Der deftige Heringsschmaus der Politik am Aschermittwoch

Der deftige Heringsschmaus der Politik am Aschermittwoch
Der Ursprung des Politischen Aschermittwochs liegt in Bayern, Jörg Haider hat ihn in Österreich etabliert - mittlerweile haben auch ÖVP und SPÖ daran Gefallen gefunden.

Eigentlich markiert der Aschermittwoch ja eine scharfe Zäsur: Mit ihm beginnt - nach dem Faschingsdienstag - die 40-tägige (ohne Sonntage) Fastenzeit, auch österliche Bußzeit genannt. Aber andererseits haben Büttenreden und Bußpredigten vieles gemeinsam: nämlich anderen - insbesondere den Mächtigen und Herrschenden - einen Spiegel vorzuhalten. Von daher erklärt sich letztlich auch die Tradition des Politischen Aschermittwochs, also der volkstümlichen Politikerauftritte an diesem Tag.

Als Mutter aller Politischen Aschermittwoche gilt jener der bayerischen CSU. Dessen Wurzeln lassen sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen, als Bauern im bayerischen Vilshofen beim lokalen Viehmarkt politisierten. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg war es zunächst die separatistische Bayernpartei, die zu einer Politkundgebung am Aschermittwoch lud. Erst 1953 fand die erste einschlägige Veranstaltung der CSU statt. 

Untrennbar verbunden ist deren Politischer Aschermittwoch mit ihrer Überfigur Franz Josef Strauß (1915-1988), CSU-Vorsitzender von 1961, Ministerpräsident von 1978 bis zu seinem Tod.

"Saustall ohnegleichen"

Strauß prägte den Charakter der polternden politischen Tour d'horizon mit Seitenhieben auf politische Gegner bzw. auch die Bundespolitik. Ein leitendes Motiv: "das eklatante Versagen derer, die ausgezogen waren, Deutschland zu reformieren, und einen Saustall ohnegleichen angerichtet haben" (1975).

"Dreck am Stecken"

In Österreich griff Jörg Haider diese Tradition auf. 1992 fand der erste Politische Aschermittwoch der FPÖ in der Jahnturnhalle in Ried im Innkreis (OÖ) statt. In Erinnerung blieb insbesondere eine skandalträchtig-platte Aussage, die seinerzeit für entsprechend heftige Empörung sorgte: "Ich verstehe überhaupt nicht, wie einer, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben kann." Mit dieser Anspielung auf eine bekannte Waschmittelmarke attackierte Haider 2001 den damaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Ariel Muzicant, einen deklarierten Gegner Haiders.

Haiders Nachfolger hielten an dem Ritual fest - von Heinz-Christian Strache über Norbert Hofer bis Herbert Kickl. Bei Hofer 2021 ging es allerdings deutlich anders zu - statt markiger Sprüche gab es in der Jahnhalle (coronabedingt ohne Publikum) ein moderiertes Gespräch zwischen Hofer und dem FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner.

"Senile Mumie"

Herbert Kickl hatte im Vorjahr seinen ersten Auftritt, bei dem er nichts ausließ, den Erwartungen seines Publikums mehr als gerecht wurde und die Befürchtungen seiner Gegner bestätigte. Den Bundespräsidenten bezeichnete er als "senile Mumie", Kanzler Karl Nehammer, der eine "Rede zur Lage der Nation" halten wolle, sei die "Plage der Nation" und zur Corona-Politik reimte er: "Ein Prost an das Expertenheer - weil glauben tut euch keiner mehr."

Auch die anderen Parteien haben aber den Aschermittwoch für sich mittlerweile entdeckt. ÖVP-Chef und Bundeskanzler Nehammer lädt in die Klagenfurter Messe-Arena - als Stargast ist Deutschlands ehemaliger CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg angesagt.

Die SPÖ wiederum trifft sich im obersteirischen Kobenz. Als Mastermind fungiert bereits zum vierten Mal der Nationalratsabgeordnete und ehemalige Bundesgeschäftsführer Max Lercher - für SPÖ-Chef Andreas Babler ist es der erste Aschermittwochsauftritt. Ebenfalls dabei sind Klubobmann Philip Kucher, Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner und Steiermarks Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang.

VdB mahnt zum "Innehalten"

Im Vorfeld der traditionellen Aschermittwochsreden hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf X (Twitter) die Protagonisten zur Zurückhaltung aufgerufen. Die Redner mögen "kurz innehalten" und überlegen, ob man die Personen, über die man spricht, verletze.

"'Die Anderen', das wären die, über die man sich getrost lustig machen kann", schreibt der Bundespräsident. "Jene, auf die man herabsehen kann. 'Die Anderen', das wären zum Beispiel die Bösen, die Unfähigen, die Korrupten." Und weiter: "Als Bundespräsident, als Bürger, als Mitmensch - vielleicht auch manchmal als 'der Andere'" bitte er darum, innezuhalten. "Die Ereignisse in den letzten Tagen und das bevorstehende Wahljahr machen es mehr denn je notwendig."

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