Am 26. September wählt Oberösterreich einen neuen Landtag. Die Grünen wollen die FPÖ in der Landesregierung ablösen. Im Bund gibt es zwischen Türkis und Grün indes Unstimmigkeiten in Sachen Asylpolitik.
KURIER: Ihr Parteichef Werner Kogler wünscht sich vom türkisen Koalitionspartner mehr Menschlichkeit in der Migrationspolitik. Sie auch?
Stefan Kaineder: Ich habe den Eindruck, dass der türkisen ÖVP das christlich-soziale Wertefundament verrutscht. Ich kenne viele Bürgermeister, die mit diesem Kurs gar nicht einverstanden sind und sich wünschen, dass Österreich bei internationalen Krisen wie dieser ein Hilfsangebot macht, statt irgendwelche Schlagzeilen zu produzieren.
Hilfe vor Ort ist auch das Stichwort der Bundesregierung, aber reicht das aus?
Wir haben noch ein anderes großes Angebot zu machen: Österreich ist ein diplomatisches Schwergewicht. Die deutsche Bundeskanzlerin hat dieser Tage gesagt, man wird mit den Taliban sprechen müssen. Und wer wird diese Vermittlungsarbeit besser machen können als Österreich? Dafür braucht man aber einen Außenminister, der sich nicht vor Kameras stellt, sondern hinter der Bühne mit den europäischen Partnern diese Schritte ausarbeitet.
Soll Österreich Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen?
Das ist Fakt: Menschen stellen in Österreich einen Asylantrag, der wird entgegengenommen und bearbeitet. Und wenn es in der Europäischen Union den Willen gibt, Frauen und Mädchen aus Afghanistan nach Europa zu holen, um ihnen Sicherheit und Schutz zu gewährleisten, dann sollten wir uns daran beteiligen.
Soll Österreich sofort Abschiebungen nach Afghanistan stoppen?
Es werden jetzt keine durchgeführt, weil es rechtlich gar nicht möglich ist. In dieser Frage gibt es eine Diskursverkürzung und einen Schlagzeilen-Populismus aufseiten der türkisen ÖVP.
Sie wollen in Oberösterreich mit der Volkspartei regieren. Die OÖVP fordert, dass Unterstützungsleistungen für Familien zukünftig an Deutschkenntnisse geknüpft werden sollen. Wie stehen Sie dazu?
Hier geht es um Angebote für Kinder, damit sie leistbar ihre Freizeit gestalten können. Das hat im Wahlkampf nichts verloren. Der Grund, warum wir wieder mitregieren wollen ist, dass wir jetzt sechs wertvolle Jahre im Kampf gegen die Klimakrise verloren haben. Der heurige Sommer war eine eindrucksvolle Warnung, was passiert, wenn wir nichts tun. Wir müssen es schaffen, den Klimaschutz zur ersten Priorität zu machen.
Was sind hier die größten Baustellen?
Vor allem der Verkehr. Wir haben dank der grünen Regierungsbeteiligung im Bund viele Millionen nach Oberösterreich holen können zum Ausbau der Schiene. Und es gibt jetzt das Klimaticket, das eine riesige Entlastung für Pendler ist.
KURIER Talk mit Stefan Kaineder
Mit der Ostregion ist das aber noch nicht fertig ausverhandelt.
Richtig. Ich verstehe überhaupt nicht, warum Wiens Bürgermeister Ludwig hier so auf der Bremse steht. Wenn Wien nicht mitmacht, entsteht ja ein Schaden für die Wiener Stadt-Hotellerie. Dann fahren die Leute nach Innsbruck, Graz und Klagenfurt. Die werden nicht nach Wien kommen, wenn es keine U-Bahn dazu gibt. Die Österreicher haben aus dem Bundesbudget in den letzten 20 Jahren zwei Milliarden Euro für die Wiener U-Bahn gezahlt. Und jetzt macht man ihnen sozusagen die Tür zu, wenn sie mit dem Klima-Ticket nach Wien kommen. Zuerst kassieren und dann blockieren, das geht nicht.
Bevor wir über Tourismus reden, müssen wir die Corona-Situation in den Griff bekommen. Sie waren selbst an Corona erkrankt. Wie besorgt blicken Sie Richtung Herbst?
Die vierte Welle trifft vor allem Ungeimpfte. Für uns heißt das als politisch Verantwortliche, dass die Ungeimpften besonderen Schutz brauchen. Ich finde es völlig richtig, dass wir jetzt auf breiter Basis darüber diskutieren, wozu man im öffentlichen Leben in Zukunft eine Impfung brauchen wird.
Sind Sie für eine Impfpflicht in Gesundheitsberufen?
Ich finde es wichtig, darüber zu diskutieren. In manchen Berufsgruppen gibt es eine besondere Verantwortung und eine spezielle Form der Solidarität. Mit einer Impfung schütze ich mich ja nicht nur selbst, sondern vor allem andere.
Mitarbeit: Edgar Subak
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