1. Wenn die Staatsanwaltschaft ermittelt, warum werden Vernehmungen dann oft von der Polizei gemacht?
In der ersten Phase eines Strafverfahrens, dem Ermittlungsverfahren, wird geklärt, ob Anschuldigungen theoretisch überhaupt beweisbar sind. Die Ermittlungen werden von der Staatsanwaltschaft geführt. Allerdings kann sie die Polizei zur Unterstützung heranziehen (Zeugenbefragung, Sammeln von Beweisen etc.) – und das passiert in der Praxis umfassend.
2. Was ist geheim am Strafverfahren?
Im Unterschied zum Hauptverfahren bzw. dem Prozess vor Gericht sind Ermittlungen nicht öffentlich, sondern geheim. Das hat vor allem den Grund, dass die Staatsanwaltschaft in diesem Stadium noch nicht weiß, ob es tatsächlich zu einem Prozess kommt – Unschuldige haben ein Recht darauf, dass die Justiz den Verdacht diskret prüft.
Gegenüber Medien wird in Ermittlungsverfahren in der Regel abstrakt Auskunft gegeben. Das bedeutet: Es wird gesagt, gegen wie viele Verdächtige man ermittelt, welche Delikte plausibel erscheinen etc. Konkrete Namen oder Details zur Tat sind tabu. Weniger strenge Regeln der Namensnennung gelten bei Personen öffentlichen Interesses – also beispielsweise bei Politikern.
3. Wie unabhängig arbeiten die Staatsanwälte?
Nicht unabhängig genug, monieren Standesvertreter – und von politischer Seite sagen das auch SPÖ und Neos. Die Staatsanwaltschaften sind hierarchisch organisiert und im Unterschied zu den Gerichten an Weisungen gebunden, die an oberster Stelle der Justizminister erteilt.
In der Praxis funktioniert das so: Am Ende von Strafverfahren, die in die Kategorie „öffentliches Interesse“ fallen, muss ein Staatsanwalt in einem Bericht an die Oberstaatsanwaltschaft erklären, ob und warum er jemanden anklagen will. Dann geht es weiter ins Justizministerium, das per schriftlicher Weisung anders entscheiden kann. Zum Beispiel, dass weiter ermittelt werden muss. Beratend ist hier der "Weisungsrat" tätig.
Das rechtspolitische Problem besteht darin, dass am Ende der Entscheidungskette der Justizminister, also ein Politiker, steht. In anderen Rechtssystemen sind Staatsanwälte nicht dem Minister, sondern einem Bundesstaatsanwalt unterstellt.
Diese Neuerung wird in Österreich seit Jahren diskutiert – SPÖ, Neos und Grüne halten sie für zielführend. Die ÖVP lehnt einen Bundesstaatsanwalt ab. Ein Argument lautet: Der oder die Kandidatin müsste vom Ministerium oder vom Parlament – und damit wieder von der Politik – bestellt werden.
4. Warum dauern manche Verfahren so lange?
Eine Antwort ist in Frage 3 enthalten: Bei Fällen, an der die Öffentlichkeit ein Interesse hat, sorgen die Berichtspflicht und etwaige Weisungen dafür, dass es bisweilen länger dauert. Justizministerin Alma Zadić hat nun angekündigt, die Berichtspflicht zu evaluieren.
Aber auch abgesehen davon liegt es nicht nur in der Hand der Ermittler, wie rasch es vorangeht: Gerade die Causen der nun in die Kritik geratenen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sind oft länderübergreifend. Und um beispielsweise Konten in außereuropäischen Staaten zu öffnen, sind zeitraubende "Amtshilfeverfahren" nötig.
Das heißt: Österreichs Justiz muss ausländische Staatsanwälte um Unterstützung bitten. Dem nicht genug, sind bei vielen Strafverfahren oft Gutachten von Experten (Fachärzte, Finanzfachleute etc.) nötig – und auch diese brauchen Zeit.
5. Warum gibt es so viel Kritik an der Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft?
Sie steht schon wegen der Tragweite und Prominenz ihrer Fälle mehr im Licht der Öffentlichkeit – etwa mit der Eurofighter-Causa oder der Buwog-Affäre. Das sind komplexe Großverfahren, oft gibt es politische und wirtschaftliche Verflechtungen. Die WKStA ermittelt gerne möglichst breit, Nebenstränge werden ungern eingestellt – das zieht sich und ist für (unschuldige) Betroffene unangenehm.
Kritik gibt es auch am mitunter „harten“ Vorgehen der Korruptionsjäger. Sie sind mit den Reichen und Mächtigen des Landes konfrontiert, haben sich ein selbstbewusstes Auftreten zugelegt – sonst könnten sie ihren Job nicht machen, sagen Justizkenner.
Den Bogen überspannt hat die WKStA aber bei der Razzia im Verfassungsschutz: Der Zugriff auf eine der sensibelsten Behörden des Landes wurde im Nachhinein für rechtswidrig erklärt und ließ ausländische Geheimdienste daran zweifeln, ob ihre Informationen in Österreich noch sicher sind. Als Konsequenz muss die WKStA nun „bedeutende Verfahrensschritte“ drei Werktage vorher bei der Oberbehörde melden.
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