Bürger gegen Amt: Richter haben letztes Wort

Bürger gegen Amt: Richter haben letztes Wort
Ein Richterspruch soll Streitfälle mit Behörden ab 2014 schneller und verlässlicher beenden.

Die seit Jahrzehnten größte Strukturreform der Verwaltung naht im Eiltempo: Ab Jänner 2014 wird die Verwaltungsgerichtsbarkeit umgekrempelt. Künftig werden Bescheide nicht mehr bei der jeweils zuständigen Behörde beeinsprucht, sondern bei einem Gericht (siehe Artikelende).

Bürger gegen Amt: Richter haben letztes Wort
Anlass genug, dass es bei der Frühjahrstagung der Juristenkommission, die am Donnerstag startete, ausschließlich um diese Reform geht. Für SPÖ-Staatssekretär Josef Ostermayer ist die Reform eine „wesentliche Weiterentwicklung des Rechtsstaats“. Er hob die Reform als „größtes Rechtsstaatprojekt der letzten Jahrzehnte“ hervor, das einige Herausforderungen mit sich bringe. ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl sieht die Reform als vielfältigen Zugewinn für Bürger und Unternehmen an. Harald Perl, designierter Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes ( BVwG) hofft nun auf „schnelle Entscheidungen durch unabhängige Richter“. Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen:

Was ist Kern der Reform?

Rechtsschutz durch ein unabhängiges Gericht für Bürger, die glauben, dass eine Behörden-Entscheidung zu unrecht getroffen wurde.

Wie läuft das jetzt?

Wer glaubt, dass eine Behörde falsch entschieden hat, muss bei dieser Behörde den relevanten Bescheid beeinspruchen. Diese Verfahren verlaufen je nach Behörde unterschiedlich. Erst nach der Letztentscheidung der Behörde kann der Verwaltungsgerichtshof eingeschaltet werden.

Wie läuft es ab 2014?

Der Einspruch wird nicht mehr bei der weisungsgebundenen Behörde, sondern bei Gericht eingebracht. Alle Verfahren werden nach denselben verfahrensrechtlichen Grundsätzen durchgeführt. Bescheide, die auf Basis eines Bundesgesetzes entstanden sind, können beim BVwG beeinsprucht werden. Nicht in jedem Fall wird es eine Gerichtsverhandlung geben. In jedem Fall entscheiden aber unabhängige Richter, ob der Bescheid der Behörde Hand und Fuß hat – oder eben nicht. Es besteht keine Anwaltspflicht. Wer einen Rechtsvertreter beiziehen will, kann das tun.

Kann gegen eine Entscheidung berufen werden?

Wenn es um eine rechtliche Grundsatzfrage geht, ist der Weg zum Verwaltungsgerichtshof offen.

Wofür wird das BVwG zuständig sein?

Für Entscheidungen im Sozialsystem und Schulwesen sowie des Umwelt- und Wirtschaftsrechtes; außerdem für solche von asyl- und fremdenrechtlichen Angelegenheiten, des Dienst- und Disziplinarrechtes von Bundesbediensteten und des Datenschutzes.

Was konkret kann vor dem BVwG landen?

Ob es etwa korrekt ist, dass jemandem, der den Job verloren hat, vom Arbeitsmarktservice kein Arbeitslosengeld bewilligt wird; ob die Höhe der Studienbeihilfe richtig berechnet wurde; ob ein Schüler in die nächsthöhere Klasse aufsteigen darf; aus dem Umwelt- und Wirtschaftsrecht könnte etwa über den Bau einer zusätzlichen Landepiste in Schwechat entschieden werden; oder, ob Förderungen für landwirtschaftliche Betriebe korrekt bemessen wurden, oder auch, ob ein Ministerium Aufträge gesetzeskonform vergeben hat.

Wie lange werden die Verfahren dauern?

Sechs Monate, in Ausnahmefällen wird es schneller gehen – von einigen Wochen bis zu drei Monaten (z. B. Schulangelegenheiten oder Ausländerbeschäftigung).

Was ist mit Berufungen, die im Dezember 2013 nicht abgeschlossen sind?

Laufende Verfahren wandern mit 1. Jänner 2014 zum Bundesverwaltungsgericht.

Verwaltungsreform: Neue Gerichte
Bundesverwaltungsgericht Mit 450 Mitarbeiter (davon 168 Richter) wird es eines der größten Gerichte mit Hauptsitz in Wien und Außenstellen in Linz, Graz und Innsbruck. 40.000 Verfahren pro Jahr werden dort erwartet; Asylgerichtshof und Bundesvergabeamt werden ersetzt;

Landesverwaltungsgerichte Sie lösen die Unabhängigen Verwaltungssenate in den neun Bundesländern ab und sind für Landesgesetze zuständig.

Bundesfinanzgericht Dieses entsteht aus dem Unabhängigen Finanzsenat.

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