Grüne Selbstfindung: Wo ein Willi, da ein Weg?

Grüner Masseverwalter im Bund: Werner Kogler.
Partei sucht Rezept: Georg Willi geht morgen in die Bürgermeister-Stichwahl - für junge Grüne ein Vorbild für die Neuaufstellung.

„Raus aus dem Sesselkreis, machen wir endlich etwas“, lautet das Motto junger Grün-Politiker, die heute Samstag beim Grünen-Treffen „Zukunft gestalten“ in Linz zu einem „Next Generation Lab“ zusammenschließen. Sie sind jünger als die Partei, geboren nach 1982, und wollen der gebeutelten Bewegung ein Update verpassen – organisatorisch, inhaltlich und im Auftritt.

Denn eines ist klar: Für die Grünen geht es ums blanke Überleben. In Salzburg und Tirol haben sie gerade noch die Kurve gekriegt, sind weiterhin in den Landesregierungen. Auf Bundesebene fehlt aber das gemeinsame Konzept, und vielen geht die grüne Selbstfindung zu langsam.

Nach der Pleite bei der Nationalratswahl im Oktober sieht offenbar auch Bundessprecher Werner Kogler zu viele Bremser bei den Grünen. Zum KURIER sagt er unverblümt: „Die Mitglieder, die sogenannte Basis, wollen wesentlich mehr Reformgeschwindigkeit als eine gewisse mittlere Funktionärsschicht.“

Schwung in die Debatte brachte kürzlich der Wahlsieg von Georg Willi, der an diesem Sonntag in die Bürgermeister-Stichwahl geht. Während sich die Grünen bei der Salzburg-Wahl halbierten, holte der Grünen-Veteran Willi zeitgleich in Innsbruck starke 30,9 Prozent. Seine „Realo“-Aussage kurz vor dem ersten Wahltag, dass die Menschen einfach mehr interessiere, wie man sich eine Wohnung leisten kann als das Binnen-I oder die Homo-Ehe, hat die gesamte Funktionärskaste erregt.

Grüne Selbstfindung: Wo ein Willi, da ein Weg?

Bürgermeister-Duell Oppitz-Plörer gegen Willi.

Orientierung am Willi-Weg

„Von Willi können wir uns definitiv etwas abschauen. Er ist zugänglich, bodenständig, an der Lebensrealität der Menschen ganz nah dran“, sagt Stephanie Jicha (28), die neue grüne Landtagsvizepräsidentin in Tirol. „Wir müssen intern auch andere Meinungen gelten lassen“, formuliert es der Salzburger Noch-Landtagsabgeordnete Simon Heilig-Hofbauer (30). Die Grünen sollten ihren Grundwerten treu sein, gleichzeitig auch mit dem bürgerlichen Lager gesprächsbereit bleiben.

Heilig-Hofbauer stimmt dem hemdsärmeligen Willi zu: „Die Frage ist: Was stellen wir in die Auslage? Wir sind immer wieder mit Randthemen in den Vordergrund getreten.“ David Stögmüller (31), einer von zwei verbliebenen Grün-Bundesräten, sagt: „Wir müssen die großen Themen bespielen, dürfen aber die kleinen nicht aus den Augen lassen.“

Dann gibt es noch jene, die mit dem Binnen-I-Sager nichts anfangen können. Gegen eine Gewichtung verwehrt sich etwa Bundesrätin Ewa Dziedzic (37). „Menschenrechte betreffen uns alle, Frauenrechte immerhin 52 Prozent der Österreicher. Das sind doch keine Orchideenthemen.“ Auch die steirische Landtagsabgeordnete Lara Köck (28) lässt Unverständnis durchklingen: „Es hat genauso seine Berechtigung, darüber reden, wie Gleichberechtigung real werden kann.“

Analyse des Debakels

Der 65-jährige Ex-Nationalratsabgeordnete Harald Walser aus Vorarlberg versucht den Brückenschlag: „Wir haben uns in Diskussionen verstrickt, die von den Leuten nicht mehr verstanden worden sind, das brachte Georg Willi kürzlich richtig zum Ausdruck. Natürlich ist zum Beispiel die Genderfrage wesentlich, aber wenn man nur noch damit in Verbindung gebracht wird, ist das ein Problem."

Die Debatte, was ins politische Schaufenster der Grünen gehört, scheint aber noch lange nicht gelöst. Bundessprecher Kogler, der als Masseverwalter der Partei durch die Lande tingelt, sagt jedenfalls, er habe immer für „einen breiten verständlichen Ausdrucksstil“ geworben, für mehr grüne Wirtshaus- und nicht nur Hörsaalbesuche.

Auch die Ex-Nationalratsabgeordnete Berivan Aslan argumentiert in diese Richtung. Grüne Positionen sollten nicht sanfter und stumpfer werden, aber verständlicher. Im Rückblick auf die Nationalratswahl sagt Aslan: "Wir haben in vielen sozialpolitischen Themen eine kantige Position, aber in der Wahrnehmung gelten wir nicht als die Sozialen, sondern das wird der SPÖ oder zuletzt auch der FPÖ zugerechnet. Unsere Inhalte waren gut, aber die Sprache war nicht die richtige."

Grüne Selbstfindung: Wo ein Willi, da ein Weg?

Kogler: Basis ist oft weiter als Funktionäre. 

Politik anders erzählen

Die Vorarlbergerin Nina Tomaselli (33) findet Willis Wortwahl zwar auch nicht glücklich, interpretiert sie aber so: „Bei grüner Politik geht es um den unmittelbaren Lebensbereich, darum sind wir auch auf kommunaler Ebene erfolgreicher als in den Ländern und im Bund.“ Man müsse statt Geboten und Verboten wieder positive Narrative bieten: „Diesel-Verbot klingt sehr unsexy. Lebenswerte Städte mit sauberer Luft will dagegen jeder.“

Tomaselli ist mit Peter Kraus, Gemeinderat in Wien, federführend beim „Next Generation Lab“. Mit Startschuss am Samstag in Linz soll das grüne Labor neue Köpfe für die Partei aktivieren. Die grünen Werte müssten auf die Höhe der Zeit gebracht werden, sagt Kraus. „Das Grundsatzprogramm ist 17 Jahre alt und wurde nie hinterfragt. Inhaltlich und personell hat man es leider verpasst, die nächste Generation hereinzuholen.“ Auch das Verbotsimage müsse man abstreifen, betont der 31-Jährige: „Wenn nur noch die Moral übrigbleibt, sind wir keine politische Partei mehr, sondern eine Religion.“

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