Hofburg-Wahlanfechtung: 14 Richter, 50 Zeugen, viele Fragen

Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes
Wie die Mega-Verhandlung ab Montag im Verfassungsgerichtshof ablaufen wird.

"Der Verfassungsgerichtshof will sich offensichtlich ein originäres Bild machen."

Mit diesen knappen Worten kommentierte FPÖ-Anwalt Dieter Böhmdorfer die Entscheidung des VfGH, die von der FPÖ angestrengte Anfechtung der Hofburg-Stichwahl in einer öffentlichen Verhandlung abzuhandeln.

Die Causa ist heikel, daher hält sich der Jurist zurück.

Ab kommenden Montag sollen – wie berichtet – rund 50 Zeugen öffentlich befragt werden. Öffentliche Verhandlungen sind bei Fällen, in denen ein breites öffentliches Interesse besteht, Usus im Höchstgericht. Ein Novum sind die vielen Zeugen.

Wie läuft ein derartiges Verfahren ab?

Kurz gesagt: Ähnlich wie ein Strafgerichtsprozess.

Am Montag, 8.30 Uhr, werden VfGH-Präsident Gerhart Holzinger, sein Vizepräsident und sowie die zwölf weiteren Verfassungsrichter in ihren hermelinbesetzten Talaren den Gerichtssaal betreten – und auf der Richterbank Platz nehmen. Vis-à-vis werden die Verfahrensparteien sitzen, also die Vertreter der FPÖ und der Grünen.

Die Hofburg-Anwärter Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen sind nicht geladen, nur deren "Zustellungsbevollmächtigte". Das sind jene Personen, die befugt sind, das Wahlergebnis anzufechten.

Bei der FPÖ ist das Obmann Heinz-Christian Strache, bei den Grünen Klubdirektor Robert Luschnik. Strache wird allerdings nicht kommen, verlautbarten die Freiheitlichen. Sie werden durch die Anwaltskanzlei Böhmdorfer vertreten sein. Bei den Grünen wird neben Luschnik noch Anwältin Maria Windhager sitzen.

Die FPÖ beklagt ja Unregelmäßigkeiten bei der Bundespräsidenten-Stichwahl am 22. Mai. Van der Bellen hatte knapp 31.000 Stimmen Vorsprung auf Hofer.

Zeugenbefragung Am Beginn des Verfahrens wird Präsident Holzinger das Prozedere erklären. Danach werden die Richter die Zeugen befragen. "Jeder, der 14 Richter kann Fragen stellen. Auch die Rechtsvertreter können um das Wort ersuchen", erklärt der ehemalige VfGH-Präsident Ludwig Adamovich dem KURIER.

Ergeben sich Widersprüche in den Aussagen von Zeugen, seien auch Gegenüberstellungen möglich, erläutert der langjährige Höchstrichter.

Beratung

Eine Entscheidung gibt es am Ende der öffentlichen Verhandlung nicht. Die Richter werden sich danach zu Beratungen zurückziehen. Sie berücksichtigen dabei die Erkenntnisse aus Zeugenbefragungen und aus den Unterlagen (Protokolle der Wahlbehörden etc.). "Die Beratungen werden sicher über Tage gehen", sagt Adamovich.

Er geht davon aus, dass sich die Höchstrichter aber bemühen werden, die vorgesehene Vier-Wochen-Frist einzuhalten. Diese endet am 6. Juli, zwei Tage vor der geplanten Angelobung des neuen Bundespräsidenten.

Entscheidung

Die Verfassungsrichter müssen zwei Fragen beantworten: 1. Gab es bei der Wahl Rechtswidrigkeiten? 2. Wenn ja, wurde dadurch das Wahlergebnis beeinflusst? Trifft beides zu, wird der VfGH die Wahl oder Teile davon für nichtig erklären. Der rechtswidrige Teil müsste dann wiederholt werden – entweder in Form einer erneuten Wahl (möglich auch in einzelnen Bezirken) oder, indem Stimmen erneut ausgezählt werden müssen.

Strafrecht

Für die Zeugen könnten ihre Aussagen auch strafrechtliche Folgen haben: Die Mitglieder der Bezirkswahlbehörden haben ja per Protokoll bestätigt, dass die Auszählung korrekt abgelaufen ist. Geben sie jetzt vor den Verfassungsrichtern zu, dass es doch Fehler gab, wird das die Staatsanwaltschaft (die auf zweiter Schiene wegen Amtsmissbrauchs und falscher Beurkundung ermittelt), auf den Plan rufen. "Es werden im Verfahren sicher Widersprüche aufgedeckt. Für die Zeugen ist das eine prekäre Situation", sagt Grünen-Anwältin Windhager.

„Es ist ein Formalfehler passiert, dazu stehen wir.“ Stefan Hölzl, Bürgermeister der oö. Gemeinde Helfenberg, gibt im KURIER-Gespräch zu, dass in seiner Gemeinde drei ungültige Briefwahl-Stimmzettel für die Hofburg-Stichwahl zerrissen wurden. Einen Betrug sehe er darin aber nicht.
Helfenberg gehört zu einer der 94 Bezirkswahlbehörden, die die FPÖ in ihrer 152-seitigen Anfechtung der Hofburg-Stichwahl nennt. Hölzl versteht die Aufregung nicht: „In der Kommission wurde das einstimmig beschlossen. Mit den Stimmen der FPÖ.“ Er rechnet nicht damit, nächste Woche als Zeuge vor den Verfassungsgerichtshof geladen zu werden. „Drei Zettel können ja keinen Einfluss auf das Wahlergebnis haben“, sagt Hölzl.

„Nur“ Kuvert geöffnet

Der Bezirkswahlbehörde Wolfsberg wird, ebenso wie Hermagor, vorgeworfen, die Briefwahlkuverts vor dem gesetzlich festgelegten Start, Montag um 9 Uhr, geöffnet zu haben. Bezirkshauptmann Georg Fejan erklärt dazu: „Wir lassen den oberen Saum des Kuverts von einer Maschine entfernen. Das dauert eine dreiviertel Stunde. Um 9 Uhr sind wir damit fertig und fangen an, hineinzuschauen. Und da ist dann auch die Wahlbehörde vollzählig anwesend“, erklärt er.


Er weiß, dass dieses Vorgehen nicht den Buchstaben des Gesetzes entspricht, relevant sei das für den Inhalt der 3154 Wahlkarten seiner Ansicht aber nicht. Fejan muss am Dienstag, dem zweiten Verhandlungstag beim VfGH, seine Zeugenaussage machen.


Heikler ist da schon der Fall in Kitzbühel. Dort sollen die Stimmen von unbefugten Personen ausgezählt worden sein. Bezirkshauptmann Michael Berger erklärt, es sei tatsächlich nur ein Wahlbeisitzer einer politischen Partei anwesend gewesen, der Hilfe von Beamten bekam. Die stellvertretende Wahlleiterin habe die Auszählung überwacht. Die anderen Kommissionsmitglieder seien später dazugekommen und hätten dann das Ergebnis abgesegnet. Hier geht es um 4237 Wahlkarten.

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