Jedes 5. Kind ist arm: Mückstein für Grundsicherung
Neue Studien zeigen, dass die finanzielle Lage vor allem für Alleinerziehende immer prekärer wird, weil die staatlichen Leistungen die Kosten nicht abdecken. Mückstein will langfristig gegensteuern.
Zu kleine Wohnungen, Schimmelbefall, keine Möglichkeit, die Wohnräume im Winter zu heizen – für 127.000 Kinder und Jugendliche in Österreich ist das Lebensrealität. "Manifest arm" nennt sie die Armutskonferenz. "Armuts- und ausgrenzungsgefährdet" sind laut Statistik Austria sogar 350.000 Kinder und Jugendliche. Also jedes 5. Kind.
Um die Hintergründe für diese alarmierenden Zahlen zu ermitteln, hat das Sozialministerium bei der Statistik Austria eine Kinderkostenanalyse in Auftrag gegeben und am Donnerstag präsentiert. Die Erhebung sei laut Ministerium "längst überfällig" gewesen, weil Transferleistungen für Kinder – also z. B. Unterhaltszahlungen – bis heute auf Grundlage der Konsumerhebung aus dem Jahr 1964 bemessen werden.
Das Ergebnis des Vergleichs zwischen den monatlichen Kinderkosten und dem, was der Staat an Familienleistungen zuschießt, ist unschön: "Die Grundaussage der Studie ist, dass es sich für viele in bestimmten Konstellationen nicht mehr ausgeht", fasst Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) zusammen. "Vor allem, wenn man sich trennt."
"Lage für Alleinerziehende prekär"
Zur Erklärung: In Haushalten, in denen zwei Erwachsene mit ihren Kindern leben, betragen die monatlichen Kosten pro Kind durchschnittlich 494 Euro. Davon können 328 Euro durch Familienleistungen abgedeckt werden. Lebt eine alleinerziehende Person mit ihren Kindern, fallen pro Kind im Monat durchschnittlich Kosten von 900 Euro an. Das liegt daran, dass die Kinder in diesen Haushalten im Durchschnitt älter sind und die Kosten für Wohnen und Energie sich auf weniger Personen aufteilen. Was vom Staat zurückkommt, ist mit 321 Euro hingegen nahezu ident wie in einem Haushalt mit zwei erwachsenen Verdienern.
Das führt dazu, dass Alleinerziehende 579 Euro pro Monat und Kind aus eigener Tasche (bzw. durch Unterhaltszahlungen) begleichen müssen, bei zwei Erwachsenen im Haushalt sind es nur 166 Euro.
"Das heißt, dass die Lage für Alleinerziehende immer prekärer wird", sagt Mückstein. "Eine Kindergrundsicherung, wie es nun auch in Deutschland geplant ist, kann ich mir auf lange Sicht vorstellen." Konkret: "Dass dazu die aktuell sehr fragmentierten Leistungen für Kinder zusammengeführt werden." Im Regierungsprogramm ist das zwar nicht vorgesehen, aber: "Die Kinder sollten im Vordergrund stehen, nicht die Familienstruktur", sagt der Minister. Auch die Reform des Kindschaftsrechts, wovon ein wichtiger Teil das Unterhaltsrecht ist, an der derzeit im Justizministerium gearbeitet werde, soll das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt stellen und ein modernes Frauenbild berücksichtigen.
Mit den nun vorliegenden Zahlen sei jedenfalls die Grundlage für weitere Gespräche und politische Entscheidungen geschaffen.
Was den Familienbonus angeht, unterstreicht die ebenfalls am Donnerstag präsentierte Analyse des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), was bereits bei der Einführung des Bonus’ von vielen Seiten bemängelt wurde: Weil der Bonus mit der Steuerschuld steigt, müssen die Erwachsenen im Haushalt über ein vergleichsweise hohes Einkommen verfügen, um den Bonus voll ausschöpfen zu können: 1.093 Euro brutto im Monat bei zwei Erwachsenen, 1.830 Euro im Monat bei alleinerziehenden Personen.
Das führt insgesamt zu einer paradoxen Situation: Die staatlichen Familienleistungen sind im untersten Einkommensfünftel unterdurchschnittlich hoch, bei dem Fünftel der Bevölkerung, das am meisten verdient, überdurchschnittlich hoch.
Außerdem zeigt die Analyse, dass die Ausschöpfung des Bonus’ mit zunehmender Anzahl an Kindern schwieriger wird. "Die Benachteiligung des Ein-Erwachsenen-Haushalts verschärft sich mit jedem zusätzlichen Kind", fasst WIFO-Ökonomin Silvia Rocha-Akis zusammen.
Vorstellen kann sich Sozialminister Mückstein langfristig auch die zielgerichtete Verbesserung von Familienleistungen, wie etwa des Kinderabsetzbetrags. Auch das ist im türkis-grünen Regierungsprogramm nicht vorgesehen.
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