Rauch: "Lebensmittelpreise nicht mehr mit Inflation begründbar"

Die Zahl der Armutsbetroffenen steigt, die Lebensmittel werden immer teurer. Sozialminister will Handel unter Lupe nehmen.

Die Zahlen sind erschreckend: Im vergangenen Jahr 2022 waren 201.000 Personen in Österreich erheblich materiell und sozial benachteiligt. Das heißt, dass sich 2,3 Prozent der Bevölkerung mehrere Ausgaben wie neue Möbel, einen Urlaub oder eine angemessen warme Wohnung nicht leisten konnten. 2021 waren es noch 160.000 Personen oder 1,8 Prozent der Bevölkerung gewesen. 

Das liegt freilich an den multiplen Krisen, mit denen die Welt derzeit zu kämpfen hat. Österreich sei dabei noch gut aufgestellt, sagte Sozialminister Johannes Rauch im ZiB2-Interview: “Wir hatten eine Reihe von Krisen, die sich überlagern und sich gegenseitig verstärken. Der Sozialstaat verhindert Schlimmeres, die Armutsgefährdung wäre ohne ihn dreimal so hoch."

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Die Regierung habe zwar in vielen Bereichen geholfen - bei Miete und Energie etwa -, aber in puncto Lebensmittelkosten gebe es Nachholbedarf, sagt Rauch. “Manche Lebensmittel sind doppelt so teuer wie vor der Krise. Das ist mit der Inflation nicht mehr begründbar.” Er will darum gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler auf den Lebensmittelhandel zugehen, um den teils zu hohen Preisen auf den Grund zu gehen. 

"Armut halbieren, nicht  Sozialleistungen"

In puncto Kindergrundsicherung, die etwa laut Volkshilfe ein wirksames Instrument zur Armutsbekämpfung und gegen Armutsvererbung darstellen würde, kann Rauch wenig Hoffnungen machen. “Das ist eine kluge Idee, aber nicht mehrheitsfähig in der Regierung”, sagte er - er versuche aber dennoch “Schneisen zu schlagen”.

Umgekehrt sei er aber nicht bereit, die von der ÖVP ventilierten Kürzungen beim Arbeitslosengeld mitzutragen. “Wir sind angetreten, um die Armut zu halbieren, und nicht um Sozialleistungen zu halbieren.”

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Die mittlerweile mehrfach medial kolportierte schwierige Situation in den Spitälern gestand Rauch im Interview ein, verwies aber auch auf die Bundesländer - sie seien als Dienstherren jene, die an den Schalthebeln sitzen würden. Er sei gerne bereit, via Finanzausgleich auszuhelfen, so Rauch.

"Paradigmenwechsel" bei ausländischen Arbeitskräften

Das Problem, dass es an Ärzten und Pflegepersonal mangle, sei aber ein grundsätzliches, das sich nicht binnen Kurzem lösen lasse. “Da ist die Bezahlung ein Punkt, der Personalmangel ist ein zweiter”, sagt Rauch dazu. Er fordert darum eine “strukturelle Reform des Gesundheitswesens. Ohne das werden wir in fünf Jahren eine Situation haben, wo das alles nicht mehr leistbar ist.”

Was die Personalnot im Pflegebereich angeht, sieht er Versäumnisse der Politik der letzten Jahre - und fordert ein Umdenken: “In den letzten 15, 20 Jahren wurde immer gesagt, dass alles, was von außen kommt, per se gefährlich oder böse ist. Wir schaffen es sogar, Familien, die Mangelberufe bekleiden, abzuschieben”, so Rauch. Darum sei der Personalpool im Inland nicht groß genug und Österreich als Arbeitgeber nicht attraktiv. “Wir brauchen einen Paradigmenwechsel, sonst werden wir auch im Wettbewerb verlieren.”

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