VfGH-Chef zeigt Verständnis für Fehler bei Corona-Verordnungen

VfGH-Chef zeigt Verständnis für Fehler bei Corona-Verordnungen
Christoph Grabenwarter verweist auf Corona-Ausnahmesituation. Drastische Einschränkungen bei entsprechender rechtlicher Absicherung auch künftig möglich.

Wenn es die epidemiologischen Voraussetzungen rechtfertigen und es der Gesetzgeber entscheidet, müssten wir mit neuerlichen drastischen Einschränkungen rechnen. Das sagte der Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), Christoph Grabenwarter, in der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast" zur Frage künftiger Corona-Maßnahmen. Freilich: das Recht sich frei zu bewegen, sei "eine Grundbedingung der Autonomie des einzelnen Menschen, und das ist eine Kernaussage, die man nicht oft genug betonen kann".

Grabenwarter erinnerte auch an die zentralen Punkte des VfGH-Erkenntnisses, mit dem Verordnungen über Betretungsverbote aufgehoben worden waren: Klargestellt sei worden, dass das zugrundeliegende Gesetz nicht zu einer allgemeinen Ausgangssperre mit Ausnahmen ermächtigt. Ein Ausgangsverbot müsse "sachlich, räumlich, zeitlich differenziert" sein und bedürfe "ganz besonderer Umstände".

Fehler "nicht überraschend"

Befragt zur Gesamtperformance der Bundesregierung und insbesondere des teils heftig in der Kritik gestandenen Gesundheitsministeriums in Sachen Corona, zeigte sich der VfGH-Präsident verständnisvoll: Die üblichen Verfahrensschritte (Begutachtung mit Stellungnahmerechten von Beteiligten) hätten eben nicht eingehalten werden können, weil man aus guten Gründen rasch bestimmte Akte gesetzt habe. Dass es hier vermehrt zu Fehlern kam, sei "nicht überraschend". Überdies seien die Regierung bzw. Gesundheitsminister Rudolf Anschober erst kurz im Amt gewesen.

Er fügte aber hinzu: "Ein Gesundheitsministerium sollte ausreichenden juristischen Sachverstand haben, um Verordnungen auch unter Zeitdruck erlassen zu können." Da gehe es um wesentliche Dinge, wie Gesundheit und Schutz des Lebens - da sollte nicht gespart werden.

Über "juristische Spitzfindigkeiten"

Zur ebenfalls viel kritisierten Aussage von Bundeskanzler Kurz über "juristische Spitzfindigkeiten", mit der Kurz Einwände gegen die Corona-Maßnahmen relativiert hatte, meinte Grabenwarter: Da sei ein Politiker wohl unter Druck gestanden, das würde er heute vermutlich nicht mehr so sagen.

Dass diese Pandemie eine "Zumutung für die Demokratie" sei, wie es die deutsche Kanzlerin Angela Merkel formuliert hatte, sieht Grabenwarter auch: weil sie Dinge gebracht habe, die für die nach dem Krieg Geborenen völlig neu waren, wie etwa die Verschiebung von Kommunalwahlen. Geichzeitig habe man gesehen, wie wichtig der Staat ist - gesundheits-, aber auch sozialpolitisch: ein Staat, der den Ausgleich schaffe - und auch Solidarität stifte.

Corona-Ampel sinnvoll

Zur Corona-Ampel äußerte sich der Präsident des Höchstgerichts positiv. Es sei wie im Straßenverkehr: es gehe darum, den Menschen rasch zu signalisieren, was zu tun ist. Ob es aber zumutbar sei, sich - anders als bei der Straßenverkehrsordnung - wöchentlich neu upzudaten und auszurichten? Das müsse es wohl sein, meinte Grabenwarter - und: es gebe ja genügende Möglichkeiten, sich zu informieren.

Generell sieht Grabenwarter Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Österreich gut geschützt. Entwicklungen, wie sie in Ungarn oder Polen immer wieder kritisiert werden, befürchtet er nicht. Der VfGH habe bewiesen, dass er Angriffen auf die Eckpfeiler unserer politischen Ordnung einen Riegel vorschiebt.

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