Impfstoffe: Österreich bittet um Fairness, Deutsche "können sich nur wundern"

++ HANDOUT ++ EUROPAMINISTERIN EDTSTADLER IN BERLIN: EDTSTADLER / ROTH
Deutschlands Europa-Staatssekretär Michael Roth (im Gespräch mit Ministerin Edtstadler): "Kann mich über Diskussion nur wundern"

Deutschland ist gegen die von Österreich und anderen Ländern geforderte Neuverteilung von Corona-Impfstoffen in der Europäischen Union. "Ich kann mich über diese Diskussion nur wundern", sagte Europa-Staatssekretär Michael Roth (SPD) am Dienstag vor Beratungen mit seinen EU-Kollegen. Es sei überrascht darüber, dass der Eindruck mangelnder Solidarität entstanden sei. "Wir haben hier ein sehr transparentes Verfahren", fuhr Roth fort.

Einige Staaten, darunter Österreich, hätten die ihnen nach Bevölkerungsgröße zustehenden Impfstoffkontingente nicht ausgeschöpft. Diese Mengen seien anderen EU-Ländern angeboten worden. "Daraus einen Konflikt zu konstruieren, der der Heilung bedarf, sehe ich überhaupt nicht", sagte Roth. "Ich sehe derzeit keine Veranlassung, an diesem transparenten und sehr fairen Verfahren etwas zu verändern."

Hintergrund: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte gemeinsam mit fünf osteuropäischen Ländern darauf gedrungen, die Aufteilung der Impfstoffe neu zu justieren. "So wie es ist, so soll es nicht bleiben", hatte Kurz Mitte März gesagt. Auf seiner Seite hatte er Bulgarien, Kroatien, Lettland, Slowenien und Tschechien.

"Fairness und Solidarität"

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat bei der von Österreich geforderten Neuverteilung von Corona-Impfstoffen in der Europäischen Union auf "Fairness und Solidarität" gepocht. Auf die Frage, ob die im Raum stehende Vetodrohung Österreichs noch aufrecht sei, antwortet Edtstadler am Dienstag vor einem virtuellen Treffen mit EU-Amtskollegen: "Das ist nicht unser Ziel." Die Verhandlungen seien am Laufen, man hoffe auf eine "gute Lösung".

"Es geht tatsächlich um eine faire Verteilung der Impfdosen über ganz Europa", so die Europaministerin gegenüber Journalisten. Die Krise könne man nur "gemeinsam überstehen", und dafür brauche es Solidarität und Chancengleichheit. Wenn in der EU bis zum Sommer 70 Prozent durchgeimpft sein sollten, hätte es wenig Sinn, wenn ein Land mehr und ein anderes Land weniger Impfungen aufweise.

200.000 statt 400.000

Angesprochen auf die 400.000 Dosen, die Österreich aus dem vorgezogenen Biontech/Pfizer-Kontingent nach Angaben von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erhalten soll, erklärte Edtstadler: "Wir wollen eine faire Verteilung und wir wollen einen Ausgleich schaffen, was immer das in Dosen dann ganz konkret heißt, aber natürlich freuen wir uns über jede Dose für Österreich". Ginge es nach dem Bevölkerungsschlüssel würden Österreich nur 200.000 daraus zustehen.

Die Europaministerin wird dies nach eigenen Angaben in Vorbereitung auf den Gipfel der Staats-und Regierungschefs Ende der Woche beim heutigen Rat mit ihren EU-Amtskollegen diskutieren. Dabei verwies sie auf die Unterstützung aus anderen Ländern (Kroatien, Bulgarien, Slowenien, Tschechien und die Lettland), die bei der Verteilung der Impfstoffe ins Hintertreffen geraten sind. Zudem, so Edtstadler, würde die EU-Kommission ebenfalls auf eine "faire Verteilung" pochen.

Dass das Vorgehen von Kurz Österreichs Ruf in der EU geschädigt hat, glaubt Edtstadler nicht. "Ganz im Gegenteil, es war Sebastian Kurz, der da etwas aufgedeckt hat", sagte sie.

Innerhalb der europäischen Volksparteien wird indes scharfe Kritik an Kanzler Kurz laut.  EVP-Gesundheitssprecher Peter Liese: "Sebastian Kurz tritt völlig unzulässigerweise als Ankläger auf, er ist ein Bittsteller", sagte der CDU-Europaabgeordnete am Dienstag in einer Aussendung. Schuld an den unterschiedlichen Impfstoffmengen seien "Fehlentscheidungen" einiger Staaten, darunter Österreich.

EVP-Gesundheitssprecher unterstützt Deutschlands Haltung

Liese unterstützt die Position der deutschen Bundesregierung, keine Debatte über eine Neuverteilung von Corona-Impfstoffen in der Europäischen Union anzustoßen. "Die Kritik von Sebastian Kurz an der Impfstoffverteilung ist unberechtigt. Grund für die Klagen sind Fehler seiner Regierung und den Regierungen der Unterstützer", sagte Liese. "Die innereuropäische Impfstoffverteilung ist sehr transparent und Bundeskanzler Kurz sollte deshalb nicht als Ankläger auftreten. Vielmehr ist hier etwas Selbstkritik angebracht."

"Kurz' Kritik ist unberechtigt"

Er könne es der Bevölkerung in Deutschland nicht vermitteln, "dass manche Mitgliedstaaten, die auf den BioNTech-Impfstoff gesetzt haben, jetzt unter der Fehlentscheidung anderer Mitgliedstaaten leiden sollen, die aus unterschiedlichen Gründen ihre Impfstoffkontingente nicht komplett abrufen wollten, obwohl sie die Möglichkeit hatten", so Liese weiter. Einige EU-Staaten, darunter Österreich, hätten weniger BionNTech-, bzw. Moderna-Impfstoff bestellt, als ihnen nach dem Verteilschlüssel pro Kopf der Bevölkerung zugestanden hätten.

"Diese Mitgliedstaaten, angeführt vom österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz, beschweren sich nun darüber, dass sie bei der Verteilung 'zu kurz' gekommen seien", sagte Liese. Kurz habe daraufhin auf die Entlassung des österreichischen Spitzenbeamten Clemens Martin Auer gedrängt.

Liese räumte aber ein, dass jetzt auch eine Lösung im Sinne der europäischen Solidarität für jene Länder gefunden werden müsse, die keinen oder weniger BioNTech-Impfstoff wollten und nun unter den Lieferschwierigkeiten von AstraZeneca besonders leiden. "Das kann aber erst dann geschehen, wenn die Impfungen in den Ländern wie Deutschland besser laufen, die von Anfang an auf den richtigen Impfstoff gesetzt haben", so der Europaabgeordnete.

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