IHS-Direktor Neusser: "Eine Rezession ist nicht ausgeschlossen"
"Die Inflation ist gekommen um zu bleiben", ist sich Klaus Neusser, Direktor des Institut für höhere Studien (IHS) in seinem "Zib 2"-Interview sicher. Heuer liege die Inflationsrate bei acht Prozent, nächstes Jahr werde sie sich auf etwa vier Prozent reduzieren. Von der von der EZB angepeilten Preisstabilität von zwei Prozent sei man da noch deutlich entfernt - und wird es über die nächsten Jahre wohl auch noch bleiben, meint der Experte.
"Die EZB muss einen Spagat machen", erklärt er. "Will sie die Inflation bekämpfen, muss sie die Zinsen wesentlich stärker erhöhen." Das wiederum werde dadurch erschwert, dass die Inflationsraten und Zinsdifferentialen in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich sind. Höhere Zinsen stellen stark verschuldete Länder vor zusätzliche Schwierigkeiten, durch den Kauf von Staatsanleihen versuche die EZB dem entgegenzuhalten.
Schlittern in die Rezession
Eine Rezession schließt Neusser nicht aus. "Wir sind aber noch eher auf der optimistischen Seite und gehen davon aus, dass die äußeren Rahmenbedingungen so bleiben, wie sie sind." Ein möglicher Gaslieferstopp sei für die Prognosen die größte Unsicherheit. "Das hätte dramatische Effekte", so Neusser. "Würde heute der Lieferstopp eintreten, würde das BIP um drei Prozent zurückgehen und wir in eine Rezession schlittern." Das hänge aber auch davon ab, inwiefern die Industrie das Gas beispielsweise durch Erdöl substituieren kann.
Auch für den österreichischen Arbeitsmarkt hätte es dramatische Folgen, würde die Gasversorgung leiden. "Der Arbeitsmarkt würde etwa um vier bis fünf Prozent einbrechen - mit großen regionalen Unterschieden."
Reallohnverluste und vorsichtiger Optimismus
Auf die Reallohnverluste angesprochen, meint der IHS-Direktor: "Diese resultieren aus den Lohnabschlüssen vom Vorjahr. Die unerwartete Erhöhung 2022 resultierte dann im starken Sinken der Reallöhne." Im kommenden Jahr gehe er aber schon davon aus, dass die Reallöhne wieder steigen. "Es ist einfach eine schwierige Situation", sagt Neusser. "Die Teuerung, die die Gewerkschaftsmitglieder spüren, ist eine andere, als die Preise, die die Unternehmen weitergeben können. Die Inflation ist importiert und das können wir nicht ändern."
Eines steht fest: "Als Volkswirtschaft sind wir durch die Pandemie und die Krisen im Durchschnitt um drei Prozent ärmer geworden - auf Dauer. Die Frage ist, wie soll das verteilt werden? Wir müssen uns einrichten, dass wir nicht mehr so wohlhabend sind, wie wir das waren."
Etwas Optimismus sei aber dennoch angebracht: "Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor gut. Wir haben eine Arbeitslosenrate von 6,3 Prozent für dieses und nächstes Jahr. Das zeigt, dass in der österreichischen Wirtschaft noch eine gewisse Robustheit enthalten ist."
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