Die Kurve fällt bei einer Frau, die in Mutterschutz geht, in Richtung Null und steigt dann nur noch sehr träge. Nach zehn Jahren liegt sie in der durchschnittlichen Gehaltsberechnung bei 2.277 Euro brutto pro Monat. Eine Frau, die nie in Karenz war, liegt in diesem Zeitraum bei 3.411 Euro. Und ein Mann bei 3.561 Euro.
Es komme also "mehr auf die Elternschaft als auf das Geschlecht an", so Ökonomin Köppl-Turyna. Lange Unterbrechungen der Karriere und viele Jahre in Teilzeit seien die schwerwiegendsten Gründe für Lohnunterschiede.
Nur jeder fünfte Vater in Karenz
Männer würde ähnliche Effekte erleben, wenn sie ebenso häufig und lange in Karenz gingen. Sie tun es nur nicht.
Österreichweit geht nur jeder fünfte Vater in Karenz - das sind 19 Prozent, die eine Karenzzeit von mindestens zwei Monaten in Anspruch nehmen.
Die meisten Mütter sind nach der Karenz nur in Teilzeit beschäftigt. Im Schnitt arbeiten nur 17 Prozent der Mütter mit Kindern im Alter zwischen 0 und 18 Jahren in Vollzeit. Sogar bei Kindern zwischen 15 bis 18 Jahren - einem Alter, in dem die meisten schon recht selbstständig sind - arbeitet nur jede dritte Mutter in Vollzeit.
Teilzeit ist bei jüngeren Frauen besonders weit verbreitet, ältere sind hingegen oft ganz aus der Erwerbstätigkeit ausgestiegen.
Gleichberechtigung lässt bei Müttern aus
In den vergangenen Jahren habe sich bei der Gleichberechtigung einiges getan, sagt Autorin Köppl-Turyna. Der eigentliche "gender pay gap" hat sich in den vergangenen zehn Jahren durch Reformen und wohl auch durch ein Umdenken in der Gesellschaft deutlich verringert (siehe Grafik).
Die Kurve geht also kontinuierlich nach unten - das ist etwas Gutes. Frauen sind häufiger in Führungspositionen, immer häufiger in besser bezahlten "Männerdomänen" vertreten.
Geblieben ist aber der Faktor Mutterschaft - die "motherhood pay gap" ist zuletzt sogar wieder größer geworden
Was also tun?
Agenda Austria schlägt vor, Karenzzeiten zu kürzen - auf maximal ein Jahr für jeden Partner. Nimmt ein Partner nicht das volle Jahr in Anspruch, soll der Rest verfallen, also nicht auf den anderen Partner übertragen werden können.
Studienautorin Köppl-Turyna führt an, dass in Ländern mit kürzeren Karenzpausen bzw. einer anderen Verteilung der Kinderbetreuung zwischen den Eltern die Unterschiede deutlich kleiner sind als in Österreich.
Heißt: In Ländern, in denen Männer und Frauen bei der Kinderbetreuung die gleichen Chancen haben, ist letztlich auch die Verteilung der Last bzw. der Nachteile beim beruflichen Fortkommen ausgeglichener.
Spannend ist dazu eine Erhebung zur Einstellung in Hinblick auf die Kinderbetreuung durch das "International Survey Programme": In Österreich stimmten 52 Prozent der Aussage zu, dass "das Familienleben leidet, wenn die Mutter Vollzeit arbeitet". In Schweden und Dänemark sagten das nur 14,8 bzw. 19 Prozent.
Um die kürzere Karenzzeit auch umsetzen zu können, brauche es allerdings ein besseres Betreuungsangebot für Kinder, wird in der Agenda-Austria-Studie betont. Nicht in allen Bundesländern ist es möglich, dass beide Elternteile einer Vollzeitanstellung nachgehen. In Wien etwa bieten fast 95 Prozent der Kinderbetreuungseinrichtungen eine ganztägige Betreuung an, in Oberösterreich sind es nur ca. 25 Prozent.
Zudem schlägt Agenda Austria vor, dass die öffentliche Hand verstärkt auch private Anbieter mit flexiblen Lösungen fördern soll, und höhere Zuverdienste in der Karenz möglich sein sollen. Nicht zuletzt unterstreicht das Institut auch die Forderung, dass Karenzzeiten bei Gehaltsvorrückungen berücksichtigt werden sollen.
"Zutiefst private Frage"
Und die Studienautorin sagt auch: Nicht Initiativen zu Lohntransparenz oder "Equal Pay Day"-Events helfen in Österreich weiter, "sondern die Einsicht, dass die traditionelle Aufteilung der Familienarbeit immer noch häufig zulasten der Mütter geht".
Der Staat müsse bessere Anreize schaffen, damit alle Eltern - Mütter wie Väter- wirklich selbst über die "zutiefst private und individuelle Frage" entscheiden können, wer sich um die Kinder kümmert; und wer wie wann und wie viel arbeiten geht.
SPÖ: "Halbe-Halbe"-Modell
Ein neues Modell für mehr Lohngerechtigkeit haben am Montag SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek vorgeschlagen:
Ziel des Modells „Halbe-Halbe Neu“ sei es, Familienarbeit gerechter aufzuteilen. Während Frauen oftmals nämlich aufstocken wollten, würden Männer gerne Arbeitszeit reduzieren, wie Heinisch-Hosek erklärte.
Konkret geplant sei ein Rechtsanspruch auf Arbeitszeitreduzierung für maximal 24 Monate für Kinderbetreuung oder Pflege. Die Differenz zum Vollzeitgehalt soll zu 50 Prozent als Lohnersatz erstattet werden. Für diese Lohnersatzleistung soll es einen Rechtsanspruch geben.
Laut SPÖ-Berechnungen könnte das 95 Millionen Euro pro Jahr kosten, sollten 10.000 Mütter bzw. Väter diese Maßnahme in Anspruch nehmen. Das Modell würde bei Kinderbetreuung nach dem Kindergeldbezug greifen und sei bei Paaren explizit an die Bedingung geknüpft, dass beide 80-Prozent einer Vollzeitstelle arbeiten.
In Sachen Lohntransparenz schwebt Rendi-Wagner das isländische Modell vor. Demnach hätten Unternehmen „die Bringschuld“ und müssen aktiv nachweisen, dass Frauen und Männer gleich viel Lohn für die gleiche Arbeit erhalten. Bei Zuwiderhandeln drohten Strafen. „Wir müssen jetzt handeln, schließlich wissen wir, dass es in anderen Ländern funktioniert“, so die SPÖ-Chefin.
Zudem brauche es einen Rechtsanspruch auf ganztägige Kinderbetreuung ab dem 1. Lebensjahr und das Vorantreiben von Ganztagsschulen. „Und wir wollen auch einen Rechtsanspruch auf den Umstieg von Teilzeit auf Vollzeit“, betonte Heinisch-Hosek, also, wenn in einem Unternehmen ein entsprechender Vollzeitarbeitsplatz ausgeschrieben wird, sollen Teilzeit arbeitende Frauen einen Anspruch auf diese Stelle haben.
Die SPÖ-Frauenvorsitzende kündigte ferner eine Dialogtour in ganz Österreich an, die unter dem Slogan „Der Druck in der Arbeitswelt steigt“ steht. Bei Straßenaktionen und Veranstaltungen will man wissen, was die frauenpolitischen Herausforderungen sind. Mitte Mai sollen dann die Ergebnisse präsentiert werden.
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