Justiz: „Ganz entkommt man der Politik nie“
Rund 200 Weisungen hat das Justizministerium den lokalen Staatsanwaltschaften seit 2014 erteilt, wie kürzlich bekannt wurde.
Ist das viel? In Relation zu der Vielzahl an Berichten, die man auf den Tisch bekomme, nicht, sagt der zuständige Sektionschef Christian Pilnacek im KURIER-Gespräch.
Die Zahlen im Detail: Im Jahr 2018 haben die Staatsanwaltschaften 645 so genannte Vorhabensberichte übermittelt – da ging es um die Frage, ob ein Verfahren eingestellt werden oder ob es eine Anklage geben soll. Zu diesen 645 Berichten hat das Justizministerium 35 Weisungen erteilt. 2017 gab es 40 Weisungen bei 552 Berichten.
Strenges Prozedere für Weisungen
Meist waren das, so Pilnacek, Aufforderungen, weiter zu ermitteln, weil aus Sicht der Ressort-Experten noch nicht genug getan wurde.
Das Thema wird seit dem internen Justiz-Streit in der Eurofighter-Causa kontrovers diskutiert. Pilnacek warf man da vor, er habe Teile des Verfahrens abdrehen wollen.
Einfluss nehmen kann er über (schriftliche) Weisungen, es gibt aber ein strenges Prozedere dafür: Die Staatsanwälte müssen sich nach Abschluss ihrer Ermittlungen bei heiklen Fällen den Sanktus des Ministeriums holen. Dort prüft eine Fachabteilung in der Sektion IV, deren Chef Pilnacek ist, und macht einen Vorschlag zur Erledigung.
Bei Fällen, die die Öffentlichkeit betreffen bzw. wenn tatsächlich eine Weisung geplant ist, muss der Weisungsrat eingeschaltet werden. Das ist ein dreiköpfiges Beratungsgremium, Vorsitzender ist der Generalprokurator Franz Plöchl – quasi höchster Staatsanwalt der Republik. Im Vorjahr wurden dem Weisungsrat 182 Berichte vorgelegt, 2017 waren es 193.
Eingerichtet wurde der Weisungsrat 2016 vom damaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter – er wollte damit jeden Anschein von politischer Beeinflussung ausräumen. Es gelang ihm nicht.
Bundesanwaltschaft
Schon die Tatsache, dass die Strafverfolgung überhaupt an die Ressortspitze gebunden ist und die Staatsanwaltschaften nicht (wie Gerichte) nach außen völlig weisungsfrei sind, sorgt immer wieder für Kritik. Österreich ist eines der wenigen Länder in der EU, in denen das so ist.
Der Weisungsrat scheine sich in der Praxis bewährt zu haben, sei aber nur eine halbe Lösung, sagt Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk. „Sein Rat ist für den Minister nicht bindend. Entscheidet er anders, muss er aber das Parlament informieren.“ Diese Transparenz sei entscheidend.
Funk hält eine „Bundesanwaltschaft“ als neue Weisungsspitze für die langfristig beste Lösung. Nach Idee der Neos wäre diese nur dem Parlament verpflichtet. Fraglich ist, wer dieses Gremium bestellt. Der Nationalrat? Auch da gibt es verschieden starke politische Kräfte. „Ganz wird man der Politik nie entkommen“, sagt mit Heinz Mayer ein anderer Verfassungsjurist. Auch er würde diese Lösung der derzeitigen Situation vorziehen.
Kommentare