Harald Mahrer: "Ein Kelomat, in dem alle herumschreien“
Ein „Berechnungsautomatismus“ hätte den Mitarbeitern der Wirtschaftskammer 4,2 Prozent an Gehaltserhöhung beschert. Hätte deshalb, weil es nun – nach harscher Kritik und Lob der Gewerkschaft – die Hälfte ist.
KURIER: Der Berechnungsautomatismus orientiert sich am Vorjahr, in dem die Gehaltsabschlüsse teils zweistellig waren. Sie mussten wissen, dass die WKO zu hoch abschließen wird. Was haben Sie sich dabei gedacht?
Harald Mahrer: Wir wussten den genauen Wert nicht, aber lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, den Mechanismus zu erklären. Vor Jahrzehnten haben sich die Chefverhandler darauf geeinigt, dass man als WKO nicht im selben Jahr verhandelt wie die Branchenmitglieder. Warum? Weil man möglicherweise in eine Situation kommen könnte, je nachdem wie lange Verhandlungen laufen, dass ein Abschluss der Wirtschaftskammer ein Präjudiz für den Abschluss in den jeweiligen Branchen wäre.
Sie mussten wissen, dass das Plus zu hoch ausfällt!
Die 4,2 Prozent hat der Computer gemäß der Automatismus-Formel ausgeworfen. Das ist irgendwie durchgesickert und daraus die Erhöhung abgeleitet worden. Das ist aber nicht in Stein gemeißelt, weil nichts in Stein gemeißelt ist, wie Sie auch bei den Pensionisten und Beamten gesehen haben. Ich habe erst vor ein paar Wochen im KURIER-Interview gesagt, alle müssen sich anstrengen. Man kann doch nicht glauben, dass ich eine gespaltene Persönlichkeit bin. Dass ich einerseits Reformen vorantreibe im gesamten Land und in der Wirtschaftskammer und gleichzeitig den Automatismus nicht sehe.
Sondern?
Ich habe natürlich Gespräche geführt, doch solche Gespräche brauchen Zeit. Über die öffentliche Debatte – da bin ich ehrlich – bin ich sehr unglücklich. Sie hat mich auch emotional zum Teil getroffen. Und sie ist zu Unzeit gekommen, weil ich 48 Stunden nichts sagen konnte, da die Gespräche mit meinen eigenen neun eigenen Landeskammerpräsidentinnen und -Präsidenten noch im Laufen waren.
Das heißt, Sie hatten nie das Ansinnen mit 4,2 Prozent abzuschließen?
Das ist kein Abschluss, sondern ein Automatismus. Mir ging es darum: Was machen wir für eine Budgetentscheidung? Das sind zwei unterschiedliche Dinge. Ich weiß, mir ist auch vom KURIER vorgeworfen worden, ich sei auf Tauchstation gegangen. Aber ich konnte zum Prozess und zu den Gesprächen nichts sagen, sondern erst heute.
Wie ist alles überhaupt an die Öffentlichkeit gelangt?
Es muss logischerweise aus dem Kreis der Fraktionen gekommen sein. So etwas ist immer ein Schaden für die gesamte Institution.
Wie groß ist der Schaden?
Ich sehe für mich deswegen keinen Schaden, weil ich mich mit der Entscheidung von 2,1 Prozent durchgesetzt habe. Aber ja: Es gibt viel öffentlichen Druck in dem Land – nicht nur auf die Institutionen. Es ist ein großer Kelomat, in dem alle voller Empörung herumschreien. Es geht darum, Verständnis zu erzeugen und Anhängerschaft für den Kurs zu gewinnen, wo sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher etwas anderes gewünscht haben.
Georg Knill, Karl Nehammer, Harald Mahrer
Ich kann nicht darüber sprechen, was die Beweggründe für andere sind, politisches Kleingeld zu wechseln. Der Präsident der IV, Georg Knill, den ich sehr schätze, hat mich nicht angerufen – er hat sich auch nicht öffentlich geäußert. Es hat mich auch der IV-Präsident von Wien oder Oberösterreich nicht angerufen. Ich habe zur Kenntnis genommen, was sie über die Zeitungen verkündet haben. Gefällt mir das? Nein! Würde ich mir einen persönlichen Dialog wünschen, wo ich über so etwas sprechen kann? Ja!
Hatten Sie einen persönlichen Dialog mit Regierungschef Christian Stocker?
Nein, hatte ich nicht. Auch das habe ich heute voller Verwunderung in einer anderen Tageszeitung gelesen: Dass er bei mir interveniert hätte. Ich habe Christian Stocker alles Gute für seine Operation gewünscht. Ich kann definitiv ausschließen, dass er am Montag mit mir und dazu gesprochen hat.
Hat Stocker am Dienstag mit Ihnen darüber gesprochen?
Er hat auch am Dienstag nicht mit mir dazu gesprochen. Er hat in der Causa überhaupt nicht mit mir gesprochen. Das war eine autonome, alleinige Entscheidung, die ich mit meinen neun Landespräsidentinnen und Landespräsidenten getroffen habe, weil die 2,1 Prozent österreichweit umgesetzt werden.
Wie lange gilt der Automatismus: Für ein Jahr?
Technisch ist es tatsächlich so, dass die ursprüngliche Erhöhung von 1.1. bis 30.06. ausgesetzt wird – dadurch ergibt sich in der Durchschnittsberechnung der Satz 2,1 Prozent.
Und ab Juli?
Der automatische Faktor von 4,2 Prozent. Es ist ähnlich wie bei Beamten ein Durschnitts-Durchrechnungsmodell.
Kritiker sprechen bei der Kammerumlage 1 und 2 von Zwangsmitgliedsbeiträgen. Die Neos plädieren dafür, jedenfalls die Kammerumlage 2, die man für Mitarbeiter zu entrichten hat, abzuschaffen. Können Sie dem etwas abgewinnen?
Nein, kann ich nicht. Die Neos wollen uns gänzlich abschaffen. Das Modell ist: Entziehen wir der Wirtschaftskammer Gestaltungsspielraum, indem wir Ressourcen wegnehmen. Die WKO braucht die Ressourcen aber, weil wir vielfältige Aufgaben haben – zum Beispiel im Bildungsbereich. Die Wifis gehören zu uns, wir haben weite Teile der Lehrlingsausbildung, -koordinierung und Qualitätssicherung übernommen.
Zum Schluss: Stimmt es, dass die Funktionsentschädigungen für das WKO-Präsidium oder ihre Spartenobleute um bis zu 55 Prozent im Vergleich zu 1994 erhöht wurden?
Tatsächlich gab es seit den 1990er-Jahren eine Systematik, wie dieses Entschädigungssystem für die Funktionäre aussieht. Das war damals grob angelehnt an die Politikergehaltspyramide auf Bund- und Landesebene. Die gesetzlichen Höchstsätze für mich, die Arbeiterkammerpräsidentin oder die Präsidenten auf Landesebene sind gesetzlich festgelegt. Die jeweiligen Systematiken darunter müssen in Selbstverwaltung die Organisationen selbst bestimmen. Dieses System war zu reformieren, und die Grüne Wirtschaft und andere haben das vor ein paar Jahren gefordert. So etwas macht man aber nicht in einer Arbeitsperiode, sondern mit Beginn einer neuen. Es ist ganz transparent und nachvollziehbar.
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