Rote Kritik an vereinbarter Flüchtlingsobergrenze

Sonja Wehsely, Wiener Stadträtin, übt Kritik an der Obergrenze.
"Unfug" und "menschenrechtsverachtend": Nicht alle in der SPÖ sind mit dem Asylgipfel-Ergebnis zufrieden.

Die SPÖ streitet wieder. Die Ergebnisse des Asyl-Gipfels von Regierung, Ländern und Gemeinden sind bei einigen in der SPÖ nicht gut angekommen. Vor allem aus Wien kommen starke Proteste gegen die vereinbarte Flüchtlingsobergrenze. Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) hat auf Facebook heftige Kritik geübt und gemeint, dass Verschärfungen gegen Asylwerber "nicht der Weg der SPÖ sein können".

Insgesamt sei der Asylgipfel "ein Treffen der vergebenen Chancen, die Herausforderungen besser zu lösen, gewesen". Wien werde trotzdem "auch weiterhin einen menschenwürdigen und verfassungskonformen Weg gehen", so die Stadträtin.

Kritik an Mikl-Leitner

Kritik übt sie vor allem an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner: "Ich schlage vor, dass jene - wie die Innenministerin, die dem ausgewichen ist - hier Zahlen nennen und den zweiten Teil des Satzes, der nach dem Beistrich kommt, auch aussprechen. Denn was ist mit dem 37.501. Menschen, der an der Grenze steht?", so Wehsely.

Wiens Finanzstadträtin Renate Brauner meldete sich via Twitter zu Wort und stellte klar, dass die Landespartei die Obergrenze nicht nur für falsch, sondern auch für rechtswidrig halte.

Obergrenze ist "Unfug"

Auch Salzburgs SPÖ-Landesparteichef Walter Steidl hat am Donnerstag gegenüber der APA die Einführung von Obergrenzen wörtlich als "Unfug" bezeichnet. "Die Realität wird uns schneller einholen, als wir uns das denken. Richtwerte sind schön und gut, aber es ist noch völlig unklar, was passiert, wenn heuer der 37.501. Flüchtling an der Grenze steht."

Wolle Österreich ein weltoffener, fortschrittlicher und souveräner Staat bleiben, seien Grenzkontrollen allerdings unumgänglich. "Wir dürfen nicht jeden Flüchtling ungeniert und unkontrolliert ins Land hereinlassen." Zugleich forderte Steidl schnellere Asylverfahren und einen europäischen Ausgleich: "Die EU muss endlich aufwachen." Daher müsse die Priorität auf Kriegsflüchtlinge nach Genfer Konvention liegen.

Jungsozialisten: "Menschenrechtsverachtend"

Heftig auf das gestrige Ergebnis haben auch die Salzburger Jungsozialisten reagiert. Wie die Jusos in einer Aussendung mitteilten, sei das Vorgehen der Regierung "verantwortungslos und menschenrechtsverachtend". Wenngleich man verstehe, dass die Lastenverteilung Europas nicht von Deutschland, Österreich und Schweden alleine geschultert werden kann, dürfe eine Begrenzung nicht die Lösung sein.

"Die SPÖ ist mehr als einfach nur umgefallen. Mit der Einführung von Obergrenzen tritt sie ihren Grundwert Solidarität aktiv mit Füßen. Im Übrigen auch die christliche ÖVP, die ja ebenso von sich behauptet, solidarisch zu sein", hieß es in der Stellungnahme.

ÖBB-Chef Kern drängt auf Integration

ÖBB-Chef Christian Kern drängte auf verstärkte Bemühungen zur Integration der Flüchtlinge. Es müsse die Frage beantwortet werden, wie man die Ankommenden ausbilde, ins Sozial-und Gesundheitssystem integriere und wie sie die Sprache lernen könnten. "Wenn es uns nicht gelingt, Antworten zu finden, dann werden wir am Ende gar nichts erreicht haben", sagte Kern.

Der in der SPÖ als Paradelinker geltende Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler forderte vor den Konferenzteilnehmern eine Rückkehr Österreichs zur aktiven Friedenspolitik, um die Fluchtursachen zu bekämpfen. Eine Obergrenze werfe die völlig falsche Fragestellung auf - "wie man das Land vor Geflüchteten schützen kann".

Fischer bekundet Verständnis

Hingegen zeigte Bundespräsident Heinz Fischer, der sich derzeit in Tunesien aufhält, Verständnis für die Flüchtlingsobergrenze. Man müsse sehen, dass "Deutschland und Österreich an der Grenze der Belastbarkeit sind", so der Bundespräsident gegenüber Journalisten.

Rote Kritik an vereinbarter Flüchtlingsobergrenze
Austrian President Heinz Fischer waves during a joint press conference with his Tunisian counterpart after a meeting at Carthage Palace in Tunis on January 20, 2016. / AFP / FETHI BELAID

Die Regierung bemühe sich um ein Paket an Maßnahmen, um Flüchtlinge besser zu verteilen und zu sehen, dass "die Zahl in vertretbaren Grenzen bleibt". Das "Asyl als Menschenrecht" wolle er "natürlich nicht infrage stellen", antworte er auf die Frage eines tunesischen Journalisten: "Aber wir müssen ein Handling finden, damit es gerechter verteilt wird."

Ende Dezember betonte Fischer noch, dass das Management in Bezug auf Flüchtlinge verbessert werden sollte, anstatt über eine "ziffernmäßige Obergrenze nachzudenken".

Rote Kritik an vereinbarter Flüchtlingsobergrenze
Tirols SP-Chef Ingo Mayr kann mit einer Obergrenze leben. Er habe zwar "keine Freude" damit, sagte er im Gespräch mit der APA am Donnerstag: "Aber diese unpopuläre Maßnahme ist notwendig, um europaweit ein Zeichen zu setzen".

127.500 binnen vier Jahre

2015 haben 90.000 Flüchtlinge in Österreich einen Asylantrag gestellt. 2016 dürfen es nur noch 37.500 sein - in den kommenden Jahren sollen es linear immer weniger werden (2017: 35.000; 2018: 30.000; 2019: 25.000). Bislang ist aber noch unklar, wie die "Obergrenze" (ÖVP) bzw. der "Richtwert" (SPÖ) umgesetzt werden soll. Die Frage, was passiert, wenn der 37.501. Asylantrag gestellt wird, konnte von keinem Asylgipfel-Beteiligten adäquat beantwortet werden.

Laut Verfassungsexperten ist eine Obergrenze rechtlich gesehen nicht umsetzbar (mehr dazu lesen Sie hier).

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