Kern: "Energiepreise werden so niedrig sein, dass wir uns wundern"

Kern: "Energiepreise werden so niedrig sein, dass wir uns wundern"
Doppel-Interview: Christian Kern und Othmar Karas über die Lehren aus dem Ukraine-Krieg, die Aufrüstung und warum es bei der Energiewende ums Kupfer geht.

Wie kann man im Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China bestehen? Im überparteilichen „BürgerInnen Forum Europa“ suchen Menschen wie Alt-Kanzler Christian Kern und der Vizepräsident des EU-Parlaments Othmar Karas nach Lösungen.

KURIER: Herr Karas, es gibt die These, wir hätten es uns gemütlich in der Illusion eingerichtet, dass alles in der Welt so bleiben muss, wie es ist. Stimmen Sie zu?

Othmar Karas: Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat uns überrascht. Warum? Weil seit 1945 alle politisch Handelnden in Europa an einer Vision gearbeitet haben, die von Multilateralismus und Völkerrecht getragen war. Die Hoffnung, dass sich Europa immer so weiterentwickelt, wurde zerstört. Aber man muss auch sehen, dass wir lange vor dem Krieg entschieden haben, dass Europa der erste klimaneutrale Kontinent der Welt sein soll. Dass wir also von fossilen Energieträgern auf erneuerbare Energie umstellen. Wir sehen deutlicher den je, dass Energiepolitik auch Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist. Europa wurde kalt erwischt.

Kern: "Energiepreise werden so niedrig sein, dass wir uns wundern"

Othmar Karas

Vizepräsident des EU-Parlaments Der 64-Jährige ist seit 1999 Abgeordneter zum Europäischen Parlament, seit Jänner 2022 ist der ÖVP-Politiker dessen Erster 
Vizepräsident. Den überparteilichen Verein „BürgerInnen Forum Europa“ hat er mitbegründet.Karas ist mit der Künstlerin und Juristin  Christa Karas-Waldheim, 
 der Tochter des ehemaligen Bundespräsidenten  Kurt Waldheim, verheiratet und Vater eines Sohnes 
 

Haben die Regierungschefs in den vergangenen Jahren über die richtigen Dinge diskutiert, Herr Kern?

Christian Kern: Das kann man nicht pauschal verneinen. Wir haben in den letzten Jahrzehnten erlebt, dass die Politik ökonomisiert worden ist. Die Wirtschaft hatte Vorrang. Jetzt stellen wir fest, dass sich die Diskussion umkehrt, weil die Ökonomie politisiert wird und das Primat der Politik wieder zurückgekommen ist – auch mit gewalttätigen Mitteln. Ja, wir haben uns in der Illusion gewogen, dass Krieg realpolitisch keine Rolle spielt. Aber ich würde nicht sagen, wir haben uns mit den falschen Dingen beschäftigt. Innere Sicherheit, Migrationsfragen, Terrorbekämpfung: Da gab es intensive Zusammenarbeit und Diskussionen, und das alles war notwendig. Aber wir haben insgeheim akzeptiert, dass das Dach über der europäischen Verteidigungspolitik die NATO ist.

Kern: "Energiepreise werden so niedrig sein, dass wir uns wundern"

Ex-SPÖ-Kanzler und Unternehmer Der 56-Jährige ist geschäftsführender Gesellschafter der Blue Minds Company in Wien, Vorsitzender des israelischen Energy-AI Start-ups FSIGHT/HodHasharon und Präsident der Austrian Chinese Business Association. Von 2016 bis 2017 war Kern SPÖ-Vorsitzender und Kanzler der 
rot-schwarzen Koalition nach  Faymann. Aus seiner ersten Ehe  hat Kern drei Söhne, aus seiner zweiten mit Ex-Frau Evelyn Steinberger-Kern eine Tochter

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