Gewessler geißelt Gaskonzerne: "98 Prozent der Gasimporte im Dezember aus Russland"

Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne)
Eine fehlende Diversifizierung führe zu hohem Russengas-Anteil bei den Importen. Energieministerin Gewessler will notfalls rechtlich dagegen vorgehen und kündigt ein Maßnahmenpaket an, um die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu senken.

Es war ein "großer Fehler mit schwerwiegenden Auswirkungen", meint Energieministerin Leonore Gewessler zu den 2018 (und bis 2040) abgeschlossenen Gaslieferverträgen mit Russland. Österreich habe sich damit in eine Abhängigkeit begeben, die "ein souveräner Staat so nicht hinnehmen" könne.

Was Gewessler so erzürnt, sind die Daten vom Dezember 2023: Demnach kamen 98 Prozent aller Gasimporte aus Russland. "Das ist ein absoluter Höchststand seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Diese Entwicklung beweist, dass die Akteure am liberalisierten Gasmarkt zu geringe Anstrengungen unternehmen, um unsere Abhängigkeit zu reduzieren", so die grüne Ministein.

Ein weiterer Grund für diese Entwicklung sei, dass in den Lieferverträgen der OMV eine fixe Abnahmeverpflichtung (Take-or-Pay) vereinbart wurde. Es müsse also jedenfalls gezahlt werden, selbst wenn kein russisches Gas abgenommen wird. Durch diese Knebelverträge komme es bei insgesamt sinkendem Gasverbrauch und gleichbleibenden Importmengen zu einem höheren Anteil an russischem Erdgas. Denn der Gasverbrauch in Österreich ist von 100,3 Terawattstunden im Jahr 2021 auf 75,6 Terawattstunden im Jahr 2023 um ein Viertel gesunken.

Gewesler will nun notfalls rechtlich dagegen vorgehen: Am Montag kündigte sie ein Maßnahmenpaket an, um die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu senken, da die hohe Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen für Österreich "ein großes wirtschaftliches und sicherheitspolitisches Risiko" darstelle: "Wir sehen aktuell ein klares Marktversagen. Es gibt genug nicht-russisches Erdgas – aber die Energieunternehmen kaufen dieses nicht. Wenn der Markt versagt, muss der Staat eingreifen. Ich bin der Überzeugung: Die Zeit für eine gesetzliche Diversifizierungspflicht ist gekommen. Und ich appelliere auch an alle Verantwortlichen im Parlament – setzen wir nun den nächsten Schritt.“

Markteilnehmer nehmen Verantwortung nicht ausreichend wahr

Die gesetzlichen Vorschläge bräuchten jedenfalls eine Verfassungsmehrheit im Parlament. "Wir halten eine rasche und umfassende Diskussion über die nächsten Schritte im Interesse der Sicherheit Österreichs für dringend notwendig und wollen die erforderlichen Grundlagen liefern", eklärt die Ministerin.

Drei konkrete Maßnahmen nennt Gewessler:

1. Diversifizierungspflicht für Gasversorger:
Energieunternehmen, die österreichische Kunden mit Erdgas versorgen, sollen durch ein refomiertes Gaswirtschaftsgesetz verpflichtet werden, den Ausfall der größten einzelnen Bezugsquelle durch andere Bezugsquellen ersetzen zu können. Das bedeutet, der Ausfall des größten Lieferanten müsse jederzeit durch andere Lieferverträge kompensiert werden können. Des Weiteren sollen die Gasversorger einen schrittweise ansteigenden Anteil an nicht-russischem Erdgas nachweisen. "Somit stellen wir sicher, dass tatsächlich immer größere Mengen an nicht-russischem Gas nach Österreich gelangen."

2. Vorbereitung eines Ausstiegs aus Russland-Verträgen
 Auch der "Knebelvertrag zwischen OMV und Gazprom", der fixe Abnahmeverpflichtungen für russisches Gas vorsieht, sei ein Grund für die hohe Abhängigkeit. Für einen Ausstieg aus russischen Gaslieferungen, wie er in Österreich und auf EU-Ebene vorgesehen ist, gelte es, alle Möglichkeiten zur Beendigung des Vertrags zu prüfen und umzusetzen. Da sei jedenfalls "im Sinne der Versorgungssicherheit und ökonomisch vernünftig".

3. Sicherheitsstrategie soll Ausstieg aus Russen-Gas verankern
Russland setze seine Energieexporte gezielt als Waffe ein. Daher brauche es einen "unverzüglichen Beschluss der neuen österreichischen Sicherheitsstrategie". Spätestens mit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sei das hohe Risiko der Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland schmerzhaft spürbar geworden. In einer neuen österreichischen Sicherheitsstrategie sollte eine unabhängige Energieversorgung entsprechend berücksichtigt werden. Das betreffe die vollständige Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen genauso wie die Vermeidung einseitiger Abhängigkeiten von anderen Ländern.

Das Klimaschutzministerium werde diese Punkte nun "nachdrücklich" weiterverfolgen und die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen zur Verankerung der Diversifizierungsverpflichtung für die Gasversorger erarbeiten lasen. Eine parlamentarische Beschlussfassung brauche voraussichtlich eine Verfassungsmehrheit: "Wir rufen deshalb alle Beteiligten auf, im Interesse der österreichischen Unabhängigkeit weitere Schritte zu setzen."

Anbindung an Ölpipeline-Druschba abgesagt

In einer anderen Frage ist am Montag wohl eine endgültige Entscheidung gefallen. Die OMV und die slowakische Transpetrol haben das Projekt einer Pipeline-Verbindung von der Raffinerie von Schwechat nach Bratislava gestoppt. Bei dem vor 20 Jahren ursprünglich geplanten Vorhaben sollte es darum gehen, eine direkte Anbindung an die Ölpipeline "Druschba" herzustellen, in der russisches Erdöl nach in die ehemaligen Sowjet-Staaten gepumpt wird. 

Österreich wird über die Adria-Wien-Pipeline und die Transalpin-Pipeline mit Öl versorgt, der wichtigste Lieferant ist Kasachstan. Aus Russland wird spätestens seit 2023 zumindest direkt kein Öl mehr gekauft, die OMV soll die Pipeline-Anbindung nach Bratislava bereits 2022 nicht weiter verfolgt haben.

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