Unbescholtene: Justiz-Chef gegen Vorverurteilung

Brandstetter: Justiz soll klarer festhalten, wie stark ein Verdacht ist.
Wolfgang Brandstetter will, dass Staatsanwälte mit Begriff "Beschuldigter" strenger umgehen.

Ab wann hat es jemand „verdient“, von der Justiz „Beschuldigter“ genannt zu werden? Ist es fair, wenn die amtliche Bezeichnung selbst vergeben wird, sobald ein Querulant den unbescholtenen Nachbarn mit einer anonymen Anzeige anschwärzt?

Geht es nach Justizminister Wolfgang Brandstetter, so hat die Justiz bei den sogenannten Ermittlungsverfahren (Verfahren vor einem allfälligen Prozess, Anm.) diesbezüglich Aufholbedarf – die Strafprozess-Ordnung, kurz StPO, wird reformiert.

„Die Begriffe sollen besser und klarer werden. Als ,Beschuldigter‘ soll man erst dann bezeichnet werden, wenn die Justiz wirklich zielgerichtet ermittelt“, sagt Christian Pilnacek, Chef der Strafrechtssektion im Justizministerium zum KURIER.

Laienhaft ausgedrückt: Das Gesetz soll strenger vorgeben, ab wann jemand wirklich „Beschuldigter“ genannt wird und damit lange vor einem Prozess eine Unterscheidung ermöglichen, wie hart der Verdacht ist.

Klarstellung

Die Klarstellung ist dringend notwendig: Zum einen gibt es bei der Verwendung des Begriffes große Auffassungsunterschiede zwischen den Staatsanwaltschaften: „Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ist dafür bekannt, den Status ,beschuldigt‘ eher spät zu vergeben. Aber bei anderen Behörden ist man de facto ab dem Einlangen der Anzeige Beschuldigter“, sagt Insider zum KURIER.

Insbesondere bei „clamorosen Fällen (Verfahren, an denen Prominente, Politiker, etc. beteiligt sind), wird dies zum rechtspolitischen Problem. Denn im Unterschied zum „Normalbürger“ gibt die Justiz bei Promis öffentlich Auskunft – und deutet mit den formal korrekten Begriffen mitunter mehr an, als hinter einer Sache steckt. So wurde etwa Ex-Ministerin Claudia Schmied in der Affäre Kommunalkredit lange als „Beschuldigte“ geführt, obwohl letztlich alle Ermittlungen eingestellt wurden.

Abgesehen von der Stellung des Beschuldigten will der Justizminister im Zuge der StPO-Reform klären, welche Rolle Sachverständige künftig bei Gericht spielen.

Verfahren gegen Huber

Im Ministerium wird es als problematisch erachtet, dass – wie zuletzt im Verfahren gegen Ex-ÖBB-Boss Huber – erst im laufenden Prozess thematisiert wird, wie glaubwürdig einzelne Gutachter sind.

Aufwerten will Brandstetter die Schöffengerichte. Dem Vernehmen nach sollen die Schöffen-Senate bei sehr komplexen Wirtschaftsstrafsachen künftig aus zwei Berufs- und zwei Laienrichtern bestehen. Bisher fand man mit einem Berufsrichter und zwei Laien das Auslangen.

Kommentare