seit Jahren geklagt hatte, in der Saison die offenen Stellen nicht ausreichend besetzen zu können.

Auf der neuen Bundesliste finden sich auch zahlreiche technische und Handwerker-Berufe, aber auch der Gehaltsverrechnner und der diplomierte Krankenpfleger.

… und auf Regionen zugeschnitten:

Die zweite Liste soll gezielt auf die Bedürfnisse der Regionen eingehen. Dagegen ist die Gewerkschaft monatelang Sturm gelaufen: Befürchtet wurde, dass gewisse Regionen von ausländischen Arbeitskräften überschwemmt werden.

Auf dieser Liste sind nun maximal 300 Plätze pro Jahr verfügbar – viel ist das nicht. Zwei Bundesländer bekommen gleich gar keine Regionalliste, nämlich das Burgenland und Wien.

In der Kärntner Regionalliste steht nur ein Job: Der Maurer. In Oberösterreich hingegen sind es 18 an der Zahl, etwa Fleischer, Buchhalter und Zuckerbäcker. In Ländern mit starkem Tourismus steht der Kellner auf der Regionalliste.

„Die Anforderungen der Wirtschaft sind nicht überall gleich“, erklärt Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Wien habe ganz eigene Bedingungen, „und wir können nicht zulassen, dass das Bild verfälscht und den Bedarf für alle Länder definiert.“

Kampf gegen Fachkräftemangel: Was die Regierung plant

FPÖ-Ministerin Hartinger-Klein

Das sagt die (zuwanderungskritische) FPÖ dazu:

Auch der blaue Teil der Regierung kann mit der Reform offenbar gut leben – das Zauberwort ist „qualifiziert“.

„Wir brauchen qualifizierte Zuwanderer nur dort, wo es nicht genug ausreichend qualifizierte österreichische Arbeitskräfte gibt. Alleine daran orientiert sich die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte“, sagt Innenminister Herbert Kickl.

Auch Arbeitsministerin Beate Hartinger-Klein von der FPÖ hofft darauf, dass Firmen – wenn das Angebot an Fachkräften dann vorhanden ist – stärker in den Standort Österreich investieren.

Asylwerber-Problematik bleibt vorerst ungelöst:

Noch keine Lösung gibt es für Asylwerber, die bereits eine Lehre in einem Mangelberuf machen, wegen eines Negativ-Bescheids aber abgeschoben werden könnten.

Die Regierung hat im Spätsommer ja den Zugang zum Lehrstellenmarkt für Asylwerber geschlossen, auch für jene, die bereits hier sind, soll es keine Amnestie geben.

Im August war angedacht, die Rot-Weiß-Rot-Karte für Lehrlinge zu öffen – so hätte auch diese Gruppe eine Chance auf ein Bleiberecht. Im aktuellen Entwurf ist davon aber keine Rede. Weiterhin gilt dieser Aufenthaltstitel nur für Arbeitskräfte mit abgeschlossener Ausbildung, wird im Wirtschaftsministerium betont.

Wie geht es jetzt weiter?

Ausgangspunkt für die Ausweitung der Mangelberufsliste war eine Erhebung des Jahresschnitts an offenen Stellen. So wurde der Bedarf für 2019 definiert. Gesetzliche Grundlage wird eine neue Verordnung aus dem Arbeits- und Sozialministerium, diese gilt ab 1.1.2019.

Für die Rot-Weiß-Rot-Karte laufen gerade noch Gespräche über letzte Details, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Die Gesetzesnovelle soll im Dezember, spätestens im Jänner, im Parlament eingebracht werden.

Reaktionen: SPÖ befürchtet Senkung von Lohnniveau

Bei der SPÖ ist man über die Änderungen alles andere als erfreut: „Die neue Regelung der Rot-Weiß-Rot-Karte hat gravierende Auswirkungen auf das Lohnniveau der ArbeitnehmerInnen und ist nicht zu verantworten", sagt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda.

Der Fachkräftemangel sei eines der drängendsten Probleme der österreichischen Wirtschaft und des Arbeitsmarktes, "und die Regierung aber hat immer noch kein taugliches Konzept“, sagt der ehemalige Kanzleramtsminister.

Drozda unter Beschuss der ÖVP

Objekt der Prüfung: Die Ära Drozda.

„Unter dem Deckmantel, den österreichischen Fachkräftemangel bekämpfen zu wollen, öffnet diese Regierung den heimischen Arbeitsmarkt für Arbeitskräfte aus aller Welt und drückt dazu die Löhne aller ArbeitnehmerInnen in den betroffenen Branchen“, kritisiert Drozda. Er fordert stattdessen „gerechtere Löhne, von denen man gut leben kann, und bessere Arbeitsbedingungen“, damit Mangelberufe wieder attraktiver werden und „das Fachkräfte-Potenzial des heimischen und des EU-Arbeitsmarkts“ genutzt werden kann.

Vorsichtig erfreut reagierte hingegen Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn auf die Regierungspläne: „Spät aber doch will die Regierung nun jene überfälligen Reformen angehen, auf die Neos seit Jahren drängen. Das ist sehr zu begrüßen“, meinte Schellhorn in einer Aussendung. Vor allem die niedrigeren Hürden sowie die Regionalisierung der Mangelberufsliste begrüßt er.

Gleichzeitig hofft Schellhorn, dass es die Regierung mit den Reformen auch tatsächlich ernst meint und nun rasch in die Umsetzung geht: „Es darf nicht wieder nur bei reiner Show-Politik bleiben.“ Er fordert rasches Handeln der Regierung weil der Tourismus die Mitarbeiter spätestens in drei Wochen brauche. Paradox ist für Schellhorn die Abschottung des Arbeitsmarkts für kroatische Staatsbürger bis 2020.

Kritik kommt vom Chef der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) Josef Muchitsch (SPÖ): „Unsere Position ist klar und unverändert. Zuerst sind jene Menschen in Jobs zu bringen, welche den österreichischen Firmen jetzt schon in Österreich zur Verfügung stehen. Es gilt, die bestehenden Möglichkeiten für den Arbeitsmarkt national und in der EU zu nutzen.“ Die Regierung aber kürze gerade bei Beschäftigungs-und Integrationsmaßnahmen anstatt dort zu investieren, und gehe „den einfacheren Weg“, indem sie den Arbeitsmarkt öffne.

Kommentare