Gecko: Corona-Experte geht wegen "politischen Entwicklungen"
Die Auflösung des Corona-Expertengremiums Gecko (Gesamtstaatliche COVID-Krisenkoordination) hat offensichtlich auch mit der Regierungsbildung in Niederösterreich und den darin vorgesehenen, der wissenschaftlichen Evidenz widersprechenden Maßnahmen (z.B. keine Bewerbung der Corona-Schutzimpfung) zu tun.
Bereits am Montag hatte der KURIER entsprechend Hinweise bekommen und darüber berichtet; heute, Dienstag, bestätigte nun auch der renommierte Virologe Andreas Bergthaler via Twitter, dass er angesichts der "politischen Entwicklungen" für ein Auflösen von Gecko votiert hat. Der Arbeitsauftrag bis Juni sei "unklar" gewesen - und sein Beratungsmandat sei mit den politischen Entwicklungen "nicht mehr in Einklang zu bringen" gewesen.
In seinem Statement lobt Bergthaler seine Kolleginnen und Kollegen in Gecko und gibt sich durchaus selbstkritisch: Es erscheine ihm wichtig, "dass es uns noch besser gelingt, nüchtern & kritisch komplexe Informationen aus unterschiedlichen Perspektiven abzuwägen und verständlich sowohl für Entscheidungsträger als auch für die breite Bevölkerung aufzubereiten".
Neben Bergthaler dürfte es gestern auch dem Simulationsforscher Niki Popper Generalmajor Thomas Starlinger, einem Berater von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, gereicht haben. Sie sollen laut KURIER-Informationen vor allem mit den Äußerungen des Bundeskanzler Karl Nehammer sowie den Inhalten der ÖVP-geführten Landesregierung in Niederösterreich Schwierigkeiten haben.
Der Sager von Nehammer, man sei während der Pandemie zu „expertenhörig gewesen“, hat ja schon vor längerem für schwere Irritationen bei den Wissenschaftern gesorgt. Im KURIER erklärte der Kanzler kurz danach allerdings, dass das „verkürzt transportiert worden“ sei.
Das Fass endgültig zum Überlaufen sollen allerdings die Entwicklungen in Niederösterreich gebracht haben. Konkret stoße man daran, dass die Corona-Impfung nicht mehr beworben werden solle und auch die Rückzahlung der Corona-Strafen komme gar nicht gut an, heißt es aus dem Gecko-Umfeld.
Insgesamt gehörten rund 20 Personen der Gecko-Kommission an. An der Spitze standen Katharina Reich, die Generaldirektorin für die Öffentliche Gesundheit, und Generalstabschef General Rudolf Striedinger.
Nicht der erste Rücktritt
Schon vor einem Jahr hat ein Gecko-Mitglied seine Arbeit aufgekündigt: Rotkreuz-Chef Gerry Foitik war im März 2022 ausgetreten. Damals spitzte sich die Lage in den Spitälern wieder zu und viele der Experten stießen sich daran, dass die türkis-grüne Bundesregierung ihre Empfehlungen zuvor zum Teil ignoriert hatte. Foitik zog aber als einziger Konsequenzen.
Gecko wurde im Jahr 2021 gegründet. Beauftragt wurde das Gremium von der Bundesregierung. Das Ziel: Beratung auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse während der Corona-Pandemie.
Die Experten plädierten erst Ende Jänner dafür, auch nach einer - von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) für die Jahresmitte angekündigte - Aufhebung der COVID-19-Maßnahmengesetzgebung das Virus-Monitoring weiter aufrecht zu erhalten.
Reaktion von Rauch
Im Gesundheitsministerium bedauert man die Entwicklung. Gesundheitsminister Johannes Rauch äußerte sich diesbezüglich schon am Montag: „Gecko hat in einer schwierigen Zeit hervorragende Arbeit geleistet und mitgeholfen, dass Österreich gut durch die Pandemie kommt. Ich danke den Expertinnen und Experten, die Hunderte Sitzungen und Tausende Arbeitsstunden ehrenamtlich gearbeitet haben, um die Bundesregierung bestmöglich zu beraten. Gecko hat stets im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen agiert: verschiedene wissenschaftliche Disziplinen, wirtschaftliche Interessen, Bildung, soziale Lage in Österreich.“
Das sei für die Mitglieder der Kommission genauso eine Herausforderung gewesen wie für die politischen Entscheidungsträger. Minister Rauch betont auch, wie wichtig ihm die Meinung der Wissenschafter in diesem Umfeld gewesen sei – mit einem kleinen Seitenhieb in Richtung Kanzler: „Ich habe mich immer schützend vor die Wissenschaft gestellt, die Empfehlungen der Expertinnen und Experten ernst genommen und dann auf Basis von Fakten und auch eines internationalen Vergleichs meine Entscheidungen getroffen. Das ist weder expertenhörig noch beratungsresistent, sondern entspricht meiner Verantwortung als Gesundheitsminister.“
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