Am grünen Bundeskongress in Graz, bei dem am Wochenende Lena Schilling zur EU-Spitzenkandidatin gekürt worden ist, waren die Neuwahlgerüchte kein Thema - auch nicht am Rande. Rund um die Welser Präsentation des Österreichplans der ÖVP durch Kanzler Karl Nehammer Ende Jänner seien vorgezogene Neuwahlen zwar wie ein Elefant im Raum gestanden, aber auf parlamentarischer Ebene nie direkt angesprochen worden, heißt es aus dem Umfeld der grünen Klubobfrau Sigrid Maurer. "Aber uns ist damals im Vorfeld der Rede immer versichert worden, dass in dem Plan nichts steht, was die Koalition platzen lassen könnte", sagt ein grüner Funktionär.
Grüne Wünsche mit politischer Sprengkraft
Dabei soll es gegen Ende des Vorjahres auch Ambitionen von grünen Spitzen gegeben haben, die für Neuwahlen genug politische Sprengkraft gehabt hätten. Da wird vor allem Klubobfrau Sigrid Maurer rund um die Budgeterstellung zugeschrieben, dass sie das Klimaschutzgesetz zum Knackpunkt für die türkis-grüne Koalition machen wollte. Das soll aber abgewendet worden sein. Und da gab es bei den Finanzen zusätzliche Forderungen von Justizministerin Alma Zadic, die ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner nicht mehr erfüllen wollte. Das wurde gelöst, indem von den Grünen Vizekanzler Werner Kogler und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler aus ihrem Bereich Gelder für die Justiz freigemacht haben.
Dabei wäre gerade die Budgeterstellung ein mögliches Fenster für vorgezogene Neuwahlen gewesen. Doch das hat man verstreichen lassen. Dennoch wurden über Weihnachten aus ÖVP-Kreisen gezielt in bestimmten Medien Überlegungen für Neuwahlen lanciert. Die Überlegungen sollen vielfältig gewesen sein: Man wollte verhindern, dass sich ein negatives Ergebnis bei den EU-Wahlen im Juni auf die Nationalratswahl auswirkt, dass in der türkis-grünen Regierung vielleicht nichts mehr weitergeht oder nur noch grüne Projekte auf die Tagesordnung des Ministerrats gepresst werden.
Aber auch, dass der SPÖ weniger Zeit bleibt, um unter Andreas Babler in die Gänge zu kommen, und nicht zuletzt, dass solche Neuwahlen Kanzler Karl Nehammer und der ÖVP einen Schub geben könnten. In die Diskussion geworfen wurde sogar eine Zusammenlegung von EU- und Nationalratswahl im Juni.
Neuwahl-Gerüchte aus dem Sebastian-Kurz-Umfeld?
Bei den Grünen ist man teilweise überzeugt davon, dass die Neuwahl-Gerüchte aus dem Umfeld des ehemaligen Kanzlers Sebastian Kurz stammen. Eine zusätzliche Motivation soll da eine Art Retourkutsche dafür gewesen sein, dass die Grünen 2021 für seinen Rückzug aus dem Kanzleramt und der Politik entscheidend gewesen waren. Damit die Neuwahlgerüchte auch die entsprechende politische Erzählung erhalten, wurde die Kanzlerrede mit der Präsentation des Österreichplans am 26. Jänner als möglicher Anlass für einen Absprung aus der Regierung ins Rennen geworfen.
Der Haken daran: Kanzler Karl Nehammer konnte von diesen Plänen nie wirklich überzeugt werden. Es sprach immer von seinem Plan, erst im September regulär zu wählen. Da nutzte auch das Drängen von einigen türkisen Landeshauptleuten nichts. Als die Diskussion über mögliche Neuwahlen Ende Jänner dem Höhepunkt zusteuerte, wurde die Zurückhaltung von Nehammer immer damit erklärt, dass es zwischen ihm und Vizekanzler Werner Kogler eine Art Vereinbarung gebe, dass man die türkis-grüne Regierung nur gemeinsam auflösen würde, falls man es für sinnvoll hält.
Von so einer Vereinbarung weiß man im Umfeld von Werner Kogler nichts. Er selbst erklärte auch, dass es dazu keinen Handschlag gebe. Aber: Die Kommunikation zwischen ihm und Karl Nehammer sei so offen und ehrlich, dass es keinen Alleingang mit politischen Scherben geben würde. So heißt es aus dem Büro des Vizekanzlers. In der ÖVP dürften sich mittlerweile aller dieser Vorgangsweise gefügt haben. Von möglichen vorgezogenen Neuwahlen wird seit der Kanzlerrede am 26. Jänner nicht mehr gesprochen. Und in wenigen Tagen wird so ein Schritt auch nicht mehr möglich sein.
Kommentare