Heinz Fischer erwartet Neuwahlen: "Wäre aber nicht klug"

Heinz Fischer erwartet Neuwahlen: "Wäre aber nicht klug"
Der Ex-Präsident rechnet mit vorgezogenen Neuwahlen und kritisiert Straches Bürgerkriegsfantasien.

KURIER: Herr Dr. Fischer, laut einer OGM-Umfrage haben 82 Prozent der Österreicher kein Vertrauen mehr in die Politik. Welche Worte würden Sie heute am Nationalfeiertag an die Österreicher richten, wenn Sie eine Ansprache halten dürften?

Heinz Fischer: Ich brauche keine Meinungsumfragen, um zu wissen, dass die Entwicklung sowohl auf nationaler als auf internationaler Ebene nicht so verläuft, wie man sich das als Österreicher und als Europäer wünschen muss. Daher muss man auf die Schwachstellen unserer Politik hinweisen.

Wo sehen Sie innenpolitisch die Schwachstellen?

Es herrscht zu viel Streit, zu viel Sucht auf Kosten anderer politisch Punkte zu sammeln, sodass die Problemlösungsfähigkeit darunter leidet.

Vizekanzler Mitterlehner hat das Regierungsklima mit der Härte beim Fußballmatch Simmering gegen Kapfenberg verglichen. Würden Sie als Staatsoberhaupt die Regierungsspitze zum Rapport bitten?

Vizekanzler Mitterlehner hat in seiner Rede gesagt, dass er eben nicht Simmering gegen Kapfenberg vorführen will. Gerade die beiden Parteivorsitzenden Christian Kern und Reinhold Mitterlehner sind bemüht, die Dinge im Land zum Besseren zu führen. Diesen beiden Personen mache ich keine Vorwürfe. Es sind eher Personen in den zweiten und dritten Reihen, die man hier ansprechen müsste. Aber Ihre Frage war, wie ich als Bundespräsident handeln würde? Ich bin nicht mehr Bundespräsident. Daher schlüpfe ich nicht jeden Tag in die Rolle eines fiktiven Bundespräsidenten.

Umgekehrt gefragt: Ist die Koalition nun an dem Punkt angelangt, wo es gut wäre, wenn es einen Bundespräsidenten als Mediator gäbe?

Ich bin der Meinung, je früher dieses Amt wieder definitiv besetzt ist, umso besser. Es ist eine unglückliche Situation, dass der neue Bundespräsident nicht schon am 8. Juli sein Amt antreten konnte. Denn es gäbe für einen gewählten und guten Bundespräsidenten gerade jetzt eine Menge zu tun.

Kanzler Christian Kern sagte in einem Zeit-Interview, dass es keine Bestandsgarantie für SPÖ und ÖVP gibt. Ist diese Befürchtung gerechtfertigt?

Es ist bemerkenswert, wenn sich ein Parteivorsitzender so ungeschminkt äußert. Und es ist wahr, die Rahmenbedingungen haben sich für die "staatstragenden Parteien" also für SPÖ und ÖVP seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts grundlegend geändert. Sie sind in ihrer bisherigen Verfasstheit unleugbar schwächer geworden und haben in den letzten 35 Jahren mehr als die Hälfte ihrer Stimmen und Mitglieder verloren. Hier braucht es dringend tief greifende Reformen. Ich füge hinzu, dass sich unsere politischen Systeme nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa weitreichend verändern.

Glauben Sie, dass die Koalition wirklich bis 2018 hält?

Eines steht für mich fest: Wir hatten in der 2. Republik 60 Jahre lang Legislaturperioden von vier Jahren. Erst vor Kurzem gab es eine Verlängerung auf fünf Jahre. Wenn die Regierungsparteien mit teilweiser Unterstützung der Opposition die Legislaturperiode verlängern, um mehr im Land bewegen zu können, sollte man erwarten dürfen, dass sie nicht vorzeitig beendet wird. Doch es spricht im Moment einiges dafür, dass vorzeitig gewählt wird. Klug wäre es allerdings nicht. Die Koalition sollte bis 2018 arbeiten und ihre Chancen nutzen. Aber ich lege nicht meine Hände ins Feuer, dass das, was geschieht, immer auch klug ist.

FPÖ-Chef Heinz Christian Strache befürchtet aufgrund der Migration die Gefahr eines Bürgerkrieges. Hat er hier eine rote Linie überschritten?Strache hat vorgestern in einer sorgfältig vorbereiteten Rede einen Bürgerkrieg mittelfristig als "nicht unwahrscheinlich" – also als wahrscheinlich – bezeichnet. Ich habe meinen Ohren nicht getraut.

Mit dem Wort "Bürgerkrieg" spielt man nicht, geht man nicht leichtfertig um und man darf es auch nicht für Zwecke der Angstmache verwenden. Schon gar nicht als Obmann einer Partei, die das Amt des Bundespräsidenten anstrebt und kurze Zeit später auch den Bundeskanzler besetzen will.

Heinz Fischer erwartet Neuwahlen: "Wäre aber nicht klug"

In der Vorwoche gab es eine große Diskussion über die Pläne von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, am Heldenplatz ein Bundesheer-Denkmal zu errichten. Braucht es das wirklich?

Ich halte die Grundidee für vernünftig. Wenn für Polizisten, die seit 1945 im Dienst für unsere Republik ums Leben gekommen sind, ein Denkmal errichtet wurde, warum soll es dann für Soldaten, die im gleichen Dienst ums Leben gekommen sind, nicht zulässig sein? Wenn man Denkmäler für etwas Sinnvolles hält, und unsere Kultur tut das, dann sehe keinen Grund, warum gerade dieses Denkmal unerwünscht sein soll.

Sie wählen am 4. Dezember Alexander Van der Bellen. Sein Konkurrent Norbert Hofer wirbt mit "So wahr mir Gott helfe" am Wahlplakat. Waren selbst Sie als Agnostiker schockiert?

Das Einzige, was ich dazu sagen möchte ist, dass mich das in meiner Entscheidung, wen ich am 4. Dezember wählen werde, deutlich bestärkt hat.

Das Freihandelsabkommen CETA ist am Kippen, weil die belgische Wallonie das gallische Dorf in der EU spielt. Ein weiterer Beweis dafür, dass die EU am Zerfallen ist?

Ich würde nicht zerfallen sagen. Es ist ein Rückschlag. Es ist bedauerlich und ein Beispiel für zu wenig Kohärenz.

Sie haben keine Bedenken bei den viel kritisierten Schiedsgerichten. Auch Teile der SPÖ sind skeptisch ...

Schiedsgerichte können fatal konstruiert sein und Webfehler haben, die rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechen. Aber bei dem, was jetzt nach langen Bemühungen zwischen Kanada und Europa – zuletzt unter zahlreichen sehr kritischen Augen – ausverhandelt wurde, habe ich keine Bedenken.

Das heißt, Sie waren auch erleichtert, als Kanzler Christian Kern letztendlich grünes Licht für CETA gegeben hat?

Das war sicher keine leichte, aber eine verantwortungsvolle und unter dem Strich eine richtige Entscheidung.

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