Große Hürden am Weg zum Pakt Kurz-Strache

Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache
Europa, Budget, direkte Demokratie und Kammer-Pflichtmitgliedschaft bergen Konfliktpotenzial.

"Veränderung" lautet das neue Zauberwort. Unter "Veränderung" kann jedoch viel verstanden werden.

"Veränderung sind zwei Seiten einer Medaille – das, was wir den Österreichern versprochen haben, und das, was wir unserer Identität schuldig sind", sagt FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl.

Zwischen ÖVP und FPÖ gibt es in vielen Bereichen zwar große Schnittmengen, aber auch programmiertes Konfliktpotenzial.

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Pro-Europa Sebastian Kurz pocht gebetsmühlenartig auf die nötige pro-europäische Haltung seines künftigen Koalitionspartners. Der ÖVP-Chef hat dabei vor allem Österreichs EU-Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2018 im Blick.

Im Allgemeinen verstehen sich die Freiheitlichen als österreichische Patrioten und kritische Pro-Europäer. Im Detail ecken sie immer wieder an: Die Blauen wollen beispielsweise nicht über ihre Mitgliedschaft in der Rechtsaußen-Fraktion im EU-Parlament (zusammen mit dem Front National von Le Pen) reden. Diverse Äußerungen in der Vergangenheit, die die EU-Mitgliedschaft ("Öxit") bzw. die Mitgliedschaft beim Euro in Frage gestellt haben, wurden bis heute nicht so unmissverständlich zurück genommen, wie sich das viele in der ÖVP wünschen.

Oder: Im Wahlkampf forderte FPÖ-Chef Strache noch einen Beitritt Österreichs zur sehr EU-kritischen Visegrad-Gruppe (Tschechien, Slowakei, Ungarn Polen). Sebastian Kurz schloss das aus, er will sich Richtung Deutschland und Frankreich orientieren. Diese beiden Länder haben eine Vertiefung der Eurozone vor, die auf eine weitere Einschränkung von Souveränitätsrechten hinaus laufen könnte. Die FPÖ spricht hingegen lieber über eine Rückverlagerung von Kompetenzen nach Österreich.

Budget Auf den ersten Blick ähneln sich die Steuer- und Wirtschaftsprogramme von ÖVP und FPÖ. Doch der Verhandlungs-Teufel steckt im Detail. Laut WIFO-Chef Christoph Badelt muss in der jetzigen Hochkonjunktur jede Reform gegenfinanziert werden, um Spielraum für schlechtere Zeiten und Zukunftsinvestitionen (v.a. Bildung) zu schaffen.

Rein von der guten Konjunktur her, wäre der Rückwind für Schwarz-Blau stark und ein Nulldefizit schon 2019/’20 möglich. Doch die FPÖ ist traditionell weitaus geringer der Budgetkonsolidierung verpflichtet, sprich ausgabenfreudiger als die Volkspartei. Das zeigten beispielsweise die rot-blauen Beschlüsse drei Tage vor der Wahl (z.B. Reform der Notstandshilfe).

Das zeigen auch kostspieligere Wahlkampfversprechen Straches (z.B. 1200 Euro Mindestpension nach 40 Versicherungsjahren).

Richtig spannend wird es, wo Schwarz-Blau tatsächlich den Sparstift ansetzen wird, um die Entlastungspläne von bis zu 14 Milliarden Euro zu stemmen. Während die Kurz-ÖVP bisher eher vage blieb (Wachstum fördern, Ausgaben bremsen, mehr Effizienz im Sozialsystem) fordert die FPÖ beispielsweise schon konkret Einsparungen in Höhe von 3,8 Milliarden Euro bei den Sozialausgaben.

Direkte Demokratie Die FPÖ will die österreichische Verfassung in Richtung Schweizer Modell umbauen. Sie will statt des Parlaments mehr Volksentscheide. Kurz hat ein ähnliches Modell im Wahlprogramm: Volksbegehren, die von vier Prozent (FPÖ) oder zehn Prozent (Kurz) der Wahlberechtigten unterstützt sind, sollen zu einer Volksabstimmung führen.

Die Problematik solcher Volksabstimmungen in aufgeheizter Stimmung und mit schrillen Boulevardblättern hat sich beim Brexit gezeigt. In der ÖVP gibt es massive Bedenken gegen ein plebiszitäres Modell.

Kammer-Mitgliedschaft Die FPÖ will die Pflichtmitgliedschaft in Kammern abschaffen und Sozialversicherungen, die von Kammern und Gewerkschaft verwaltet werden, zusammenlegen. ÖVP-interne Konflikte sind programmiert.

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