Regierungs-Debatte um Fusionen: Wie viele Gemeinden braucht Österreich?

Es ist ein emotional reichlich aufgeladenes Thema, an das sich derzeit die Neos heranwagen. In einem Grundsatzpapier für die gerade gestartete Verwaltungsreform haben sie ihre Vorstellungen festgelegt, wie die vielfach von Finanznöten geplagten Gemeinden wieder auf Vordermann zu bringen wären (der KURIER berichtete).
Neben Kooperationen zwischen den Kommunen und Gemeindeverbänden, die beim Sparen helfen sollen, sprechen sich die Pinken auch für – selbstredend freiwillige – Gemeindezusammenlegungen aus. Dabei verweisen sie auf das Beispiel Dänemark, das die Zahl seiner Kommunen von 270 auf 98 reduziert habe. Österreich hingegen habe 20 Mal mehr, obwohl es nur doppelt so groß sei.
Auf große Gegenliebe stoßen die Neos mit solchen Überlegungen allerdings nicht. Man habe grundsätzlich nichts gegen Gemeindefusionen, solange sie auf freiwilliger Basis erfolgen, gibt sich ein Sprecher des Gemeindebunds diplomatisch.
Zu solchen kommt es immer wieder. So hat etwa zuletzt die schwerst verschuldete steirische Gemeinde Söchau mit ihren 1.400 Einwohnern beschlossen, sich Fürstenfeld anzuschließen. Die Fusion wurde zu Jahresbeginn vollzogen.
„Im großen Stil lässt sich mit Gemeindezusammenlegungen aber nicht Geld einsparen“, setzt der Sprecher fort. Denn die Verwaltung sei nicht der große Kostentreiber, dies seien vielmehr Kindergärten und Pflegeeinrichtungen, die naturgemäß auch nach den Fusionen erhalten bleiben müssten.
Zwiespältige Erfahrungen aus der Steiermark
Dies ließe sich auch am Paradebeispiel Steiermark studieren, wo im Zuge der rot-schwarzen „Reformpartnerschaft“ vor einem Jahrzehnt die Zahl der Gemeinden radikal (und teils zwangsweise) von 542 auf zunächst 286 reduziert wurde. Auf den ersten Blick mit positiven finanziellen Auswirkungen: Gab es 2010 noch 225 Gemeinden mit einem Haushaltsdefizit, waren es zehn Jahre später nur mehr 26. „Inzwischen sind aber schon wieder rund 50 Prozent der Gemeinden im Minus“, rechnet man im Gemeindebund vor.
Demgegenüber stünden erhebliche Nachteile: „Werden die Strukturen größer, verlieren die Menschen das Gefühl, aktiv innerhalb der Gemeinde mitgestalten zu können. Das wirkt sich etwa auf die Bereitschaft aus, ehrenamtlich tätig zu sein. Letztlich sinkt auch die Beteiligung an den Gemeinderatswahlen.“
Seitens des Gemeindebundes bevorzugt man daher andere Wege, um die Gemeindeverwaltung effizienter und kostengünstiger zu machen. Allen voran die sogenannten Gemeindeverbände, in denen bestimmte Dienstleistungen für mehrere Gemeinden gemeinsam abgewickelt werden.
Wasser bis EDV
Wie etwa der „Gemeinde Dienstleistungsverband Region Amstetten“, der für seine 35 Mitgliedsgemeinden kommunale Aufgaben im Bereich Abfallwirtschaft, Energieeffizienz und Luftreinhaltung übernimmt. Quer durch Österreich gibt es schon viele solcher Verbände, in denen die unterschiedlichsten Dienstleistungen gebündelt sind. Von der Wasserversorgung, über die Abgabeneinhebung bis hin zum Beschaffungswesen und zur EDV.
Besteht angesichts dieser bereits vielfach umgesetzten Modelle also gar kein Reformbedarf bei den Gemeindestrukturen? So will man das beim Gemeindebund nicht sehen. Es gehe jetzt vor allem um rechtliche bzw. steuerliche Fragen, um solche Kooperationen von Gemeinden zu vereinfachen. „Und es geht auch darum, die Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu erhöhen“, sagt der Sprecher.
Gedämpfte Reaktionen
Zurückhaltend reagiert man bei den Koalitionspartnern der Neos: „Wir teilen den Wunsch nach einem modernen Service-Staat: effizient, bürgernah, vorausschauend“, sagt ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti. „Aus Wien den Gemeinden etwas auszurichten, lehne ich ab. Sie sind das Rückgrat unseres Landes. Zusammenlegungen müssen immer vor Ort entschieden und von der Bevölkerung mitgetragen werden.“
Ähnlich auch die SPÖ: „Gemeindezusammenlegungen sind auf Regierungsebene kein Thema. Grundsätzlich setzt die SPÖ stärker auf Kooperationen zwischen den Gemeinden.“
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