SPÖ-Staatssekretärin Schmidt: "Müssen türkis-grünen Saustall aufräumen"

Michaela Schmidt, SPÖ, Staatsekretärin
Warum Staatssekretärin und Regierungskoordinatorin Michaela Schmidt überzeugt ist, dass die Vertrauenswerte in die SPÖ wieder steigen werden – und wo sie Tennis-Legende Thomas Muster recht gibt.

Als Staatssekretärin ist Michaela Schmidt unter anderem für Wohnen und Sport zuständig – als SPÖ-Regierungskoordinatoren sitzt sie zudem im Maschinenraum der Koalition.

KURIER: Die SPÖ bespielt seit Monaten vor allem das Thema „leistbares Leben“. Ist das klug, wenn es realpolitisch dafür keine schnelle Lösung gibt?

Michaela Schmidt: Es geht darum, dass wir die Inflationsspirale der Vergangenheit brechen müssen. Die hohen Energiepreise haben dazu geführt, dass die Inflation gestiegen ist. Dadurch haben sich wiederum sehr viele Preise erhöht, die an die Inflation gekoppelt sind, vor allem die Mieten. Ich weiß, alle wünschen sich, dass übermorgen die Preise sinken. Es gibt aber nicht den einen Knopf, den wir drücken können.

Welche Preise hat diese Regierung, die Mieten im regulierten Bereich ausgenommen, bisher denn gesenkt?

Die Mietpreisbremse, die wir im Ministerrat beschlossen haben, ist historisch. Die Energiepreise werden wir über das Elektrizitätswirtschaftsgesetz senken, bei den Lebensmitteln werden wir 2026 unter anderem mit dem Shrinkflation-Gesetz eingreifen. Und auf europäischer Ebene bekämpfen wir den Österreich-Aufschlag.

Ärgert es Sie als Regierungskoordinatorin, wenn Ideen wie die Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel auf Ihrem Tisch landen, obwohl sie auch der Finanzminister für nicht finanzierbar hält?

Der Vorschlag stammt ursprünglich von WIFO-Chef Felbermayr. Eine Mehrwertsteuersenkung würde für die Konsumenten akut die Preise senken. Aufgrund der budgetären Lage ist es aber eine Maßnahme, die wir gegenfinanzieren müssen. Wir prüfen gerade alle Möglichkeiten.

Haben Sie berechnet, wie stark Mieter im nicht-regulierten Bereich 2026 von der Preisbremse profitieren?

Wir haben Szenarien berechnet, weil es ja davon abhängt, wie hoch die Inflation ist. Je höher diese ausfällt, desto mehr bringt das Modell den Mieterinnen und Mietern. Die Maßnahme wird Sicherheit geben. Unser Hauptziel als Regierung ist aber, die Inflationsrate nächstes Jahr Richtung zwei Prozent zu senken – im besten Fall kommt die Mietpreisbremse gar nicht zum Einsatz.

Sind Sie da optimistisch?

In den Prognosen liegt die Inflationsrate derzeit bei 3,5 Prozent. Wir drehen an allen Schrauben und ich bin überzeugt, dass uns eine Senkung gelingen wird. Klar ist aber auch: Die Preise machen die Unternehmen. Und gerade im Dienstleistungsbereich haben wir aktuell eine hohe Inflationsrate.

Vizekanzler Andreas Babler fordert für Mietwucher einen Straftatbestand, die ÖVP reagiert ablehnend. Arbeitet die SPÖ an einem Modell?

Den Großteil der Vermieterinnen und Vermieter betrifft das natürlich nicht. Wer aber Notsituationen von Mieterinnen und Mietern ausnutzt und absurde Mietsteigerungen verlangt, soll künftig mit Konsequenzen rechnen. Derzeit haben Vermieter in solchen Fällen sehr wenig Risiko, nämlich, auf den normalen Mietzins zurückzufallen. Das soll sich ändern.

Für die inhaltliche Koordination in der Koalition sind Sie als SPÖ-Regierungskoordinatorin zuständig. Wie schaut denn Ihre Rolle konkret aus?

Wir sind der Motor der Regierung. Wir sind dafür verantwortlich, unser Regierungsprogramm abzuarbeiten, das voller guter Kompromisse ist. Und wir debattieren auch, wenn Ereignisse oder Vorschläge dazu kommen, die über das Programm hinausgehen.

Wie viele Nächte haben Sie schon durchgearbeitet, seit die Regierung im Amt ist?

Manchmal dauert der Weg zur gemeinsamen Lösung sehr kurz, manchmal ist er nächtelang. Das Wichtige ist, dass wir Verhandlungen immer mit einer Lösung und einem Gesprächslima beenden, das uns ermöglicht, in der nächsten Woche wieder zu einer Lösung zu kommen.

Wie würden Sie Ihren Verhandlungsstil beschreiben? Als Zuschreibung hört man „durchaus hart, aber fair und lösungsorientiert“.

Das ist schön, weil das ungefähr meiner Selbsteinschätzung entspricht. Ich würde noch hinzufügen, dass ich als Ökonomin immer versuche, faktenorientiert zu argumentieren.

ORDENTLICHER PARTEITAG DER SPÖ TIROL: BABLER/ WOHLGEMUTH

Die Gewerkschaft war mit einigen Verhandlungsergebnissen nicht zufrieden – vor allem im Pensionsbereich. Haben Sie parteiintern bisher viel Widerstand und Kritik bekommen?

In der Sozialdemokratie ist uns allen bewusst, dass wir eine extrem schwierige Situation geerbt haben und es ein schwieriger Weg ist. Das war uns auch beim Regierungseintritt klar. Wir müssen einen türkis-grünen Saustall aufräumen. Dieser Verantwortung stellen wir uns im Gegensatz zu anderen Parteien – gemeinsam.

Apropos türkis-grüner Saustall: Was hätte die SPÖ, auch Sie als Ökonomin gefragt, in den vergangenen Krisenjahren als Regierungspartei anders oder besser gemacht?

Die SPÖ hat als Regierungspartei immer ein strukturell ausgeglichenes Budget übergeben. Warum? Weil uns immer wichtig war, dass strukturelle Ausgaben- oder Steuersenkungen gegenfinanziert sind. Zweitens hätten wir die Inflation nicht durchrauschen lassen. Die SPÖ und die Gewerkschaft haben früh auf Energiepreissenkungen gedrängt.

Eine Strompreisbremse gab es ja.

Aber zu spät. Türkis-Grün hätte gleich nach dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs die Gas- von den Strompreisen entkoppeln müssen.

ÖVP und Grüne sind für ihre Krisenpolitik bei der Nationalratswahl abgestraft worden. Die SPÖ konnte davon im Gegensatz zur FPÖ nicht profitieren. Warum?

Das ist jetzt vergossene Milch. Wir wollen in die Zukunft blicken. Uns ist bewusst, was es bedeutet, wenn man in budgetär schwierigen Zeiten zusammenräumt: Wir müssen sparen, kürzen und sehr viel „Nein“ sagen. Das ist kein lustiger Job, für niemanden in der Bundesregierung. Ich bin aber überzeugt: Wenn diese Regierung weiterhin gut arbeitet und sich die Lebenssituation der Menschen verbessert, wird sich das auch positiv auf unsere Vertrauenswerte auswirken.

In Umfragen werden vor allem ÖVP und SPÖ derzeit abgestraft. Was machte Ihnen denn Hoffnung, dass sich das ändert?

Es wird teilweise noch ein bisschen dauern, bis die Maßnahmen bei den Menschen ankommen. Wir haben aber erste positive Anzeichen, was die Konjunktur betrifft. Wenn sich die Wirtschaft erholt, die Arbeitslosigkeit sinkt und das tägliche Leben leistbarer wird, spüren das die Menschen.

Im EU-Vergleich hat Österreich immer noch eine unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote. Wird die Situation vielleicht auch dramatischer dargestellt, als sie ist?

Österreichs Arbeitsmarktpolitik ist in Europa immer ein Vorbild. Aber kleinreden darf man die Situation nicht. Es gibt nichts Schlimmeres als Arbeitslosigkeit, als das Gefühl, nicht gebraucht zu werden. Jeder Arbeitslose ist einer zu viel.

Zum Sport: Tennis-Legende Thomas Muster hat gesagt, dieser werde in Österreich wie ein Anhängsel behandelt. Sehen Sie das auch so?

Ich sehe es auch als meine Aufgabe, dem Sport als zuständige Staatssekretärin politisches Gewicht zu geben. Ich bin mit Thomas Muster einer Meinung, dass die Bedeutung des Sports weit über Medaillen hinausgeht. Es geht gerade darum, Kinder in Bewegung zu bringen. Das ist die Grundlage für ein aktives, gesundes Leben – mit Folgeerscheinungen für unser Gesundheitssystem.

Sie haben Faustball-Bundesliga gespielt und gehen Klettern. Was ist Ihr Beweggrund, viel Sport zu betreiben?

Ich komm aus einer sportbegeisterten Familie und hatte das Glück, schon als Kind immer mit verschiedenen Sportarten in Berührung zu kommen. Mein politischer Anspruch ist aber, dass das auch für Kinder gilt, die aus keiner sportbegeisterten Familie kommen.

Die tägliche Turnstunde erreicht nur 15 Prozent der Kinder. Das Budget wurde um 1,5 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt, aber ist das mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein?

Es ist eine zehnprozentige Steigerung, und das, obwohl wir im Sportbudget wie überall kürzen mussten. Sport-Austria-Präsident Hans Niessl und ich kämpfen hier für das gleiche Ziel: Wir wollen so schnell wie möglich 100 Prozent der Kinder erreichen. Da gibt es aber noch ein paar Hürden.

Welche?

Die Dachverbände haben bisher 3.000 Personen als Bewegungscoaches ausgebildet, die in die Schulen gehen. Für den Vollausbau brauchen wir aber noch viel mehr Personal. Zweitens brauchen wir eine finanzielle Lösung. Derzeit kostet die tägliche Bewegungseinheit 20 Millionen Euro pro Jahr, im Vollausbau wären es wohl rund 120 Millionen. Dafür müssen wir auch andere Finanzierungsquellen finden.

Bis wann wollen Sie 100 Prozent der Kinder erreichen?

Die Vorgängerregierung hat sich 2035 als Ziel gesetzt. Das ist mir zu spät. Denn die tägliche Bewegungseinheit hat noch einen zusätzlichen Effekt: sie hilft mit, dass wir mehr Kinder im Sportverein haben. Die Schule ist der beste Weg für die Vereine, sie zu erreichen. Auch ich bin über eine engagierte Turnlehrerin zum Faustball gekommen, dann dem Verein beigetreten und habe dann fast 20 Jahre Bundesliga gespielt.

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