Häupl-Nachfolge: Aus Genossen werden Gegner
Erstmals gibt es in Wien eine Kampfabstimmung um den Bürgermeistersessel, die Nachfolge von Michael Häupl wird nicht einvernehmlich geregelt.
In einer Pizzeria in Margareten wurde SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder am Montag von den Stadträtinnen Renate Brauner und Sandra Frauenberger überzeugt, gegen Wohnbaustadtrat Michael Ludwig in den Ring zu steigen. Am Mittwoch gab Schieder sein Antreten bekannt.
Es ist ein Wahlkampf, der trotz aller Beteuerungen zu Beginn wohl ein dreckiger wird. Denn die Nachfolgefrage hält die Wiener SPÖ schon seit Jahren in Atem. Auch wenn die Trennlinien unscharf sind: Im Grunde kämpfen die Innenbezirke gegen die Außenbezirke, aber auch die zwei Parteiflügel gegeneinander. Auf der einen Seite die linken Genossen, die für Rot-Grün stehen und die FPÖ ablehnen – auf der anderen die rechten Pragmatiker, die sich auch eine Öffnung zu FPÖ-Themen hin vorstellen können. Und wie überall geht es auch um Posten. Dazu sind noch einige Rechnungen offen.
Revanche
Wer den tiefen Graben zwischen den zwei Flügeln besser verstehen will, muss etwas zurückblicken. Als Werner Faymann Wohnbaustadtrat war, ritterten er und die damalige Gesundheitsstadträtin Renate Brauner um die Nachfolge Häupls. Häupl entschied sich dafür, dass er selbst der beste Nachfolger für sich sei, Faymann ging in den Bund.2016 trat Faymann nach anhaltender Kritik als Bundeskanzler zurück, zuvor wurde er am 1. Mai von einem Teil der Genossen gnadenlos ausgepfiffen. Organisiert wurden die Proteste vom "Team Haltung", bei dem unter anderem Tanja Wehsely, Schwester der damaligen Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely federführend agierte. Seitdem schwören die Getreuen Faymanns Rache. Darunter auch Christian Deutsch, der von Häupl 2014 kurz vor der Wien-Wahl als Landesgeschäftsführer durch Georg Niedermühlbichler ersetzt wurde. Er trat in den vergangenen Monaten offensiv gegen Häupl auf, und forderte dessen Rücktritt. Lange Zeit galt Sonja Wehsely als erbittertste Gegnerin Ludwigs im Kampf um den Bürgermeistersessel. Nach Querelen im Krankenanstaltenverbund trat sie heuer im April zurück. Dass nun ihr Lebensgefährte Andreas Schieder gegen Ludwig antritt, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Denn selbst in ihrem Heimatbezirk Leopoldstadt ist Wehsely für einige Genossen ein rotes Tuch. "Das große Raufen beginnt jetzt", sagt ein Roter unverblümt zum KURIER.
Schon wenige Stunden nach Bekanntwerden seines Antretens wurde Schieder auf Facebook als abgehobener Politiker charakterisiert. Weitere tiefe Schläge aus beiden Lagern dürften folgen.
Bürgermeister Häupl, der nach 23 Jahren sein Amt abgibt, will sich aus dem Zweikampf raushalten. Eine Kampfabstimmung am Parteitag sei zwar "nicht unbedingt wünschenswert, aber auch kein Beinbruch", sagte er vor kurzem. Allerdings könnten die Flügelkämpfe heftiger ausfallen, als Häupl lieb sein kann. Häupl selbst gilt als strikter Gegner von einer Öffnung hin zur FPÖ. "Andreas Schieder ist der richtige Mann, um die Angriffe von Schwarz-Blau abzuwehren", sagt Renate Brauner und lässt keinen Zweifel an ihrer Präferenz: "Schieder ist der geeignete Kandidat für Wien."
Brief an Genossen
Schieder selbst warnt in einem Brief an die Genossen folgerichtig vor Schwarz-Blau, gibt sich allerdings als Kandidat von außen, der unvoreingenommen agieren will. "Meine Hand ist an alle ausgestreckt, auch an Michael Ludwig. Ich kann mir eine Zusammenarbeit vorstellen", sagt Schieder zum KURIER. Er wolle eine inhaltliche Diskussion über die Zukunft der Stadt und der Partei. "Wenn wir diese ordentlich führen, schadet auch eine Kampfabstimmung nicht."Er spüre breite Unterstützung, gehe von einer Mehrheit aus. Ein Blick auf die nackten Zahlen zeigt allerdings anderes. Ludwig hat in den letzten Monaten gut gearbeitet und viele Unterstützer um sich scharen können (siehe Grafik).
Der Wiener Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) will sich übrigens nicht für die Nachfolge Häupls in Stellung bringen. "Ich selber kokettiere nicht (mit einer Kandidatur, Anm.)", antwortete er auf eine entsprechende Frage am Rande eines Medientermins am Mittwochabend. Schieders Kandidatur begrüßt er: "Ich unterstütze explizit, was er schreibt."
Andreas Schieder in "Wien heute"
Die Richtungsentscheidung in Wien wird von den Landesparteichefs der SPÖ mit allergrößtem Interesse verfolgt.
Kein Wunder: In rund zweieinhalb Monaten finden sowohl der Wiener Sonder-Parteitag als auch die Landtagswahl in Niederösterreich (27./28. Jänner) am selben Wochenende statt. Danach – im Februar, März und April – geht es mit den Landtagswahlen in Tirol, Kärnten und Salzburg Schlag auf Schlag.
Die Zeit drängt also, um die SPÖ inhaltlich, strukturell und personell neu aufzustellen. Die Aussage von Christian Kern, man wolle die "Partei der progressiven Mitte" sein, wird in den Ländern noch nicht als die wahlentscheidende Ansage gesehen.
Insbesondere die burgenländische SPÖ drängt darauf, das Angebot für den ländlichen Raum nach zu schärfen. Landeshauptmann Hans Niessl sagte zum KURIER: "Der erfolgreiche Weg in Wien, Graz oder Innsbruck muss fortgesetzt werden. Wir brauchen aber auch eine Strategie für den ländlichen Raum, da haben wir durchschnittlich nur 24 Prozent geschafft. Da gibt es deutlichste Luft nach oben." Angesprochen auf die Kampfabstimmung zwischen Klubchef Andreas Schieder und Wohnbaustadtrat Michael Ludwig um die Nachfolge von Michael Häupl legt sich Niessl fest: "Michael Ludwig halte ich für einen sehr geeigneten Kandidaten." Wesentlich neutraler formuliert Franz Schnabl, SPÖ-Chef in Niederösterreich: "Schieder und Ludwig sind beides sehr gute Kandidaten, sie haben beide ihre berechtigten Rollen und Unterstützer. Wir müssen als Partei den Spagat schaffen. Es gibt in der SPÖ kein Entweder-oder, sondern nur das Sowohl-als-auch."
Ähnlich ausgewogen zwischen den Anliegen des linken und rechten Parteiflügels kommentiert Peter Kaiser, Landeshauptmann in Kärnten, die Debatte. Kaiser zum KURIER: "Beide, Schieder und Ludwig, sind eine ausgezeichnete Wahl. Es ist eine Auszeichnung für eine Landesorganisation, zwei so gute Kandidaten anbieten zu können. Das schaffen nicht alle."
Was die Landtagswahlen angeht, glaubt Kaiser, könne deren Ausgang die Bundes-SPÖ ohnehin nicht mehr beeinflussen – sie seien im Großen und Ganzen gelaufen. Kaiser: "Die erste wirkliche Nagelprobe, ob wir in der Opposition angekommen sind, wird die EU-Wahl 2019 sein."
Stimmt die These, bleibt tatsächlich bis zum Reformparteitag im Oktober 2018 Zeit, um die SPÖ im Bund neu aufzustellen. Schnabl ist optimistisch, mit der SPÖ-NÖ-Positionierung als umfassende Sicherheitspartei, seine Wahlziele zu erreichen: Die Marke von 21 Prozent aus dem Jahr 2013 überspringen und die Absolute der Volkspartei brechen.
(Michael Bachner)
Kommentare