Sonderprüfung der Moschee-Finanzen
Einer Hochsicherheitszone glich die Löwelstraße 12 auch am Dienstagvormittag. Wie schon am vergangenen Freitag bewachten Dutzende Polizisten die Zentrale der Grünen. Grund war erneut eine Pressekonferenz des grünen Sicherheitssprechers Peter Pilz. Nachdem dieser Belege für die Spitzeltätigkeiten der türkisch-islamischen Union ATIB im Auftrag der türkischen Regierung vorgelegt hatte, legte Pilz nun nach – und der Landespolizeidirektion Wien als Vereinsbehörde eine Sachverhaltsdarstellung vor.
Pilz vermutet Verstöße gegen das Vereinsgesetz – was „zur Auflösung von ATIB“ führen könne. Das Kanzleramt kündigt zudem eine Sonderprüfung der ATIB-Finanzgebarung an.
Wie berichtet, geht es um den Vorwurf, der Moschee-Dachverband ATIB habe auf Anordnung des türkischen Religionsamts Diyanet in Österreich Anhänger von Fethullah Gülen (die Präsident Recep Tayyip Erdoğan für den Putschversuch in der Türkei verantwortlich macht) ausspioniert. Eine Schlüsselfigur sei der Religionsattaché der türkischen Botschaft, Fatih Mehmet Karadas – gleichzeitig Vorsitzender von ATIB. Er soll die Befehle aus Ankara entgegengenommen und Spitzelberichte dorthin zurückgeschickt haben.
Finanzprüfung bei ATIB
Als Beweis legte Pilz einen Bericht des türkischen Generalkonsulats in Salzburg an Karadas vor – aus dem hervorgeht, dass Gülen-Anhänger unter Beobachtung stehen. ATIB wies sämtliche Vorwürfe zurück. Und Karadas erklärte im KURIER, er habe als Theologe nur „religiöse Einschätzungen“ zur österreichischen Situation der Gülen-Bewegung nach Ankara gemeldet – von Bespitzelung könne aber keine Rede sein.
Pilz heftet sich nun zwei Erfolge auf seine Fahnen. Zum einen, dass Diplomat Karadas Österreich verlassen hat („wir weinen ihm keine Träne nach; er sollte nicht als einziger gehen“). Zum anderen, dass das Kultusamt die Finanzgebarung von ATIB auf Geheiß des Bundeskanzleramtes einer Sonderprüfung unterziehe.
Ersteres ist keine Konsequenz von Pilz’ Enthüllungen, sondern der Dienstrotation an der Botschaft geschuldet. Zweiteres bestätigt Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ): Die für März geplante Prüfung der ATIB-Finanzen werde ob der aktuellen Vorwürfe vorgezogen.
Sie soll zeigen, ob die ATIB-Imame tatsächlich von den 65 Moschee-Vereinen in Österreich bezahlt werden oder ob Geld aus dem Ausland fließt – was ein Verstoß gegen das Islamgesetz wäre und laut Duzdar entsprechend geahndet würde.
Wie berichtet, wurden die ATIB-Imame früher vom türkischen Amt Diyanet ausgebildet, entsandt und bezahlt. Wegen des Verbots der Auslandsfinanzierung im neuen Islamgesetz musste man umdisponieren: Jetzt werden die ATIB-Prediger von einer Partnerorganisation des Diyanet in Belgien sozusagen geleast. So könnten die Imame jederzeit versetzt werden, wenn Ankara es wünsche, meint Pilz. „Verdeckte Finanzierungen – zum Beispiel durch Spenden“ sind für ihn denkbar.
„Statutenwidrig“
Hoffnungen setzt Pilz aber vor allem in die Sachverhaltsdarstellung, die er am Dienstag der Vereinspolizei vorlegte. Darin wird auf die ATIB-Statuten Bezug genommen, in denen es heißt, dass der Vereinszweck „Religionspflege sowie soziale und kulturelle Aktivitäten“ seien. Sicher nicht abgedeckt seien dagegen „parteipolitische Tätigkeiten, die Erdoğanisierung der türkischen Bevölkerung in Österreich und Spionagetätigkeit für Diyanet oder AKP (türkische Regierungspartei)“, meint Pilz. Die Dokumente, die er vorgelegt habe, würden also „eindeutig statutenwidriges Verhalten bei ATIB“ beweisen. Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, sei ATIB aufzulösen.
Er meine damit ausdrücklich den ATIB-Dachverband – nicht aber die Hinterhofmoscheen, die von den Gläubigen mit viel persönlichem Engagement aufgebaut wurden, betont Pilz. Die Muslime hätten „ein Recht auf die unbeschränkte Ausübung ihrer Religion“. Die überwiegende Mehrheit der türkischstämmigen Bevölkerung habe zudem nichts mit den mutmaßlichen Spitzelaktivitäten von Erdoğans Vorfeldorganisationen zu tun.
Ob sich diese strafbar gemacht haben, ist allerdings fraglich: Laut Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck verstoßen nachrichtendienstliche Aktivitäten nur dann gegen Paragraf 256 des Strafgesetzbuches, wenn sie „zum Nachteil der Republik“ erfolgen.
"Ich bekomme keine Befehle aus der Türkei"
Zu Wort meldet sich nun auch Ibrahim Olgun. Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) sitzt selbst auf einem Mandat von ATIB – was für Pilz darauf hinweist, dass der Arm Ankaras bis in die IGGÖ reicht. Zum KURIER sagt Olgun: „Ich bekomme keine Befehle aus der Türkei. Unser bestimmendes Gremium ist der Oberste Rat – und in dem stellt ATIB drei von 15 Vertretern (insgesamt sind acht türkischstämmig).“
Pilz’ Vorwürfe seien nicht nachvollziehbar, meint man bei der IGGÖ. Sämtliche Organe der Glaubensgemeinschaft seien demokratisch gewählt. Man sei unparteiisch und unabhängig.
Kommentare