Ex-Finanzminister und SPÖ-Urgestein Hannes Androsch gestorben
Hannes Androsch ist tot. Das SPÖ-Urgestein, seines Zeichens ehemaliger Vize-Kanzler und langjähriger Finanzminister, starb im 87. Lebensjahr. Er war einer der führenden und prägendsten Politiker der Sozialdemokratie und prägte auch Österreichs Wirtschaftspolitik.
Sein Karrierebeginn fiel dabei nicht zufällig mit einer Zeitenwende zusammen. Nach den Wahlen von 1966 – die ÖVP erreichte eine absolute Mandatsmehrheit – gab es in Österreich erstmals seit 1934 wieder eine rein „bürgerliche“ Regierung.
Die Nachkriegsgarde der Sozialisten hatte es vor der Wahl verbockt: Im Konflikt mit dem ehemaligen ÖGB-Präsidenten und Innenminister Franz Olah hatten die SPÖ-Spitzen eine Parteispaltung riskiert, mit der FPÖ wurde kokettiert, eine Wahlempfehlung der KPÖ wurde nicht zurückgewiesen, Parteichef Bruno Pittermann, Wahlsieger von 1959, hatte sich abgenützt.
Jetzt kam ein Mann ans Ruder, der in den ersten Nachkriegsjahren gar nicht in Österreich war:
Bruno Kreisky, erst 1951 aus der schwedischen Emigration heimgekehrt, wurde am Parteitag 1967 bei einer Kampfabstimmung gegen den von den Gewerkschaftern unterstützten Hans Czettel mit 58 Prozent zum Parteiobmann gewählt.
Die Wiener SPÖ hatte ihren Delegierten die Wahl freigestellt, der junge Hannes Androsch stimmte entgegen der Linie seiner Bezirksorganisation Floridsdorf für Kreisky. Er ist von dessen Intellektualität begeistert, hält ihn für einen Modernisierer und Mann der Zukunft. Natürlich ist Androsch bald darauf einer jener – angeblich – 1400 Experten, die für Kreisky Sachprogramme für alle Themenfelder erstellen. Und er sitzt jetzt auch im Nationalrat, mit 29 ist er der jüngste Abgeordnete.
Hannes Androsch – ein roter Sebastian Kurz?
Nein, dafür sind die Lebenswege zu unterschiedlich. Hannes Androschs Eltern besaßen in der Wiener Vorstadt eine gut gehende Steuerberatungskanzlei, mit 22 war er nach dem Welthandels-Studium Diplomkaufmann, mit 28 gründete er seine eigene Kanzlei und machte drei Jahre später ein Doktorat.
Gleichzeitig schärfte er seine politischen Klingen: 1962 wurde er nach einer Kampfabstimmung gegen den Jus-Studenten Heinz Fischer VSStÖ-Vorsitzender. Androsch zählte zu den „Rechten“, Fischer zu den „Linken“. Wie Fischer hatte auch Androsch familiäre Verbindungen zum „roten Adel“: Fischers Vater war Staatssekretär für Ernährungsfragen, Androschs Frau seit 1964, Brigitte Schärf, die Großnichte von Bundespräsident Adolf Schärf, des früheren SPÖ-Vorsitzenden. Zu Bruno Kreiskys 1400 Experten zählten beide.
Androsch war der Sunny-Boy der Jungroten. Werbefotos zeigten ihn am Tennisplatz und im Pullover mit Ausschlaghemd. Später, nach der gewonnenen Wahl von 1970, gab er sich als junger Finanzminister für schöne Zeitungsfotos sogar für kühne Stunts her. Einmal sprang er in Lech mit den Schiern über eine tief verschneite Heuhütte. Auch eine Schallpatte wurde gepresst, auf ihr erklärte Androsch Wirtschaftspolitik. Am Cover natürlich der flotte Hannes.
Androsch verkörperte in den ersten Kreisky-Jahren die Wirtschaftskompetenz schlechthin:
Die Umsatzsteuer wurde mit der Einführung der Mehrwertsteuer europäischen Standards angeglichen, der Schilling blieb hart, die Verschuldung trotz des ersten Ölpreisschocks überschaubar. So einer ließ sich herzeigen.
Bruno Kreisky mag umso konsternierter gewesen sein, als 1974 Leopold Gratz und Hannes Androsch nach dem Tod von Franz Jonas bei ihm anfragten, ob er nicht Bundespräsident werden wolle. Kreisky lehnte entrüstet ab und glaubte seiner beiden „Kronprinzen“ kein Wort, als sie beteuerten, sie hätten ihm die Kandidatur nur aus Courtoisie angeboten. Man wolle ihn wegloben, argwöhnte der damals 63-Jährige.
Der Kanzler hatte ja Androsch als seinen Nachfolger ins Auge gefasst.
Kreisky machte ihn 1976 auch zu seinem Vizekanzler, aber er fühlte sich noch keineswegs pensionsreif. Im Jahr darauf dann der Schock: Androsch wollte aus der Regierung ausscheiden, um Nationalbankchef zu werden. Kreisky war fassungslos: Ein Mann, der Vorsitzender der großen Partei der Arbeiterbewegung werden konnte, für die er, Kreisky, fast zwei Jahre lang im Gefängnis gesessen war, wollte einfach einen lukrativeren Job?
Dieser Bruch war nicht mehr zu kitten.
Als später bekannt wurde, dass die Steuerkanzlei Consultatio, an der Androsch beteiligt war, auch Aufträge von Staatsunternehmen angenommen hatte, sah sich der Kanzler in seiner Meinung bestätigt. Nur mit Mühe setzte er 1980 Androschs Entlassung aus der Bundesregierung durch.
Der ÖGB, die Landeshauptleute des Burgenlands und Kärntens und die Mehrheit der Minister standen hinter Androsch. Der Finanzminister fiel weich: Er wurde Generaldirektor der größten verstaatlichten Bank des Landes, der Creditanstalt. Diesen Job verlor Androsch 1988: Nach einer anonymen Anzeige, die just Herbert Salcher, sein Nachfolger als Finanzminister an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet hatte, befand das Gericht, die Millionen für Androschs Villenbau würden nicht wie von ihm behauptet von einem Wahlonkel, sondern aus eigenen, freilich schwarzen Kassen stammen. Das Urteil: 900.000 Schilling Strafe wegen Steuerhinterziehung. Dass sein inzwischen zum Bundeskanzler aufgestiegener Ex-Sekretär Franz Vranitzky ihm in dieser Lage nicht zu Seite sprang, verzieh Androsch dem langjährigen Freund nie.
Der Rest ist eine Erfolgsgeschichte:
Androsch beteiligte sich an Europas größtem Leiterplattenhersteller AT & S, kaufte 1997 gemeinsam mit Raiffeisen Oberösterreich die zur Privatisierung anstehende Salinen AG – und blieb bis zuletzt ein Homo politicus. Das von ihm initiierte Bildungsvolksbegehren blieb mit 380.000 Unterschriften dennoch unter den Erwartungen. Für Wissenschaft und Forschung stiftete er großzügig. Zu alten Freunden aus der Politik hatte Hannes Androsch kaum Kontakt, am besten verstand er sich noch mit Heinz Fischer. Seinen Entdecker, Förderer und zuletzt erbittertsten Gegner Bruno Kreisky überlebte er um 34 Jahre.
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