Harter Schlagabtausch im Parlament
Werner Faymann hat schon bessere Reden gehalten. Bei der Regierungserklärung am Dienstag im Parlament lässt der Kanzler eine Chance aus, den verpatzten Start seines Kabinetts doch noch eine positive Wendung zu geben. Die Passagen, für die der Kanzler Applaus bekommt, sind Standardaussagen: „Wir müssen konstruktiv Lösungen suchen“, „Respekt ist ein Grundwert der Gemeinschaft“, „Offenheit gegenüber anderen Ländern ist wichtig“. Anzeichen des „neuen Stils“ sind, dass SPÖ und ÖVP bei den Rednern der anderen Fraktion klatschen. Doch der „neue Stil“ wird lustlos befolgt. Als der Kanzler endet, blättert die auf die Abgeordnetenbank verbannte Maria Fekter angestrengt in Unterlagen, um sich des Beifalls zu entziehen. Auch Ex-Ministerkollegin Beatrix Karl verharrt in Reglosigkeit.
Rot-blaues Match
Ein andermal braust der Kanzler wegen der fortgesetzten Zwischenrufe von FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl auf. „Verhöhnen Sie sich selbst. Ihre Bewertungen finden ohnehin nur Sie witzig“, ruft er der FPÖ zu. Und fügt an: „Ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem Sie nur auf dem dritten Platz sind.“ – „Sie werden die Rechnung präsentiert bekommen, bei der EU-Wahl wird der Regierung der erste Denkzettel verpasst werden“, kontert FPÖ-Chef Heinz Christian Strache in seiner Rede. „Ambitionslosigkeit, die ihresgleichen sucht“ konstatiert Strache im Regierungsprogramm und fasst zusammen: „Für diese Regierung gilt die Unfähigkeitsvermutung, inhaltlich und personell.“
Neos-Chef Matthias Strolz greift zu dem Kunstgriff, eine alternative Regierungserklärung abzuhalten. Er skizziert, wie eine Schulreform aussehen müsste mit gemeinsamer Schule bis 14, einem Kollektivvertrag für Lehrer usw.
„Kehren wir aus der Neos-Republik in die Realität zurück“, sagt Vizekanzler Michael Spindelegger und bekommt dafür artig Applaus von SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder und dem SPÖ-Abgeordneten Otto Pendl. Der Rest der SPÖ-Fraktion schwelgt offenbar lieber in der Gesamtschul-Fantasie der Neos als in der Schulrealität des ÖVP-Obmannes – und enthält sich des Beifalls.
Hundstorfer dankt
Reinhold Mitterlehner steht weiter im Mittelpunkt der Proteste wegen der Zusammenlegung von Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium. Bundesweit wurde gegen die Abschaffung des eigenständigen Ressorts demonstriert, 7000 Studenten folgten dem Aufruf der ÖH in Wien, 1100 in Graz, 1000 in Salzburg, 300 in Klagenfurt und 100 in Innsbruck. In Graz wurde sogar kurzzeitig das Landhaus besetzt.
Ausbaden muss das Wirtschaftsminister Mitterlehner, es war nicht seine Idee, sondern die von ÖVP-Chef Michael Spindelegger. Dennoch muss er jetzt die Suppe auslöffeln und den zweifelhaften Sinn der Aktion argumentieren.
Am Dienstag, während seiner ersten Parlamentsrede als neuer Ressortchef für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft – diesen Namen dürfte das fusionierte Ministerium bekommen – regnete es Flugblätter. Studenten skandierten dazu „Freiheit für die Bildung“ von der Galerie des Plenarsaals. Einer der Protestierer verlor bei der Aktion auch seinen „deutschen Pass“, wie ein Beobachter anmerkte. Für die studentische Situation in Wien sind Deutsche nichts Ungewöhnliches.
Mitterlehner wirkte leicht genervt, zollte den „Prospekten“ jedoch Respekt. Gemeint waren die „Proteste“, korrigierte er den Versprecher gewohnt routiniert.
Schwarze Fahnen
Die gehissten schwarzen Fahnen vor den Universitäten in ganz Österreich irritieren Mitterlehner sehr. Er hält sie für „pietätlos“. Das Wissenschaftsministerium verschwinde nicht, es wandere ja bloß unter das Dach der Wirtschaft, betonte er.
Was konkret anders werden soll, will Mitterlehner „prozessorientiert“ entwickeln. Im Regierungsprogramm sucht man Reformen vergeblich. Der Wissenschaft sind zwei Seiten gewidmet. Stark betont wird dort der Konnex zur Forschung. Das tut auch Mitterlehner. Er will Synergien zwischen Wirtschaft und Forschung heben. Auch die Raumnot der Studenten könne er als Wirtschaftsminister und somit Eigentümervertreter der Bundesimmobiliengesellscaft lindern. Kritiker merken an, dass ihn auch bisher niemand daran gehindert hätte.
Ex-Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle stimmte überraschend mit der Opposition bei Anträgen der Grünen und Neos für ein eigenes Wissenschaftsressort. Die Anträge fanden dennoch keine Mehrheit.
Der Justizminister ist das letzte Glied in der Weisungskette. Er kann der Staatsanwaltschaft anordnen, dass ein Verfahren eingestellt wird, weitere Ermittlungen durchzuführen sind – oder Anklage zu erheben ist.
Immer wieder wird über Sinn und Unsinn des Weisungsrechts debattiert. Die SPÖ fordert seit Jahren, dass es abgeschafft wird. Die ÖVP hat dazu aber stets Njet gesagt. Die Ex-Justizministerinnen Beatrix Karl und Claudia Bandion-Ortner (beide ÖVP) haben argumentiert, Weisungen seien ohnehin transparent. Sie müssten schriftlich erteilt werden – und würden im Akt aufscheinen.
Durch die Rochade an der Spitze des Ressorts kommt nun aber Bewegung in diese Polit-Justiz-Causa. Der neue Justizminister Wolfgang Brandstetter hat das Recht, Weisungen zu erteilen, schon lange kritisch beurteilt – und tut das nach wie vor. Auch gestern, bei seinem ersten Auftritt im Parlament, sagte der bisherige Uni-Professor und Strafverteidiger, er strebe eine gesetzliche „Lösung auf möglichst breiter Basis“ an.
Brandstetter tue damit „das einzig Richtige“, urteilt der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser. Denn durch den „Rollenwechsel“ vom Verteidiger zum Minister sei eine Debatte um „Interessenskonflikte“ entstanden.
Brandstetter hatte sich um Fälle gekümmert, die zum Teil noch gerichtsanhängig sind (Telekom, Aliyev etc.). Obwohl der Minister zusicherte, in derlei Verfahren nicht eingreifen zu wollen, meint Grünen-Chefin Eva Glawischnig, jetzt sei „eine gute Gelegenheit, das Weisungsrecht abzuschaffen“. Ihr Kollege Steinhauser ergänzte: „Wir nehmen Sie beim Wort, Herr Minister!“ Brandstetter nickte.
Warten auf Vorschläge
Wie steht man im ÖVP-Klub zu den Plänen des neuen Justizministers? „Ich warte ab, welche Lösungsansätze uns Wolfgang Brandstetter vorlegt. Wenn es eine bessere Regelung als die jetzige gibt, kann man über eine Abschaffung reden. Es muss allerdings eine ausreichende Kontrolle der Staatsanwaltschaft möglich sein“, sagte ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker zum KURIER.
Die Zustimmung der SPÖ ist Brandstetter jedenfalls sicher: Justizsprecher Hannes Jarolim tritt für einen Bundesstaatsanwalt an der Weisungsspitze ein. Dieser sollte von den drei Höchstgerichtspräsidenten (VfGH, VwGH, OGH) nominiert und „vom Parlament für einen längeren Zeitraum, zum Beispiel für zehn Jahre, mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt werden“, erklärt Jarolim im KURIER-Gespräch. Um die Unabhängigkeit zu gewährleisten, sollte der Bundesstaatsanwalt nicht wiedergewählt werden können. Umgesetzt werden sollte das Vorhaben 2014, meint Jarolim.
Das peilen auch die Grünen an, die ein ähnliches Modell forcieren, wie Steinhauser sagt. SPÖ und ÖVP sind auf die Stimmen der Öko-Partei (für eine Zwei-Drittel-Mehrheit) angewiesen, denn die FPÖ will das Weisungsrecht nicht abschaffen.
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