Faktencheck zu Arbeitslosengeld: "Gute Beratung effizienter als reduzierte Leistungen"

(Symbolbild)
Experten bezweifeln, dass eine Reform des Arbeitslosengelds allein die Immobilität am Arbeitsmarkt behebt.

127 Tage – also mehr als vier Monate – ist ein Arbeitsloser hierzulande im Schnitt ohne Job. Das Problem: Im Osten gibt es viele Arbeitslose, im Westen verhältnismäßig viele offene Stellen.

Das Verhältnis geht freilich nicht ganz auf – denn nicht jeder Arbeitslose aus dem Osten kann einen Job im Westen machen.Die Regierung versucht nun dennoch, Arbeitssuchende zu mehr Mobilität zu bringen – und setzt dafür ein finanzielles „Druckmittel“ ein.

Derzeit ist die Situation so: Die Höhe des Arbeitslosengeldes berechnet sich aus einem Grundbetrag, der 55 Prozent des früheren Netto-Einkommens ausmacht, und Ergänzungsbeiträgen. Gedeckelt ist der Grundbetrag bei rund 1440 Euro. Das Arbeitslosengeld wird meist für 20 Wochen genehmigt. Als „Langzeitarbeitsloser“ gilt man ab zwölf Monaten – das trifft auf rund 48.000 der 344.921 Joblosen zu.

"Einfluss nicht überschätzen"

Jedoch: Ökonomen bezweifeln, dass (wie nun von der Regierung geplante) Geldanreize das Problem am Arbeitsmarkt überhaupt lösen können. Schließlich plant Türkis-Blau ja, im Laufe der Arbeitslosigkeit immer weniger Arbeitslose zu überweisen. Helmut Mahringer vom Institut für Wirtschaftsforschung etwa sagt: „Der Einfluss monetärer Anreize auf den Verbleib in Arbeitslosigkeit sollte nicht überschätzt werden. Wir sehen in Studien, dass intensivere Beratung Arbeitslose effektiver in Beschäftigung zurückbringt als reduzierte Leistungen.“ Geld-Anreize treten dann in den Hintergrund.

Als Argument dient ihm eine Wifo-Analyse. Diese zeigt: Wer nur 39 Wochen Arbeitslose bezieht, findet nicht schneller einen Job als jene, die ein Jahr lang Arbeitslosengeld bekommen.

Helmut Hofer, Ökonom vom Institut für Höhere Studien (IHS), sieht das ähnlich: „Das Problem sind nicht nur Arbeits-Anreize.“ Und selbst wenn dies so wäre: Erst vor kurzem wurde etwa in Schweden erforscht, dass Anreize am Anfang des Bezuges am stärksten wirken. Hofer, der wie Türkis-Blau die Notstandshilfe kritisch sieht, fordert angesichts dieser Unklarheit in punkto Arbeitsanreizen vor allem mehr Bildung und Weiterbildung – schließlich hat jeder zweite Arbeitslose lediglich einen Pflichtschulabschluss. Es gäbe Studien, so Hofer, die mehr Personal für Arbeitsämter für mehr Effektivität nahelegen – was explizit nicht von Türkis-Blau geplant ist.

Eine andere Schraube, an der die Regierung bald drehen könnte, sind die sogenannten Zumutbarkeitsbestimmungen. In Deutschland muss man laut Hofer fast jeden freien Job als Arbeitsloser annehmen – in Österreich darf ein Job indes nicht weiter als zwei Stunden vom Meldeort entfernt und soll zudem aus der angestammten Branche sein. Hofer: „in anderen EU-Ländern herrschen hierbei strengere Regeln als bei uns.“

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