Wird er es tun? Wird Alexander Van der Bellen FPÖ-Chef Herbert Kickl den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen, wenn die FPÖ bei der Nationalratswahl Platz 1 schafft?
Seit Wochen wird spekuliert, wie sich der Bundespräsident wohl verhalten mag, wenn ein für ihn ungeeigneter Kandidat das zentrale Regierungsamt beansprucht.
Dass Van der Bellen Kickl für kanzleruntauglich hält, ist amtlich. Immerhin war es der amtierende Bundespräsident, der Kickl 2019 auf Wunsch von Kanzler Sebastian Kurz entließ, weil sich Kickl in der Ibiza-Krise als untragbar erwiesen haben soll – ein bis heute einmaliger Vorgang.
Was also wird ab dem 30. September passieren?
Als weitgehend gesichert gilt: Die Regierungsbildung wird länger dauern als je zuvor.
Zunächst einmal haben sich die drei größeren Parteien und deren Spitzenkandidaten persönlich und inhaltlich soweit „eingegraben“, dass Zweier-Koalitionen – sollten sie rechnerisch wider Erwarten möglich sein – realpolitisch fordernd sind. Weder SPÖ noch ÖVP wollen mit Kickls FPÖ.
Was die Sache noch komplexer macht: Es zählen nicht allein die Ergebnisse und der „Ziel-Einlauf“ bei der Wahl, sondern auch, welche Dynamiken in den Parteien nach dem Wahltag ablaufen.
So kann etwa niemand in SPÖ oder ÖVP mit Sicherheit sagen, ob Andreas Babler oder Karl Nehammer bei einem überraschend schlechten Ergebnis zurücktreten – und wer an ihrer statt die Sondierungsverhandlungen führt. Dementsprechend will die Präsidentschaftskanzlei all das abwarten – was den Prozess verzögert.
Sicher ist: Die Hofburg will nicht verhandeln. Alexander Van der Bellen lädt nach der Wahl alle Parteichefs separat zu einem Besuch. Dies geschieht aber aus Staatsräson und Höflichkeit, es ist explizit nicht als „Sondieren“ zu verstehen, wie man insistiert.
Alle Gespräche – bis hin zu konkreten Koalitionsverhandlungen – müssten von den Parteien geführt werden, der Bundespräsident will nicht in die Rolle des Mediators gedrängt werden. Die Wortregelung lautet hier: Man will „auf dem Laufenden“ gehalten werden.
Nach heutigem Stand wird sich Van der Bellen bei der Regierungsbildung also eher passiv verhalten.
Das hat auch damit zu tun, dass die Situation höchst komplex zu werden droht, und das Dreier-Koalitionen eine Rolle spielen. Zudem ist die Zurückhaltung der Einsicht geschuldet, dass der Bundespräsident nicht gegen eine parlamentarische Mehrheit agieren kann. Zumindest nicht auf Dauer.
Das letzte Staatsoberhaupt, das aktiv eine Koalition verhindern wollte, war Thomas Klestil – und er scheiterte. 2000 forcierte der gelernte Diplomat eine SPÖ-ÖVP-Koalition. Doch nachdem sich mit Wolfgang Schüssel und Jörg Haider zwei gefunden hatten, die ohne die erstplatzierte SPÖ eine Mehrheit im Nationalrat hinter sich wussten, blieb Klestil am Ende nur, sein betroppeztes Antlitz zur Schau zu tragen – und die erste ÖVP-FPÖ-Regierung anzugeloben.
Van der Bellen ist krisen-erprobt, in fünf Jahren hat er ebenso viele Bundesregierungen angelobt. „Er kennt die Spielräume, die ihm die Verfassung einräumt, genau“, sagt ein früherer Mitarbeiter.
Wie wird er sich in der Kickl-Frage verhalten? Das sei, so heißt es, tatsächlich offen. „Auf dem Weg zu einer Koalition passiert extrem viel. Mehr als man glauben würde.“
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