"Furie, Flintenweib": Wie schwer haben es Frauen in der Politik?
Keine 36 Stunden sind es mehr, bis erstmals in der Geschichte der SPÖ eine Frau das Führungszepter in der Partei übernimmt. Ein roter Wendepunkt – sollte man meinen. Doch diese Zeitenwende ist offenbar noch nicht in den Köpfen aller roten Spitzenpolitiker – selbst wenn sie zur jüngeren Generation zählen– angekommen.
Nur drei Tage nach seiner Inthronisierung schlittert der designierte 35-jährige Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer für einen sexistischen Fauxpas der Extraklasse in die Bredouille:„Ich will mir die Landesrätin nicht in der Horizontalen vorstellen“, so sein völlig entgleister Kommentar über die krankheitsbedingte Abwesenheit der grünen Landesrätin Gabriele Fischer (siehe Video).
Sexismus in Tiroler Landtag: SPÖ vor Parteitag in Aufruhr
Szenenwechsel ins Parlament. Ex-Hofburg Kandidatin Irmgard Griss (72) von den Neos ist die älteste Abgeordnete – ihre Rede über den Pflegeregress wird von einigen despektierlichen Kommentaren begleitet. „Offenbar sind Sie zu alt, um sinnerfassend lesen zu können“, hört sie aus den türkis-blauen Regierungsrängen. Ein Zwischenruf, der die Ex-OGH-Präsidentin sichtlich bewegt. „Mein Alter wird immer wieder thematisiert. Ich glaube, dass die Hemmschwelle bei Frauen einfach niedriger ist. Die Attacken sind bei den Politikerinnen stets viel persönlicher im Vergleich zu den Männern“, meint Griss.
Eine Frau zu sein, ist in der Politik nach wie vor mit Anfeindungen verbunden. Davon weiß Susanne Riess (ehemals FPÖ), die bis dato einzige Vizekanzlerin der Republik, einige Anekdoten zu erzählen. Ihr Ex-Mann bekam bei einer Polit-Veranstaltung ein Mal folgenden wenig schmeichelnden Kommentar zu hören: „Ich bin ein wahnsinniger Fan Ihrer Frau, aber die möchte ich nicht zur Ehefrau haben.“
Erfolg auch im Rock
Politikerinnen, die Härte zeigen und Konflikte ausfechten, werden von der Öffentlichkeit mit wenig schmückenden Attributen wie „Furie, Flintenweib oder Cobra“ versehen, beklagt Riess zurecht. „Den Ausdruck Karrieremann gibt es nicht, eine Karrierefrau hingegen wird als unweiblich und wenig empathisch empfunden“, analysiert die Ex-Vizekanzlerin.
Der Preis der Macht ist für Frauen in der Politik hoch. Sie sie müssen gegen viele Vorurteile ankämpfen. Aussehen, Gewicht und Styling werden gerne kritisch unter die Lupe genommen. Vor allem aber müssen sie ihr Können im Gegensatz zu den männlichen Kollegen unter Beweis stellen. „Denken Sie an Christian Kern. Der war im Gegensatz zu Rendi-Wagner gleich der Messias. Eine Frau muss sich erst beweisen. Wie oft habe ich während meiner Politikzeit den Kommentar gehört: ,So schlecht ist die gar nicht.’ Das zeigt, wie niedrig die Erwartungshaltung ist“, erzählt Riess.
Ein absoluter Tiefpunkt für die heutige Generaldirektorin der Wüstenrot Gruppe war ein Kommentar des Kabarettisten Florian Scheuba über ihre Kinderlosigkeit. „Als ich in der Regierung war, musste ich ständig Fragen beantworten, warum ich nicht Mutter bin. Ernst Strasser, der auch keine Kinder hat, wurde kein einziges Mal nach dem Grund gefragt“, schildert Riess.
Zwar attestiert Riess, dass der Respekt gegenüber Politikerinnen wächst. Aber selbst die junge Politikerinnen-Generation wie Alma Zadic (34) von der Liste Pilz ist nach wie vor mit zahlreichen Vorurteilen konfrontiert. „Wenn ich als Politikerin über Sicherheitsthemen rede, werde ich nicht so ernst genommen, weil es ein typisch männliches Thema ist“, kritisiert Zadic. Bei diversen Coachings wurde ihr empfohlen, statt Kostüm einen Hosenanzug zu tragen und die Sprache der Männer zu übernehmen, damit frau sich schneller in der Männerwelt durchsetzt. Ratschläge wie diese, haben Zadic‘ Ehrgeiz befeuert. „Als Anwältin und Politikerin habe ich bewiesen, dass man sich auch in einem Rock durchsetzen kann.“
„War nicht immer so“
Eine, die es geschafft hat, sich gegen Vorurteile und die gläserne Decke durchzusetzen, ist Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Mehr noch: Während alle Volksparteien in Mitteleuropa verlieren, verteidigte die zweifache Mutter die absolute Mehrheit. In der Wahlkabine erhielt sie von mehr Frauen als Männern die Stimme. „Das war nicht immer so“, sagt die ÖVP-Landeschefin. Zwar müssen Frauen in der Politik „noch immer 120 Prozent geben, während bei Männern 100 Prozent reichen“, meint Mikl-Leitner. Auch steht das „Aussehen und der Dresscode“ gerne im medialen Mittelpunkt , aber in den „internen Sitzungen ist der Geschlechterunterschied kein Thema mehr.“
Mikl-Leitner wünscht sich mehr Frauen in Spitzenpositionen: „Da sind die Sprache und der Umgang gleich auf einem anderen Niveau.“
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