"Gibt auch keine Obergrenze bei einer Grippewelle"
Die Wiener SPÖ lehnt die beim Asylgipfel fixierten Richterwerte bzw. Obergrenzen grundsätzlich ab (siehe unten). Nachdem sich Mittwochabend bereits die Stadträtinnen Sonja Wehsely und Renate Brauner negativ geäußert hatten, legte Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler am Donnerstag nach. "Was tun wir, wenn im Mai der 37.501. Flüchtling in Spielfeld steht? Obergrenzen lösen das Problem nicht", sagte Niedermühlbichler zum KURIER. "Ich kann auch keine Obergrenzen für Grippewellen fordern und Menschen dann nicht mehr behandeln." Daher stehe im Regierungsübereinkommen auch keine Obergrenze sondern Zielvorgaben. "Der Wiener Bürgermeister hat auch klar gesagt, dass jede Maßnahme rechtskonform sein muss."
Stattdessen müsse die Belastung klar auf Europa aufgeteilt werden. "Da ist auch Außenminister Sebastian Kurz säumig. Deutschland etwa hat ein Abkommen mit Marokko, dass diese Menschen bei negativem Asylbescheid wieder aufzunehmen sind. Wir haben so ein Abkommen nicht. Anstatt in New York einen Topfen zu erzählen soll er sich darum kümmern." Das Mindeste sei, mit dem deutschen Außenminister zu reden, wie er zu dem Abkommen kam. Die letzten Monate seien bei der Flüchtlingsunterbringungen teilweise chaotisch abgelaufen. "Die Innenministerin hat einen großen Teil zu dieser Situation beigetragen. Sie soll sich daher nicht in den Dienst der FPÖ stellen, nur um von der eigenen Inkompetenz abzulenken." Die Obergrenze sei nur eine Beruhigungspille für die Bevölkerung, die sie aber sowieso nicht glaubt. "Damit hat sie nicht einmal einen Placeboeffekt."
Europäische Lösung
Niedermühlbichler ist für eine europäische Lösung. "Ich will einen Flüchtlingsfonds, der jene Länder finanziell unterstützt, die Flüchlinge aufnehmen. Das würde auch dazu führen, dass Länder, die jetzt keine Flüchtlinge aufnehmen, dann welche versorgen. Denn die wollen sich das Geld holen." Man müsse die Flüchtlinge auch als Chance sehen, die überaltete Gesellschaft in Europa zu stärken. "Natürlich muss man diesen Menschen auch unsere Regeln erklären. Etwa wie man bei uns mit Frauen und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften umgeht."
Auch die anderen Bundesländer seien gefordert, schließlich übererfülle Wien die Quote. "Es ärgert mich, wenn Salzburgs Landeshauptmann Hauslauer sagt, es sind zuviele. Salzburg hat trotz einer grünen zuständigen Landsrätin die Quote nie erfüllt."
Die SPÖ streitet wieder. Die Ergebnisse des Asyl-Gipfels von Regierung, Ländern und Gemeinden sind bei einigen in der SPÖ nicht gut angekommen. Vor allem aus Wien kommen starke Proteste gegen die vereinbarte Flüchtlingsobergrenze. Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) hat auf Facebook heftige Kritik geübt und gemeint, dass Verschärfungen gegen Asylwerber "nicht der Weg der SPÖ sein können".
Insgesamt sei der Asylgipfel "ein Treffen der vergebenen Chancen, die Herausforderungen besser zu lösen, gewesen". Wien werde trotzdem "auch weiterhin einen menschenwürdigen und verfassungskonformen Weg gehen", so die Stadträtin.
Kritik an Mikl-Leitner
Kritik übt sie vor allem an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner: "Ich schlage vor, dass jene - wie die Innenministerin, die dem ausgewichen ist - hier Zahlen nennen und den zweiten Teil des Satzes, der nach dem Beistrich kommt, auch aussprechen. Denn was ist mit dem 37.501. Menschen, der an der Grenze steht?", so Wehsely.
Wiens Finanzstadträtin Renate Brauner meldete sich via Twitter zu Wort und stellte klar, dass die Landespartei die Obergrenze nicht nur für falsch, sondern auch für rechtswidrig halte.
ÖBB-Chef Kern drängt auf Integration
ÖBB-Chef Christian Kern drängte auf verstärkte Bemühungen zur Integration der Flüchtlinge. Es müsse die Frage beantwortet werden, wie man die Ankommenden ausbilde, ins Sozial-und Gesundheitssystem integriere und wie sie die Sprache lernen könnten.
"Wenn es uns nicht gelingt, Antworten zu finden, dann werden wir am Ende gar nichts erreicht haben", sagte Kern.
Fischer bekundet Verständnis
Hingegen zeigte Bundespräsident Heinz Fischer, der sich derzeit in Tunesien aufhält, Verständnis für die Flüchtlingsobergrenze. Man müsse sehen, dass "Deutschland und Österreich an der Grenze der Belastbarkeit sind", so der Bundespräsident gegenüber Journalisten.
Die Regierung bemühe sich um ein Paket an Maßnahmen, um Flüchtlinge besser zu verteilen und zu sehen, dass "die Zahl in vertretbaren Grenzen bleibt". Das "Asyl als Menschenrecht" wolle er "natürlich nicht infrage stellen", antworte er auf die Frage eines tunesischen Journalisten: "Aber wir müssen ein Handling finden, damit es gerechter verteilt wird."
Ende Dezember betonte Fischer noch, dass das Management in Bezug auf Flüchtlinge verbessert werden sollte, anstatt über eine "ziffernmäßige Obergrenze nachzudenken".
127.500 binnen vier Jahre
2015 haben 90.000 Flüchtlinge in Österreich einen Asylantrag gestellt. 2016 dürfen es nur noch 37.500 sein - in den kommenden Jahren sollen es linear immer weniger werden (2017: 35.000; 2018: 30.000; 2019: 25.000). Bislang ist aber noch unklar, wie die "Obergrenze" (ÖVP) bzw. der "Richtwert" (SPÖ) umgesetzt werden soll. Die Frage, was passiert, wenn der 37.501. Asylantrag gestellt wird, konnte von keinem Asylgipfel-Beteiligten adäquat beantwortet werden.
Laut Verfassungsexperten ist eine Obergrenze rechtlich gesehen nicht umsetzbar (mehr dazu lesen Sie hier).
Teils spöttische Kritik müssen die Wiener SPÖ und deren Chef Michael Häupl von den Oppositionsparteien FPÖ und ÖVP einstecken. Der schwarze Landesparteiobmann Gernot Blümel fragte, ob Häupl "seine Truppe noch im Griff" hat, für die Freiheitlichen ist dieser gar "nicht mehr als ein Statist". Unterdessen drohte der grüne Mandatar Martin Margulies dem roten Regierungspartner.
ÖVP
Der Grund für die Aufregung: Nach dem Asylgipfel am gestrigen Mittwoch, dessen Ergebnisse auch Häupl mitverhandelt hatte, gab es Spekulationen über die Einigkeit der Wiener SPÖ. Blümel jedenfalls vermutet, dass bei den Roten die "Chaostage" ausgebrochen sind: "Denn während Bürgermeister Häupl Teil des gestrigen Asylgipfels war und damit auch Teil des Beschlusses ist, tanzen ihm seine Stadträtinnen Brauner, Wehsely und Frauenberger in aller Öffentlichkeit auf der Nase herum", hieß es in einer Aussendung. Es wäre notwendig, dass er die Stadträtinnen zur Räson bringe: "Endlich ist die SPÖ auf die Seite der Vernunft und die Linie der ÖVP eingeschwenkt und spricht sich gegen die Willkommensunkultur aus, schon fällt die SPÖ Wien wieder um? Gilt das Wort des Bürgermeisters oder nicht?"
Die Freiheitlichen stören sich unterdessen daran, dass die Wiener SPÖ weiter für eine "undifferenzierte Willkommenskultur" steht: "Ganz vorne in den Reihen jener, die immer noch nicht verstanden haben, dass das Maß voll ist und die Kapazitäten ausgeschöpft sind, befinden sich SPÖ-Stadträtinnen Wehsely und Brauner", kritisierte Vizebürgermeister Johann Gudenus in einer Aussendung. Häupl habe am Asylgipfel teilgenommen, sei aber "anscheinend nicht mehr als ein Statist" gewesen: "Wer die politischen Entscheidungen in Wien nun fällt, scheint klar zu sein", ortete er eine Bürgermeister'sche Machtlosigkeit. Er forderte einen Zuwanderungsstopp - konkret, "dass kein einziger der sogenannten Flüchtlinge in der Bundeshauptstadt aufgenommen wird".
Der grüne Mandatar Martin Margulies stellte dem roten Regierungspartner nach der Ergebnispräsentation des Asylgipfel via Facebook die Rute ins Fenster. "Sollte es für die Umsetzung dieser unerträglichen Ergebnisse des Asylgipfels Beschlüsse im Wiener Landtag oder Gemeinderat brauchen, so wird es diese bei aufrechter rot-grüner Koalition nicht geben", drohte er.
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