Kärnten-Koalition: VP zahlt hohen Preis für wenig Macht

Kärnten-Koalition: VP zahlt hohen Preis für wenig Macht
SPÖ verhindert „Fernsteuerung“ durch Kurz. Türkis entpuppt sich als Intrigantenstadl.

Einen Vertrauensvorschuss hat Kärntens SPÖ-Landeschef Peter Kaiser von der ÖVP nach dem überraschenden Rückzug des türkisen Parteiobmannes Christian Benger gefordert  –  um die ausverhandelte Koalition zu retten  und Querschüsse aus Wien zu verhindern. Und er hat ihn überraschend auch erhalten, denn die ÖVP stimmte einer Aussetzung  des Einstimmigkeitsprinzips in der Regierung zu. Dies stellt ein Novum in Österreich dar und verleiht der SPÖ zusätzliche  Macht.


Nachdem die Türkisen die Roten desavouiert und einen wesentlichen Vertragspunkt des Koalitionspakts – die personelle Kontinuität – noch vor der Angelobung gebrochen haben, schnürte auch Kaiser das Abkommen auf und stellte den neuen Kärntner ÖVP-Chef vor die Wahl: Entweder Martin Gruber  winkt die Aufhebung des  Einstimmigkeitsprinzips durch oder die Koalition ist Geschichte.

„Keine Fernsteuerung“

Mir ist wichtig, dass  der gesamte Parteivorstand den Beschluss mitträgt. Denn dort sitzt auch Ministerin Elisabeth Köstinger drinnen. Ich will keine Fernsteuerung aus Wien, das Vertrauen in die ÖVP ist getrübt“, sagte Kaiser.  Der 34-jährige Gruber, der als Bürgermeister von Kappel zum  designierten ÖVP-Chef aufgestiegen ist, kam Donnerstagmittag zum Anstandsbesuch in das Landeshauptmannbüro – in Begleitung von Benger, die gemeinsam den Koalitionsfrieden suchten. Türkis bot in Sachen Einstimmigkeitsprinzip eine temporäre Lösung  an, Kaiser verlangte aber eine für die Legislaturperiode.

Auf Druck der Sozialpartner rang sich die Volkspartei am Abend zu einem „Ja“ durch. Das bedingt nun eine Änderung der Landesverfassung. Mit dem Aussetzen der Einstimmigkeitsklausel kann die Sozialdemokratie, die bereits die Schlüsselreferate  Personal, Gesundheit, Soziales oder Finanzen für sich ausverhandelt hat, durch die Mehrheit von  fünf zu zwei Regierungsmitgliedern sämtliche Beschlüsse durchwinken, ein Veto des Juniorpartners  ist  nicht möglich.

„Wir sehen diese Zusage als Vertrauensvorschuss gegenüber der SPÖ und gehen davon aus, dass er nicht missbraucht wird“, meinte Gruber. Kaiser sagte, auf seine nunmehrige Allmacht angesprochen: „Wir werden die Möglichkeit, Interessen im Alleingang durchzusetzen entweder überhaupt nicht, oder nur im Notfall nutzen – beispielsweise um ein Landesbudget umzusetzen, das sonst verhindert würde.“

Indes lichten sich die Schleier rund um den Benger-Rücktritt. ÖVP-Funktionäre berichten von parteiinternen Mobbing-Aktionen auf Facebook und in WhatsApp-Gruppen, bei denen Bengers Familie beleidigt worden wäre.

„Erpresser“-Brief

Die Querschüsse gibt es schriftlich: ÖVP-Bürgermeister aus den traditionell starken schwarzen Oberkärntner Bezirken Hermagor, Spittal sowie Feldkirchen haben dem Noch-Parteichef letzte Woche in einem Brief aufgefordert, den  Spittaler Wahlkreisspitzenkandidat Ferdinand Hueter zum Landesrat zu küren. Anderenfalls würde man sich beim nächsten Parteitag von der ÖVP abspalten. Ob dieser Putschversuch von Wien aus lanciert oder rein aus Oberkärnten gesteuert war, bleibt im Dunkeln.

Jedenfalls waren sich die Benger-Gegner ihrer Sache so sicher, dass Hueter am Dienstag sein Amt als Bürgermeister von Berg vorsorglich niederlegte, um sich für den Landesrats-Job freizuschaufeln. Dies verhinderte Benger mit dem Rücktritt, die Putsch-Drohung bleibt somit aufrecht.

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