Grüne Kritik an Sarah Wieners EU-Kandidatur

Gegenwind für TV-Köchin Sarah Wiener.
Martin Margulies, dritter Landtagspräsident in Wien, stellt ihre Schwerpunktsetzung infrage.

Aufmerksamkeit erregten die Grünen am Wochenende definitiv als sie die Kandidatur von Sarah Wiener für die EU-Wahl verkündeten. Die in Deutschland lebende 56-jährige Österreicherin, die in Berlin drei Restaurants und ein Catering-Unternehmen betreibt, einige Kochbücher veröffentlichte und als Fernsehköchin bekannt ist, tritt hinter Spitzenkandidat Werner Kogler auf dem zweiten Listenplatz an. Unumstritten ist die Entscheidung des grünen Bundesvorstands aber keineswegs.

So macht etwa Martin Margulies, grünes Urgestein und dritter Landtagspräsident in Wien, auf Facebook keinen Hehl aus seiner Enttäuschung. Er sei mit der Kandidatenbestellung "nicht glücklich", schreibt er. Sei die von Wiener propagierte Ernährungswende doch "nicht unwichtig, aber keinesfalls prioritär".

Sarah Wieners bewegte Karriere im Rückblick

Grüne Kritik an Sarah Wieners EU-Kandidatur

Halle, Wien, Berlin

Sarah Wiener wird 1962 als Tochter der Künstlerin Lore Heuermann und des Schriftstellers und Kybernetikers Oswald Wiener in Halle geboren. Sie wächst bei ihrer Mutter in Wien auf, bricht im Alter von 17 Jahren ihre Schulausbildung ab und arbeitet sich mit Gelegenheitsjobs quer durch Europa. Mit 24 bekommt sie Sohn Artur und lässt sich in Berlin nieder.

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Das berühmte "Exil" in Kreuzberg

Sie arbeitet zunächst im berühmten Restaurant "Exil" in Berlin-Kreuzberg, das ihrem Vater Oswald gehörte und prominente Künstler wie David Bowie, Max Frisch, Rainer Werner Fassbinder und Jack Nicholson zu seinen Gästen zählte.Wenig später macht sich Wiener mit einem Catering-Unternehmen für Filmcrews selbstständig.

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Erste Restaurants

1999 eröffnet sie ihr erstes eigenes Restaurant in Berlin-Mitte, "Das Speisezimmer". Schon 2001 folgt dann das "Mutter und Schraube" im Deutschen Technikmuseum. Weitere zwei Jahre später eröffnet das "Sarah Wiener im Hamburger Bahnhof".

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Sarah Wiener GmbH

Die Marke "Sarah Wiener" beginnt Gestalt anzunehmen, als die Star-Köchin 2004 die Sarah Wiener GmbH gründet. Heute hat die Gruppe ihren Sitz sowohl in Berlin als auch in Hamburg und betreibt die drei Restaurants sowie einen den Event-Catering-Service. Im selben Jahr eröffnet in Berlin auch die Bäckerei "Wiener Brot", die sich auf die Herstellung von naturbelassenem Sauerteigbrot konzentriert.

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Kulinarik auf dem Bildschirm

2007 nimmt auch ihre Fernseh-Karriere richtig Fahrt auf - für den Beginn der "kulinarischen Abenteuer der Sarah Wiener" reist die Österreicherin zunächst durch Frankreich, später auch durch Italien, Deutschland, Österreich, die Schweiz und Großbritannien.

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Peter Lohmayer

2008 heiratet Wiener den deutschen Schauspieler Peter Lohmayer, sechs Jahre später lässt sich das Paar wieder scheiden.

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Ritter-Orden

2013 wird sie vom französischen Botschafter Maurice Gourdault-Montagne mit dem "Ordre national du Mérite" ausgezeichnet, dem nationalen Verdienstorden Frankreichs.

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Wiener und Kurz

Eine weitere Auszeichnung erhielt sie 2017 von Bundeskanzler Sebastian Kurz (damals noch Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres), der sie zur "Gut zu wissen"-Botschafterin ernannte.

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Europawahl 2019

Jetzt will sie sich die Selfmade-Unternehmerin und Star-Köchin aktiv in der Politik engagieren: Wiener tritt bei der Europawahl 2019 für die Grünen an, um sich für nachhaltige Landwirtschaft, gesunde Ernährung und Biodiversität einzusetzen.

"Weniger Show, mehr Inhalt"

Viel wichtiger für den Erfolg der Grünen wäre gewesen, "den Schwerpunkt anders zu setzen" - und zwar mit "weniger Show und mehr Inhalt".

Für Margulies wäre Wieners Kandidatur dann ein kluger Schachzug gewesen, wenn die Grünen bei der Europawahl mit fünf oder sechs Mandaten rechnen hätten dürfen. Dann hätte Wieners Credo "Die Zeit ist reif für eine Ernährungswende" die gesetzten Schwerpunkte gut ergänzt. Doch leider befinde man sich nicht in dieser Situation - "im gegenteil. Ein Mandat: ja, zwei mit tollem Wahlkampf und Engagement, für drei benötigen wir ein Wunder".

Die Grünen müssten daher auf wichtigere Themen setzen, meint Margulies - auf Herausforderungen wie die "Entsolidarisierung der Ärmsten, Natiolnalismus und Rassismus, Demokratieabbau und Einschränkung der Pressefreiheit, Umverteilung von arm zu reich und nicht zuletzt den Versuch, Frauenrechte zu stutzen (Abtreibungsdiskussion), Asyl- und Menschenrechte auszuhebeln, dies alles bei gleichzeitiger Verschärfung des Strafrechts". Dazu kämen "die allgegenwärtigen Gefahren, die vom Klimawandel und der zugrundeliegenden Erderwärmung ausgehen".

Andere Kandidaten besser geeignet?

Geeignet für diese Aufgabe wären nach Margulies Ansicht eher Ulrike Lunacek, Michel Reimon, Monika Vana und Thomas Waitz, die das bereits auf europäischer Ebene "glaubwürdig, kompetent und engagiert" getan hätten. Zumal die Grünen genau mit diesen Kandidaten das bis dato beste bundesweite Ergebnis erzielt hätten. "Warum der Bundesvorstand nun glaubt, alle vier austauschen zu müssen, bleibt mir ein Rätsel", schreibt der dritte Landtagspräsident.

Sarah Wiener verdrängt mit ihrer Kandidatur eine Wiener Kandidaten von der EU-Liste. Die scheidende Frontfrau Maria Vassilakou will ihr Antreten bzw. die Listenerstellung dennoch nicht kommentieren.

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