Heute fällt Entscheidung: Das Tagebuch des roten Showdowns
Das Renner-Institut in der Karl-Popper-Straße im 10. Wiener Gemeindebezirk ist heute wohl der Mittelpunkt der österreichischen Innenpolitik. Ab 10 Uhr wird dort die SPÖ-interne Wahlkommission unter der Führung der Steirerin Michaela Grubesa die Auszählung der Mitgliederbefragung vornehmen und am Abend verkünden, für wen sich die Mitglieder mehrheitlich entschieden haben: für die Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner, für den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil oder für den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler.
Es ist die Vorentscheidung darüber, wer am 3. Juni bei einem Sonderparteitag in Linz vorgeschlagen wird, der Bundespartei vorzusitzen und sie als Spitzenkandidat in die Nationalratswahl im Herbst 2024 zu führen.
Derzeit wird damit gerechnet, dass das Ergebnis um zirka 17 Uhr feststehen könnte. Genau festlegen will sich aber niemand. Die Bekanntgabe vor Journalisten erfolgt in einem Hotel in der Nähe des Renner-Instituts.
Rund 148.000 Mitglieder hatten die Möglichkeit, an dieser Entscheidung teilzunehmen. Bis jetzt ist aber weder durchgesickert, wie viele tatsächlich ihre Stimme abgegeben haben, noch, ob es Tendenzen in Richtung einer der drei genannten Personen gibt. Es wird seitens der Wahlkommission auch alles unternommen, damit bei der Auszählung nichts passiert. Nach dem Zusammentreffen im Renner-Institut müssen die Handys abgegeben werden, damit nur ja keine Meldungen vor der offiziellen Pressekonferenz am Ende der Auszählung nach draußen gelangen.
Seit Ende Februar hält das Tauziehen um die Parteiführung die Sozialdemokraten in Atem. Heute wird ausgezählt. Der tatsächliche Schlusspunkt wird erst der Sonderparteitag am 3. Juni in Linz sein
Dienstag, 28. Februar
Der KURIER titelt mit der Schlagzeile „SPÖ ringt um die Parteispitze“. Hintergrund sind parteiinterne Gerüchte, wie mit Personalrochaden möglich gemacht werden soll, dass Parteichefin Pamela Rendi-Wagner abgelöst und die Führungsdebatte beendet wird. In der Parteizentrale in der Löwelstraße wird vermutet, dass mit solchen Interna schon wieder von Eisenstadt aus gezündelt worden ist. Der Grundstein zu dieser Debatte wurde aber in der Wiener SPÖ gelegt.
Mittwoch, 1. März
Die Parteispitze rund um die 2. Nationalratspräsidentin Doris Bures und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig dementiert alle Gerüchte und stellt sich demonstrativ hinter Pamela Rendi-Wagner. In den Bundesländern rücken allerdings bereits einzelne Abgeordnete aus, um eine mögliche Kampfabstimmung zwischen Rendi-Wagner und Doskozil bei einem Parteitag als „nichts Schlechtes“ darzustellen.
➤ Mehr lesen: Michaela Grubesa: Das ist die SPÖ-Gegenspielerin von Christian Deutsch
Sonntag, 5. März
Die Landtagswahl in Kärnten geht daneben. Landeshauptmann Peter Kaiser muss höhere Verluste einstecken, als erwartet worden war. Die Debatte um die Bundesparteispitze wird dadurch noch mehr befeuert.
Montag, 6. März
Pamela Rendi-Wagner gibt ein Interview in der ZIB2 und attackiert „Unruheherd“ Hans Peter Doskozil. Gleichzeitig kündigt sie die Einberufung eines Sonderparteipräsidiums an, zu dem auch der burgenländische Landeshauptmann eingeladen wird. Das ursprüngliche Ziel soll gewesen sein, Doskozil dort vor der versammelten Parteiführung „den Kopf zu waschen“, wie in der Partei erzählt wird.
Dienstag, 14. März
Per Brief teilt Hans Peter Doskozil der Parteizentrale in Wien mit, dass er sich einer Kampfabstimmung stellen würde. Gleichzeitig bringt er eine Mitgliederbefragung ins Spiel, damit „die Basis “ entscheiden kann. In der Löwelstraße hält man zu diesem Zeitpunkt wenig von so einer Befragung. Man will, dass diese Frage in den entsprechenden Gremien entschieden wird. Allerdings hat der Burgenländer zu diesem Zeitpunkt schon einige Landesparteivorsitzende in dieser Frage auf seiner Seite.
Mittwoch, 15. März
Die Mitgliederbefragung kann nicht mehr verhindert werden. Das Sonderpräsidium verläuft anders, als es sich so manche in der Parteizentrale vorgestellt haben. Der Druck aus den Bundesländern ist so groß, dass schließlich eine Mitgliederbefragung abgesegnet wird. Zu diesem Zeitpunkt gelten Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil als die einzigen Kandidaten für die Basisentscheidung.
Mittwoch, 22. März
Für die Mitgliederbefragung werden die ersten Rahmenbedingungen festgelegt. Dazu gehört, dass alle mitmachen können, die bis zum Stichtag 24. März SPÖ-Mitglied sind. Das bewirkt, dass innerhalb weniger Tage 9.000 neue Mitglieder in der SPÖ gezählt werden.
Montag, 27. März
Innerhalb kurzer Zeit haben sich 73 Parteimitglieder gemeldet, die sich auch der Mitgliederbefragung stellen und gegen Rendi-Wagner und Doskozil antreten wollen. Der bekannteste Name ist Niki Kowall aus Wien. Später bewirbt sich auch der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler. Daraufhin zieht sich Kowall wieder zurück. Das Parteipräsidium beschließt, dass man 30 Unterschriften benötigt, um Kandidat zu sein. Am Ende bleiben nur noch Pamela Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil und Andreas Babler übrig.
Für Diskussionen sorgt eine Äußerung von Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, der die Mitgliederbefragung als bloßes Stimmungsbild bezeichnet. Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil kündigen daraufhin an, sich vor dem Parteitag am 3. Juni zurückziehen, falls sie nicht den ersten Platz erreichen. Andreas Babler legt sich nicht fest.
Sonntag, 23. April
Bei der Landtagswahl in Salzburg bleibt die SPÖ rund um Spitzenkandidat David Egger erneut hinter den Erwartungen zurück. Von Beobachtern wird das auch der Führungsdebatte in Wien zugeschrieben.
Montag, 24. April
Start der Mitgliederbefragung. Bis zum 10. Mai kann online oder per Brief abgestimmt werden, wem die Mitglieder den Vorzug geben. Wobei die Briefwahlstimme zählt, falls ein Mitglied auch online abstimmt. Am Ende der Frist ist die SPÖ Burgenland die einzige Landesorganisation, die bekannt gibt, wie viele ihrer Mitglieder teilgenommen haben: rund 10.000 Sozialdemokraten.
Donnerstag, 11. Mai
Überraschend tritt der Vorsitzende der Wahlkommission, der Wiener Harry Kopietz, zurück. Aus gesundheitlichen Gründen, wie noch am selben Tag verlautbart wird. Kopietz war von Beginn an als Wahlleiter umstritten: Vor allem die Burgenländer hatten sich gegen das Wiener SPÖ-Urgestein als Leiter der Wahlkommission ausgesprochen. Somit übernimmt die Steirerin Michaela Grubesa den Vorsitz. Kopietz wurde dem Rendi-Wagner-Lager zugeschrieben, Grubesa gilt als Vertreterin der Doskozil-Gruppe.
Mittwoch, 17. Mai
Überraschend trifft sich die Wahlkommission, um einen Umlaufbeschluss noch einmal abzusegnen. Dabei geht es um das Hinzuziehen eines externen IT-Experten und eine Entscheidung über den Zeitpunkt der Vernichtung der ausgezählten Stimmen. Die Reibereien mit der Parteizentrale in der Löwelstraße werden ausgeräumt.
Kommentare