Kärntens LH Kaiser zu Quarantäne-Aus: "Dieses Vorgehen ist dilettantisch"
Kärntens SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser hat das Vorgehen der Regierung beim Aus für die Corona-Quarantäne scharf kritisiert. Weniger inhaltlich als wegen der Nicht-Kommunikation mit den Landeshauptleuten.
KURIER: Mit 1. August ist eine neue Corona-Strategie Realität. Was ärgert Sie mehr, dass die Quarantäne abgeschafft worden ist, oder die Art und Weise, wie die Bundesregierung den Schritt mit den Landeshauptleuten kommuniziert hat?
Peter Kaiser: Es ist die Art und Weise, wie man einen Teil der Landeshauptleute über zehn Tage lang völlig im Ungewissen gelassen hat, weswegen wir nur auf Medienberichte angewiesen waren. Bei der Konferenz mit den Landeshauptleuten haben ich und mein Wiener Kollege Michael Ludwig wesentliche Fragen dazu gestellt und sind praktisch ohne Antworten sitzen gelassen worden.
Was hat das für Auswirkungen auf das Verhältnis zur Bundesregierung?
Einen Strategiewechsel so zu vollziehen, das ist ein Weg, um Vertrauen zu zerstören. Dabei bin ich jemand, der immer versucht hat, zwischen Ländern und der Bundesregierung zu vermitteln. Ich habe das als Affront empfunden.
Wenn die Vertrauensbasis so beschädigt worden ist, wie will man das alles dann meistern? Die Umsetzung funktioniert ja nur im Zusammenspiel zwischen dem Bund und den Ländern?
Wenn man einen Strategiewechsel gemeinsam umsetzen muss, dann braucht es ja genau jene Menschen vor Ort. Einen Landeshauptmann, eine Gesundheitsreferentin, die Landesbehörden sind näher an den Menschen, als es Bundespolitiker logischerweise sein können. Das Vorgehen der Bundesregierung ist daher ebenso verantwortungslos wie dilettantisch.
Waren Sie grundsätzlich für eine Änderung der Quarantäneregeln oder hätten Sie diese beibehalten?
Dieses Leben mit Covid ist etwas, das man permanent diskutieren sollte. Ich hätte es sicher nicht bei ansteigenden Infektionszahlen gemacht. Trotz des Gegenarguments, dass diese Omikron-Variante die mildeste ist und daher das Risiko einer Überlastung des Gesundheitssystems geringer. Es ist aber nicht nur eine Frage des Zeitpunkts, sondern auch der notwendigen Begleitmaßnahmen, die derzeit noch fehlen.
Was zu Beginn der Pandemie Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober zu viel mit den Landeshauptleuten geredet hat, wird jetzt zu wenig kommuniziert?
Ich habe bei Rudi Anschober nicht das Gefühl gehabt, dass zu viel gesprochen wurde. Damals waren es aber weitaus schwierigere Umstände, wenn es um Corona-Neuigkeiten gegangen ist. Aber die jetzige alemannische Schweigemauer – damit meine ich nicht nur den Kollegen Rauch, den ich persönlich schätze, sondern die gesamte Regierung – ist sicherlich der falsche Weg. Ohne Kommunikation wird man Krisen nicht überwinden.
Teuerung, Energieknappheit – es gibt noch weit schwierigere Krisen zu bewältigen. Wie ist das möglich, angesichts des aktuellen Vertrauensverlusts? Oder kann das rasch behoben werden?
Erstens habe ich nicht das Gefühl, dass man das rasch beheben will, weil sonst hätte man das alles nicht zugelassen. Gerade nach zweieinhalb Jahren Pandemie, wo man einander wirklich genau kennt, derart links liegen gelassen zu werden, hat schon eine gewisse Konsequenz. Das Vertrauen ist erschüttert. Da brauchen wir gar nicht viel darum herumreden.
Kommen wir zur Bewältigung dieser Krisen. Der Bund hat Pakete geschnürt, die nicht angekommen sind. Einige Bundesländer gehen deshalb eigene Wege.
Die idealtypische Vorgangsweise wäre, dass man ganz klar zuordnet, welches Ziel haben wir und wie – auf welchen Ebenen – erreichen wir es. In der gesamten Energieversorgung und ganz besonders bei der Mangelware Gas wird es nicht viel Sinn machen, dass man national oder gar regional versucht, Insellösungen zu machen. Bei der Beschaffung ist die EU gesamt weitaus besser.
Und was ist national zu tun?
Das Ziel national zu formulieren, würde heißen: Was wollen wir? Es müssen die drei wichtigsten Dinge im Leben leistbar bleiben. Die Grundnahrungsmittel inklusive den wichtigsten Hygieneartikel und Babyartikel. Zweitens muss jeder Haushalt so viel an Energie oder Strom zur Verfügung haben, dass man die Grundbedürfnisse decken kann. Und drittens muss es ein Dach über dem Kopf geben, das leistbar bleibt. Wenn man das klargestellt hat, kann man über die verschiedenen Instrumente reden. Die größten Regelungsmechanismen hat der Staat selbst in der Hand. Etwa über die Steuern Preise zu reduzieren. Es gibt ja ein Gesetz, das eine amtliche Preisregelung möglich macht. Man kann auch Mietobergrenzen rechtlich regeln. Der Staat hat Möglichkeiten, einzugreifen. Aber auch der Einzelne hat natürlich Möglichkeiten, Energie zu sparen.
Ob das gelingen kann?
Wir sind leider keine krisenresistente Gesellschaft. Die Älteren vielleicht oder jene, die Entbehrungen erlebt haben. Aber ansonsten leben wir in der sehr vereinfachten Logik, Fortschritt heißt quantitativ immer mehr, immer mehr. Deswegen sollten die jetzt notwendigen Sparmaßnahmen mit einer vernünftigen Klimastrategie verbunden werden. Es wird sich etwas ändern und wir sollen es politisch proaktiv begleiten.
Zum Abschluss noch ein paar Fragen zur Ihrer SPÖ. Wie zufrieden sind Sie momentan mit Ihrer Bundespartei in Wien? Die Umfragen bescheinigen dieser klar den ersten Platz.
Ich denke, dass wir uns jeden Tag bemühen müssen, noch besser zu werden, und wenn wir Schwachstellen haben, diese zu erkennen und auszumerzen. Ich bin nie jemand, der mit einem jeweiligen Zustand zufrieden ist. Zufriedenheit ist der Beginn von Rückschritten. Wir werden auch viele Alternativen zu dem aufzeigen müssen, was die Regierung nicht oder nur schlecht macht – ohne dass das nur als Oppositionsgetue dargestellt werden kann. Die Sozialdemokratie hat in ihrer Geschichte bewiesen, dass sie sowohl eine gestaltende als auch eine Verantwortung tragende Partei ist. Gerade jetzt würde es mehr an Sozialdemokratie in der Verantwortung benötigen, als es das noch vor zehn Jahren den Anschein gehabt hat.
Vor ungefähr einem Jahr hat es in Kärnten das Treffen von Bundesparteiobfrau Pamela Rendi-Wagner und Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil gegeben hat, das von Ihnen eingefädelt worden war. Es hat danach aber kein Nachfolgetreffen gegeben.
Außer man nimmt den burgenländischen Landesparteitag als solches her.
Hat sich das Verhältnis verbessert?
Zumindest in der Außenwirkung spüren die Menschen, dass wir nicht in uns selbst die größten Gegner sind.
Seitens der SPÖ werden immer wieder Neuwahlen auf Bundesebene gefordert. Wie sehen Sie das in Zeiten so großer Krisen?
Wenn es um vorgezogene Neuwahlen geht, wird es für die, die regieren, wohl nie einen idealen Zeitpunkt geben. Ich glaube, dass hier die ÖVP beharrender sein dürfte als die Grünen. Wenn ich mir aber vorstelle, dass bis zum Herbst 2024 so weiter vorgegangen wird, dann werden wohl auch gutmütigsten Menschen in dieser Frage zu härteren Formulierungen greifen.
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