Justiz im Kampf gegen Korruption: Ein schweres Vermächtnis
Reformer, Humanist, Visionär. Was Christian Broda auch war: Ein Meister darin, seine Staatsanwälte mit Weisungen zu zermürben. Alleine 15 davon soll der SPÖ-Minister im Verfahren um den AKH-Bauskandal gegeben und so Parteifreunde geschützt haben.
Vier Jahrzehnte später sitzt die grüne Justizministerin Alma Zadić im holzvertäfelten Büro Brodas im Palais Trautson – mit dem erklärten Ziel, die Strafverfolgung zu stärken, sie unabhängiger zu machen und jeden Verdacht der politischen Einflussnahme zu beseitigen.
Es ist ein Versuch, und der erste Schritt sieht aktuell so aus: Zadić will die Sektion Strafrecht des umstrittenen Chefs Christian Pilnacek aufteilen.
Der Bereich Straflegistik, der Gesetze konzipiert und dazu in engem Austausch mit Politikern und Wirtschaftsvertretern ist, soll vom Bereich Einzelstrafsachen, wo immer wieder eben jene Politiker und Wirtschaftsvertreter unter Verdacht stehen, getrennt werden. Zadić will für „klare Verhältnisse“ sorgen.
Christian Broda (SPÖ) war von 1960 bis1966 und von 1970 bis 1983 Justizminister
Hans Klecatsky (parteilos) war von 1966 bis 1970 im Amt
Harald Ofner (FPÖ) war von 1983 bis 1987 Justizminister
Notar Nikolaus Michalek (parteilos) machte den Job von 1990 bis 2000
Michael Krüger (FPÖ) war nur 25 Tage im Amt. Das Bild ist von Odin Wiesinger
Dieter Böhmdorfer (parteilos, FPÖ-nah) war von 2000 bis 2004 Minister
Karin Gastinger (BZÖ, dann parteilos), Ressortverantwortliche bis 2007
Maria Berger war von 2007 bis 2008 im Amt und seit Broda die einzige SPÖ-Justizministerin
Johannes Hahn (ÖVP) war nur eineinhalb Monate lang Justizminister. Sein Gemälde soll mehr als 6.000 Euro gekostet haben
Richterin Claudia Bandion-Ortner (parteilos) war Ministerin von 2009 bis 2011, sie ließ sich von ihrem Ehemann malen
Beatrix Karl (ÖVP) war Ministerin von 2011 bis 2013. Ihres ist das wohl auffälligste und bislang letzte Gemälde in der Ahnengalerie
Zwischen Broda und Zadić liegen 14 andere Justizminister – und auch sie versuchten sich auf dem Gebiet. Hans Klecatsky, parteiloser Professor für öffentliches Recht, ließ die Finger von Weisungen, mit denen ein Minister ganz offiziell Einfluss auf ein Verfahren nimmt.
Harald Ofner (FPÖ) ließ gerne medial verlauten, wo es langgeht: Im Fall Lucona richtete er seinen Staatsanwälten aus, „die Suppe sei zu dünn“. Erst später wurde Udo Proksch im Versicherungsbetrugsfall mit Todesopfern doch verurteilt.
In der Amtszeit des parteifreien (aber FPÖ-nahen) Ministers Dieter Böhmdorfer forderte die Opposition einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt an der Weisungsspitze. Nur dieser solle die Macht haben, ein Verfahren abzudrehen oder anzukurbeln.
„Ein kommunistisches Modell, das mit mir nicht zu machen war“, sagt Böhmdorfer, noch heute überzeugt davon, dass so jemand an der Weisungsspitze genauso politisch belastet – weil von einer Koalitionsmehrheit im Parlament bestellt – wäre.
Des Themas hat sich Wolfgang Brandstetter (parteifrei, auf ÖVP-Ticket) angenommen, indem er 2013 einen Weisungsrat installierte, der die Justizminister bis heute berät. Wirklich gelöst wurde das Problem aber auch damit nicht.
Ver-, Ent- und Verschärfung
Bei der Korruptionsbekämpfung hat sich dazwischen einiges getan: 2008 hat SPÖ-Justizministerin Maria Berger eine Sonderbehörde für politisch brisante und hochkomplexe Strafverfahren konzipiert: die heutige Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Von Berger stammt auch ein umfangreiches Anti-Korruptionsgesetz samt „Anfütterungs“-Verbot.
Claudia Bandion-Ortner entschärfte das Gesetz („Schokolade kann man nicht kriminalisieren“), ihre Nachfolgerin Beatrix Karl (beide ÖVP) verschärfte es wieder („Jedes Geschenk an einen Amtsträger ist eines zu viel“).
Karl war es auch, die die Anti-Korruptionsbehörde deutlich aufwertete. Die WKStA bekam mehr Personal, eigene Wirtschaftsexperten und zusätzlich zur Zentrale in Wien drei Außenstellen.
Die Behörde genießt einen Sonderstatus – aber dieser hat seine Tücken: Man erinnere sich an die Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz 2018, die im Nachhinein teilweise als rechtswidrig erkannt wurde. Seither müssen die Korruptionsjäger solche Ermittlungsschritte vorab an ihre Fachaufsicht melden.
Konflikt in aller Öffentlichkeit
Berichtspflichten werden von den Korruptionsjägern gerne als Grund für Verzögerungen bei Strafverfahren genannt und auch als Einschränkung ihrer Unabhängigkeit gesehen.
Zum Thema wurde das im Vorjahr, als ein interner Streit um die Causa Eurofighter in die Öffentlichkeit getragen wurde. Im Fokus: Sektionschef Christian Pilnacek, der seit 2010 als Chef der „Supersektion“ Strafrecht an der Spitze der Weisungskette sitzt. Über seinen Tisch gehen die Vorhabensberichte der Staatsanwaltschaften, bevor sie der Minister zu sehen bekommt.
In dieser Position ist er wiederholt mit dem Vorwurf konfrontiert, direkt oder indirekt durch Zurufe Einfluss zu nehmen.
Im Zuge der geplanten Sektionstrennung soll Pilnacek von der Weisungsspitze entfernt werden. Justizministerin Zadić will ihn damit für aktuell brisante Verfahren wie Ibiza und Casinos aus der Schusslinie nehmen und Ruhe in die Justiz bringen.
Auf der Agenda der Grünen steht die Korruptionsbekämpfung ganz oben – das beinhaltet nicht nur weitere Verschärfungen im Strafrecht, sondern auch mehr Budget und Planstellen für die Staatsanwälte, die lange gefordert wurden.
Zadić pumpt aber nicht nur Geld in die Justiz, sie plant auch eine Evaluierung, um endlich die Frage zu klären, woran es bei Großverfahren, die im Interesse der Öffentlichkeit stehen, hakt. Es ist ein Anfang.
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