Die zusammengerollte Österreich-Flagge im Büro von Michaela Schmidt deutet auf einen vergangenen Stadionbesuch hin. Das rote Fußballdress hängt am Regal. Als Kind sei sie gern zu Austria Salzburg ins Lehener Stadion gegangen, sagt die 41-Jährige. Seit März ist Michaela Schmidt als Staatssekretärin für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport im Amt.
KURIER:Haben Sie heute schon Sport gemacht? Wie oft kommen Sie dazu?
Michaela Schmidt: Nein. Einmal pro Woche komme ich derzeit zum Sport. Für mich persönlich ist das eigentlich zu wenig, weil es nicht gut für mein Wohlbefinden ist. Ich bin optimistisch, dass ich wieder zu mehr komme, nachdem die zeitintensiven Budgetverhandlungen vorüber sind. Meine Kletterschuhe und mein Laufgewand sind jedenfalls schon in Wien.
Wir alle am Tisch sind alt genug, um zu wissen, dass die tägliche Turnstunde seit Jahrzehnten gefordert wird. Warum bekennt sich die Regierung erneut dazu?
Es geht nicht um ein bloßes Bekenntnis, wir wollen die tägliche Bewegungseinheit forcieren und ausbauen. Dass sich Kinder bewegen, das ist einerseits die Voraussetzung dafür, dass diese auch in Zukunft ein aktives Leben führen werden. Denn bewegte Kinder sind gesunde Kinder und gesunde Kinder sind glückliche Kinder. Gleichzeitig ist der Ausbau die Voraussetzung für den Spitzensport. Je mehr Kinder in einem Talentepool sind, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass wir keine Talente übersehen.
Wie erreicht man Kinder in Familien, in denen Sport keine Rolle spielt, die beispielsweise auch ihre Kinder vom Sport-Unterricht abmelden?
Der erste Weg führt über die Kindergärten und Schulen. Eine Stunde Bewegung am Tag ist ja das Minimum. Unser Ziel ist es, dass Kinder dadurch animiert werden, weit mehr Sport machen zu wollen. Wir wissen, dass Sport auch die Konzentrations- und Lernfähigkeit stärkt und Charakter bildend ist. Gerade in Teamsportarten nimmt man Lektionen fürs Leben mit.
Woran werden Sie ermessen, ob das Bekenntnis der Regierung erfolgreich war?
Jetzt war es wichtig, trotz der Budgetsanierung die tägliche Bewegungseinheit abzusichern. Wir sind derzeit bei einem Ausbaugrad von 14 Prozent. Die Fachverbände werden jetzt miteingebunden, weil wir uns erhoffen, dass talentierte Kinder in die Vereine übernommen werden. Am Ende der Legislaturperiode sollen 2 von 3 Kindern wieder in Sportvereinen sein. Das war der Stand vor der Pandemie.
Ist Österreich eine Sportnation?
Ja. Oft sagen mir Menschen aus anderen Länderm, dass uns Österreicherinnen und Österreicher auszeichnet, dass wir Sport nicht ausschließlich machen, um fit zu sein oder eine gute Figur zu haben, sondern weil es Spaß macht. Das sieht man in den Amateur-Fußballvereinen wie auf den Bergen beim Wintersport und den Mountainbikern im Sommer.
Apropos Spaß. Die Regierung betont, nicht aus Jux und Tollerei Milliarden zu sparen. Der Budgetdienst hat ausgerechnet, dass untere Einkommen besonders vom Sparpaket betroffen sind. Wie sehr müssen Sie sich als SPÖ-Ministerin derzeit rechtfertigen?
Wir haben keine Verantwortung für die budgetäre Situation so wie sie jetzt ist. Das ist das Ergebnis der Vorgängerregierung. Wir müssen sparen, weil wir sonst künftig zu hohe Summen für Zinszahlungen ausgeben müssten. Das von FPÖ und ÖVP ausverhandelte 6,4 Milliarden Paket, das nach Brüssel gemeldet wurde, haben wir übernommen – auch aus einer Verantwortung gegenüber der EU-Kommission heraus. Wir haben die soziale Handschrift in das Paket verhandelt.
Und zwar?
Den Arzneimitteldeckel beispielsweise für jene Pensionistinnen und Pensionisten, die chronisch krank sind und hohe Medikamentenkosten haben. Oder aber die Unterhaltsgarantie für Alleinerziehende. In der Vergangenheit führte das Fehlen dieser Maßnahme zu Armutsgefährdungen.
Michaela Schmidt (41)
Die Salzburgerin wurde im September 2023 als Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat vereidigt. Davor war die Wirtschaftsexpertin bei der Arbeiterkammer Salzburg tätig.
23 Millionen Euro sollen im Sport in den kommenden beiden Jahren eingespart werden.
Die Löhne der Beamten wurden auf zwei Jahre abgeschlossen. Kritik gab es von Beginn an, jetzt sprechen sich Experten dafür aus, das Paket aufzuschnüren. Ist das denkbar?
Generell sind Lohnverhandlungen Sache der Sozialpartner – und gerade sie haben in den letzten Jahrzehnten bewiesen, dass sie einen Blick auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung haben. Ich bin überzeugt, dass die Lohnverhandlungen im Herbst gut werden.
Angst vor einer Lohn-Preis-Spirale haben Sie nicht?
In Österreich werden Löhne verhandelt auf der Basis der vergangenen Inflationsraten. Zuerst sind die Preise gestiegen, dann sind die Löhne nachgezogen – und nicht umgekehrt.
Darüber lässt sich streiten. Die Parteien der Dreierkoalition loben die Kompromissfähigkeit der jeweils anderen. Wo ist bei Ihnen die Grenze?
Wir sind genau mit dem Anspruch in die Verhandlungen und die Regierung gegangen, nicht zuerst rote Linien aufzuzeigen, sondern das Gemeinsame zu suchen. Und über das Trennende spreche ich sicher nicht öffentlich, sondern mit den Koalitionspartnern. Eine gerechte Budgetsanierung kann nur funktionieren, wenn alle das Gefühl haben, dass alle einen Beitrag leisten.
Das Erreichen der Maastricht-Kriterien in einigen Jahren ist abstrakt. Woran werden die Österreicher spüren, dass die Regierung auf einem guten Weg ist, auch, um das Sparpaket mitzutragen?
Das Ziel ist es, langfristig Spielräume zu erhalten und nicht Geld für die Zinszahlungen, die aus der Vergangenheit rühren, ausgeben zu müssen. Es gibt bereits jetzt Bereiche, in die wir trotz Sparnotwendigkeit investieren, wie Wirtschaft und Arbeitsmarkt, weil es einen engen Zusammenhang zwischen Konjunktur und Budget gibt. Je schneller sich die Wirtschaft erholt, desto leichter wird die Budgetsanierung gelingen. Gerade wenn man an die Maastricht-Kritieren wie die Verschuldungsrate denkt: Das Bruttoinlandsprodukt steht im Nenner. Es geht uns darum, Zuversicht zu schaffen, um die Ängste, die da sind, zu nehmen.
Die Angst zeigt sich an der hohen Sparquote, die wir in bestimmten Bereichen haben, und sie besteht bei vielen, wenn sie an die Energierechnung oder Mieterhöhung denken. Die steigenden Arbeitslosenzahlen führen bei einigen auch zur Angst vor Jobverlust. Genau deshalb haben wir die Mietpreisbremse eingeführt. Und genau deshalb werden wir auch bei den Energiepreisen einen Krisenmechanismus etablieren. Die Teuerungskrise, wie sie in den vergangenen Jahren über die Bevölkerung hereingebrochen ist, wird es nicht mehr geben.
Sollten wieder Spielräume im Budget geschaffen werden. In welche Sportbereiche oder Großereignisse werden Mittel fließen?
Es war uns in der Regierung sehr wichtig, die Kürzungen im Sport auf zwei Jahre zu beschränken. In der besonderen Sportförderung ist bereits jetzt festgelegt, dass wir 2027 wieder den ursprünglichen Betrag zur Verfügung stellen werden. Ich hätte mir, wie der Finanzminister, ein anderes Budget gewünscht, wo wir mehr Spielraum gehabt hätten. Jetzt ist dafür die Zeit, smart zu investieren. Wir werden zum Beispiel die Sportstättenstrategie vorantreiben, damit wir dann, wenn wieder mehr Geld da ist, genau wissen, wo uns welche Sportinfrastruktur in Österreich fehlt. Das gleiche Prozedere gilt für Großveranstaltungen.
Wie können wir uns das vorstellen?
Es geht um ein vorausschauendes Bewerbungsmanagement. Sportgroßveranstaltungen muss man unter vielen Gesichtspunkten bewerten: Die sportpolitische Notwendigkeit, wenn es sich um eine Europa- oder Weltmeisterschaft handelt, ebenso wie die Frage, ob es die notwendige Infrastruktur gibt, um eine Großveranstaltung überhaupt ausrichten zu können.
Sprechen Sie sich für Sportgroßveranstaltungen in Österreich aus?
Ja, wenn sie eine sportpolitische und eine wirtschaftliche Bedeutung haben.
Wie stehen die Chancen auf ein Nationalstadion und vor allem wann?
Die Prüfung eines solchen Stadions beziehungsweise eines Haus des Sports steht im Regierungsprogramm. Ich habe die letzten Wochen damit verbracht, tage- und nächtelang für die Milliarden in der Budgetsanierung verhandelt. Ehrlicherweise ist ein Stadion-Neubau um einen dreistelligen Millionenbetrag daher nicht das erste, woran ich in der Früh denke.
Die Sport-Agenden waren schon in der Hand fast jeder Partei. Täuscht der Eindruck, dass der Sport ein Wanderpokal ist?
Man kann das auch positiv sehen, denn im Sport gibt es Zielsetzungen, die über Parteigrenzen hinausgehen. Gerade wenn wir an die tägliche Bewegungseinheit denken: Das ist eine Allparteieneinigung. Im Sport wird in vielerlei Hinsicht an einem Strang gezogen.
Sie kommen aus Salzburg, gibt es einen Klub, den Sie besonders anfeuern?
Als Staatssekretärin muss ich natürlich neutral sein. Als Kind war mein Verein Austria Salzburg. Ich habe viele emotionale Erinnerungen an das Lehener Stadion.
Kommentare