Im Notfall soll Familienbeihilfe nicht an Eltern, sondern an Schule gehen
Schulkindern, die am Nachmittag (Sprach-)Nachhilfe und pädagogische Betreuung bräuchten, wird diese meist versagt. Denn Nachmittagsbetreuung inklusive Mittagessen am Schulstandort kostet Geld (max. 9,30 Euro/Tag) – das besonders bildungsferne Familien nicht aufbringen.
Dazu kommt, wie im Sonntag-KURIER berichtet, dass Familien oft ihren Kindern etwa die Teilnahme an Schulprojektwochen versagen, weil das Geld knapp ist. "Dabei ist die Familienbeihilfe für das Kind gedacht", klagte die Wiener NMS-Direktorin Andrea Walach, und schlug vor, die Familienbeihilfe zwangsweise auch für die Schule umwidmen zu können. ÖVP-Bildungsexperte Andreas Salcher nahm den Vorschlag dankend auf: "Vielleicht wäre es vernünftig, einen Teil der Kinderbeihilfe so zu widmen, dass sie für die bessere Betreuung der Kinder an den Schulen verwendet wird – besonders für jene, die eine Ganztagsschule brauchen."
Ein erster glühender Fürsprecher der Idee ist Lehrer-Chefgewerkschafter Paul Kimberger. Er habe schon vor zehn Jahren einen ähnlichen Vorschlag gemacht. "Wenn Eltern die Ausbildung ihrer Kinder egal ist, bin ich durchaus der Meinung, wir sollten darüber nachdenken, ob man nicht gewisse Sozialleistungen einfriert, um Sanktionsmöglichkeiten zu haben. Wenn das Geld im Sinne der Kinder zweckgewidmet wird, umso besser." Kimberger legt Wert darauf, dass solche Maßnahmen nie zulasten der Kinder sein dürfen: "Das Thema heißt auch Kinderarmut, das macht uns große Sorgen. Denn wenn die Grundbedürfnisse des Kindes nicht gestillt werden, kann kein Kind den Kopf frei zum Lernen haben."
Auch für Uni-Wien Vizerektor Heinz Fassmann, Vorsitzender des Integrationsbeirats von Minister Sebastian Kurz, hat die Idee einen "gewissen Charme". Allerdings würde er nicht direkt das Geld der hier lebenden Familien angreifen. "Man könnte das Geld verwenden, das bei den Kindern eingespart wird, die im Ausland leben. Nach einer neuen Regelung erhalten Eltern nur so viel, wie es in den Herkunftsländern die Regel ist." Weil das Geld dann nicht direkt von den betroffenen Familien stammt, wäre das dann zwar keine logische, aber eine durchaus sympathische Begründung. Profitieren würden davon dann Schulen in sozialen Brennpunkten mit hohem Migrantenanteil. Diese besser auszustatten hält Fassmann für das integrationspolitische Gebot der Stunde: "Das kann ein ausgebauter PC-Saal sein oder ein kostengünstiges Nachmittagsangebot. Wird ein Standort damit attraktiver, kann das dazu führen, dass inländische Eltern ihre Kinder in diese Schule schicken."
Wie groß das Problem ist, zeigt eine ÖVP-Anfrage an den roten Bildungsstadtrat in Wien. Trotz sozialer Staffelung der Kosten für Mittagessen (3,6 Euro täglich) und Nachmittagsbetreuung (5,7 Euro), schulden Wiener Familien den Behörden derzeit rund 1,8 Millionen Euro an nicht bezahlten Beiträgen.
Da die Eltern nicht selten am Ausfüllen des Beihilfe-Formulars scheitern, bleibt am Ende doppeltes Leid: Die Familien müssen die Beiträge nachzahlen und das Kind verliert seinen Betreuungsplatz am Nachmittag.
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