Große Koalition: Eine Trennung muss kein Drama sein

Christoph Leitl, Heinz Fischer: "Österreich für Optimisten"
Heinz Fischer und Christoph Leitl über ein mögliches Ende der Großen Koalition

Im Publikum saßen journalistische Größen wie Hugo Portisch, Hans Rauscher und Heinz Nußbaumer sowie politische Zeitzeugen wie Heide Schmidt, Helga Rabl-Stadler, Rudolf Kaske und Fritz Verzetnitsch. Sie gaben sich zu einem außergewöhnlichen Ereignis ein Stelldichein: Alt-Bundespräsident Heinz Fischer und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl haben gemeinsam ein Buch geschrieben und stellten es am Montagabend vor. "Österreich für Optimisten" heißt das Werk. Es besteht aus einem gemeinsamen Vorwort, einem Doppelinterview und zwei getrennten Texten der beiden Autoren.

Was dieser Buchpräsentation zusätzliche Spannung verlieh, war der Zeitpunkt. Die Koalition aus SPÖ und ÖVP, die Österreich in den vergangenen 72 Jahren ganze 46 Jahre lang regierte, steht vor einer Trennung. Um es in den Worten Heinz Fischers über die bevorstehende Regierungsbildung zu sagen: "Die Große Koalition hat nach den Ereignissen der letzten Jahre schlechte Karten."

Fischer erinnerte sich bei der Buchpräsentation an den März 1966, als die ÖVP die absolute Mehrheit eroberte und damit erstmals in der Zweiten Republik eine Trennung der Großen Koalition in Regierung (ÖVP) und Opposition (SPÖ) bevor stand. Aufgrund der Bürgerkriegserfahrung in der Ersten Republik drängte Bruno Kreisky die SPÖ, weiter in der Regierung zu bleiben, setzte sich aber nicht durch. "Die Befürchtung, dass Österreich ohne Große Koalition nicht regierbar ist, die ist heute überholt", sagte Fischer am Montag. Wenn nach dem 15. Oktober 2017 "entweder die ÖVP oder die SPÖ in Opposition sein werden", gelte es, gemeinsame Ziele und Werte wie das Bekenntnis zu Europa außer Streit zu stellen.

Dass eine Trennung von SPÖ und ÖVP kein Drama mehr sein muss, unterstrich auch Leitl: "Wechsel gehört zur Demokratie dazu. Worauf es ankommt, ist, gesprächsfähig zu bleiben." Auch die Sozialpartnerschaft sieht Leitl durch eine andersfarbige Regierung nicht gefährdet. Es komme einzig und allein darauf an, ob die Mitglieder mit ihren Kammern zufrieden seien.

In dem lesenswerten Buch setzen sich die beiden Autoren kritisch mit so manchem Zustand in Österreich auseinander.

Leitl etwa kritisiert, dass "der Nationalrat auf die Wasserträgerfunktion für Regierungsentscheidungen reduziert" ist, das Parlament sei "praktisch entmündigt".

Fischer wirft manchen Medien vor, Meinungsverschiedenheiten in einer Partei oder in der Koalition aufzubauschen und "nicht zwischen wirklichen Problemen und künstlicher Aufregung zu unterscheiden". Manche Medien würden sich "einen Wettlauf um Negativschlagzeilen liefern" und "ständig das Totenglöcklein für die europäische Idee läuten".

Fischer spannt in seinem Beitrag einen historischen Bogen in eine mögliche Zukunft, wobei er unter anderem auf das Problem eingeht, eine nationalstaatlich organisierte parlamentarische Demokratie auf ein vielsprachiges Mehrstaaten-Gebilde wie die EU zu übertragen.

Leitl beschäftigt sich mit dem Verschwinden der Nationalökonomie und den Herausforderungen der Globalisierung. Er beschreibt auch seinen Frust über die heimische Bürokratie und manchen Reformstau im Land.

Trotz aller Probleme bekennen sich die beiden zum Optimismus. Leitl: "Ich will in keinem anderen Land leben als in Österreich." Fischer: "Das unterschreibe ich zu hundert Prozent."

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