Ibiza-Krimi: Das Rätsel ist schon fast gelöst
Eine Finca auf der Trauminsel Ibiza, eine millionenschwere Investorin, feinstes Sushi, einige Gläser Wodka-Bull und zwei von Selbigem beseelte Spitzenpolitiker. Das sind die Ingredienzien eines Skandals, der die Republik im Mai erschütterte.
Ein frustrierter Mitarbeiter, ein Privatdetektiv mit zweifelhaften Kontakten und ein scheinbar nicht weniger dubioser Anwalt dürften für den Mix verantwortlich gewesen sein. Jedenfalls geht davon die Justiz aus – und kommt der Lösung des Rätsels um das Ibiza-Video immer näher.
Justiz und Justizminister gaben am Dienstagabend Erklärungen zum bisherigen Wissenstand ab. Der KURIER fasst den Krimi anhand der Akteure zusammen.
Oliver R. Straches Ex-Bodyguard
Der langjährige Weggefährte soll die Initialzündung gegeben haben: Aus Ärger über seinen Chef sammelte er vermeintlich belastendes Material über ihn – etwa Spesenrechnungen, Fotos und SMS. Damit soll er bereits 2015 im Wien-Wahlkampf zu verschiedenen Parteien gegangen sein, wurde aber abgewiesen. Mit Anwalt M. dürfte er schließlich die Idee gesponnen haben, Strache eine Video-Falle zu stellen. Er war es auch, der kurz vor der Nationalratswahl im September gegenüber der Staatsanwaltschaft auspackte und die Spesenaffäre ins Rollen brachte.
Anwalt Ramin M. Mutmaßlicher Drahtzieher der Falle
Den Namen muss man sich merken – von ihm ist hier noch öfter die Rede: Bei Ramin M. sollen alle Fäden zusammengelaufen sein. Er bekannte sich sogar eine Woche nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos und erklärte, es habe sich um ein „zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt“ gehandelt, dabei habe man „investigativ-journalistische Wege beschritten“. Einer Straftat will er sich dabei nicht schuldig gemacht haben. Sein weitverzweigtes Netzwerk dürfte ihm jedenfalls genützt haben.
Aber von vorn: Als erste Schritte soll er den Münchner Privatdetektiv Julian H. ins Boot geholt und über eine Maklerin den Kontakt zu Gudenus hergestellt haben.
Johann Gudenus Strache-Wegbegleiter
Es lockte ihn die Aussicht, die angebliche Oligarchen-Nichte würde ein Waldgrundstück von ihm kaufen. Im Frühjahr 2017 gab es ein erstes Treffen mit ihr und Begleiter Julian H. in Wien. Sie pochten darauf, auch Strache kennenzulernen – die Oligarchin wolle in Österreich Geld investieren, hieß es. So kam es zum schicksalsträchtigen Abend auf Ibiza im Juli 2017.
Heinz-Christian Strache Damaliger FPÖ-Chef
In der Finca auf Ibiza redete er sich um Kopf und Kragen – illegale Parteifinanzierung, Casino-Lizenzen, eine Machtübernahme bei der Krone – das alles gab Anstoß für umfangreiche Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Im August kamen Postenschacher-Vorwürfe bei Casinos Austria dazu. Straches Handy wurde beschlagnahmt, die Chatprotokolle fanden zuletzt ihren Weg in die Medien. Kurz vor der Nationalratswahl packte dann auch noch Ex-Bodyguard Oliver R. aus – und es ploppte ein Skandal um ein Spesenkonto bei der Wiener FPÖ auf.
Vorgeworfen wird Strache konkret – wie Gudenus – Bestechlichkeit und Untreue.
Julian H. Münchner Privatdetektiv
In enger Abstimmung mit Anwalt M. soll der Münchner ausführender Arm der Ibiza-Aktion gewesen sein. Er soll zudem zwei Bosnier und den Lockvogel engagiert haben. Den FPÖ-Politikern präsentierte er sich als „Begleiter“ der Oligarchen-Nichte.
„Die Bosnier“ S. und K. Mögliche Komplizen
Im Auftrag von Detektiv H. sollen sie die Finca auf Ibiza gemietet und mit Film- bzw. Tonaufnahmegeräten ausgestattet haben. Zuletzt dürften sie jedenfalls versucht haben, aus der Aktion Profit zu schlagen: Es wird ihnen vorgeworfen, Strache mit der Veröffentlichung weiterer Ausschnitte erpresst zu haben, zudem sollen sie einen Medienmann gegen Geld mit Infos versorgt haben (teilweise mit falschen).
S. und K. sind seit Freitag wegen Missbrauch von Abhörgeräten und Betrugs in U-Haft, einer von ihnen soll einer kriminellen Vereinigung angehören. In U-Haft ist auch eine Frau, die aber nicht direkt in der Ibiza-Causa beschuldigt wird, sondern wegen eines Drogendelikts.
Alyona Makarowa „Oligarchen-Nichte“
Die Frau gab vor, eine Nichte des russischen Milliardärs Igor Makarow zu sein und in Österreich investieren zu wollen. Gudenus soll vor ihr gewarnt worden sein – der blieb davon aber unbeirrt. Ihr Begleiter Julian H. legte, um glaubwürdig zu erscheinen, einen gefälschten lettischen Pass und falsche Kontoauszüge vor. Am Ibiza-Abend horchte sie Strache und Gudenus aus. Legendär ist, was Strache da über sie sagte: er ahnte etwas von einer Falle, weil ihre Zehennägel schmutzig waren.
Ob sie Beschuldigte ist, ist unklar – möglicherweise hat sie sich mit der falschen Identität strafbar gemacht.
ÖVP, SPÖ und Neos Die – doch nicht – Käufer
Wie gesagt: Anwalt M. hatte gute Kontakte, auch in Polit-Kreise. Er war Konzipient bei einem SPÖ-nahen Anwalt. In dieser Anwaltskanzlei arbeitete auch der Mitbegründer der „Sektion ohne Namen“. Und in dieser Sektion ist wiederum der Sohn von Ex-Kanzler Christian Kern aktiv. Die Annahme ist naheliegend, dass die SPÖ über diese Verbindung vom Ibiza-Video erfuhr. Bestätigt wird das aber nicht. Für Stirnrunzeln sorgt im Nachhinein folgende Episode: Kern, vom damaligen Vizekanzler Strache wegen seiner kurzen Kanzlerschaft provoziert, wettete mit ihm um eine Flasche Wein, „dass ich länger SPÖ-Chef bin als Sie bei den Freiheitlichen“.
Bestätigt haben ein Angebot bislang nur zwei Berater im Umfeld von Hans-Peter Haselsteiner, Chef der (im Video erwähnten) Strabag und Unterstützer der Neos. Einer der beiden gab an, dass Anwalt M. für das Video fünf Millionen Euro wollte – ein Angebot, das weder er noch Haselsteiner weiterverfolgt hätten. Haselsteiner, der Berater, Niko Kern und der ÖVP-nahe Lobbyist Daniel Kapp wurden in der Causa von der Soko Ibiza als Zeugen einvernommen. Kapp sagte aus, ihm sei das Ibiza-Video nicht angeboten worden, er wusste vor dessen Veröffentlichung nichts von dessen Existenz.
Die Suche nach einem Käufer bzw. Mittelspersonen an die deutschen Medien ist noch in Gang.
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