So national wird der neue Nationalrat
Wenn am 9. November im Großen Redoutensaal der Wiener Hofburg der neue Nationalrat angelobt wird, kommt mit Martin Graf nicht nur ein ehemaliger Dritter Präsident zurück in den Nationalrat. Das FPÖ-Urgestein ist zudem Mitglied der deutsch-nationalen schlagenden Burschenschaft "Olympia", die vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) als rechtsextrem eingestuft wird. Und Graf ist nicht allein: Gleich 20 der 51 Nationalratsabgeordneten der FPÖ sind nach Angaben des DÖW "völkisch korporiert", ein Rekordwert in der Geschichte der Zweiten Republik. Zum Vergleich: Zur Zeit von Schwarz-Blau I waren gerade einmal acht Abgeordnete korporiert.
Neben Martin Graf sind noch zwei weitere "Olympioniken" im Nationalrat vertreten. Acht weitere FPÖ-Abgeordnete sind Mitglieder in anderen akademischen Burschenschaften, sechs sind in Pennälerverbindungen - darunter auch Parteichef Heinz-Christian Strache. Dazu kommen noch zwei Mitglieder von akademischen Corps und eine Mädelschafterin.
Akademische Burschenschafter | |
Hannes Amesbauer | Oberösterreicher Germanen Wien |
Reinhard Bösch | Teutonia Wien |
Martin Graf | Olympia Wien |
Christian Hafenecker | Nibelungia Wien |
Gerhard Kaniak | Albia Wien |
Axel Kassegger | Germania Graz |
Maximilian Krauss | Aldania Wien |
Norbert Nemeth | Olympia Wien |
Walter Rosenkranz | Libertas Wien |
Philipp Schrangl | Oberösterreicher Germanen Wien |
Harald Stefan | Olympia Wien |
Akademische Corpsiers | |
Wendelin Mölzer | Vandalia Graz |
Wolfgang Zanger | Vandalia Graz |
Mitglieder von Mittelschülerverbindungen | |
Hermann Brückl | Scardonia Schärding, Markomannia Eisenstadt |
Roman Haider | Donauhort Aschach |
Christian Höbart | Tauriska Baden |
Norbert Hofer | Marko-Germania Pinkafeld |
Werner Neubauer | Gothia Meran |
Heinz-Christian Strache | Vandalia Wien |
Akademische Mädelschafterin | |
Anneliese Kitzmüller | Iduna Linz |
"Beim Verbotsgesetz hat die FPÖ den Deckel drauf"
"Dadurch droht keine unmittelbare Gefahr für die österreichische Demokratie", erklärt Andreas Peham vom DÖW im Gespräch mit kurier.at: "Es würde mich überraschen, wenn die Burschenschaften etwa im Bereich der Aufweichung oder Abschaffung des Verbotsgesetzes - ihrer zentralen politischen Agenda - erfolgreich wären." Da habe die FPÖ "den Deckel drauf". Gerade im Zusammenhang mit einer Regierungsbeteiligung der FPÖ sei allerdings zu erwarten, dass durch einschlägige Seilschaften Deutschnationale in die wichtige Posten in der Bürokratie gebracht würden. "Da sind die Burschenschaften aber nicht allein, das ist ein generelles Thema bei Männerbünden", sagt Peham.
"Anders als 1999 wird die heutige FPÖ auf höchster Ebene von Burschenschaftern und anderen Mitgliedern völkischer Studentenverbindungen dominiert", erklärte DÖW-Rechtsextremismusexperte Bernhard Weidinger schon am Montag im Rahmen einer Pressekonferenz. FP-Obmann Heinz-Christian Strache stütze sich seit seiner Übernahme der Obmannschaft 2005 auf die Burschenschafen, was auch in programmatischer Hinsicht Niederschlag gefunden habe. Auch jenseits davon zeige die Strache-FPÖ keine Berührungsängste mit dem außerparlamentarischen Rechtsextremismus.
Buchautor warnt vor "Machtergreifung"
Ende August hatte der Journalist und Autor Hans-Henning Scharsach in seinem neuen Buch "Stille Machtergreifung: Hofer, Strache und die Burschenschaften" den Einfluss der deutschnationalen Korporierten auf die Führung der Freiheitlichen beschrieben. Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache und vier seiner fünf Stellvertreter sowie 20 von 33 Mitgliedern des Parteivorstandes sind Scharsach zufolge völkisch Korporierte, ebenso werden sechs von neun Landesparteien von ihnen dominiert.
"Ein rechtsextremer, demokratie- und verfassungsfeindlich agierender Akademikerklüngel hat die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) unterwandert, danach dominiert und zuletzt in Besitz genommen", sagte Scharsach damals. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sah in dem Buch ein als Sachbuch getarntes "FPÖ-Bashing" und forderte, auch die roten und schwarzen Netzwerke aufzuarbeiten.
Infobox: Studentenverbindungen: Im Gegensatz zu den im Österreichischen Cartellverband (ÖCV) und im Kartellverband katholischer nichtfarbentragender akademischer Verbindungen (ÖKV) organisierten katholischen Studentenverbindungen sind die Burschenschaften in Österreich durchgehend deutschnational gesinnt. Viele dieser Vereinigungen werden vom DÖW als rechtsnational bis rechtsextrem eingestuft.Anmerkung I: Basis der Mandatsverteilung ist der Wahlspiegel des Addendum-Redakteurs und Wahl-Experten Martin Thür, der bekannt gewordene Umreihungen und Mandatsverzichte berücksichtigt und den Stand vor der Angelobung einer neuen Regierung widerspiegelt.
Anmerkung II: Dieser Artikel wurde um 12:30 Uhr um eine Stellungnahme von Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und eine tabellarische Auflistung der Abgeordneten ergänzt.
Anmerkung III: Dieser Artikel wurde um 13:30 Uhr um eine Wortmeldung von Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes ergänzt.
Korrektur I: Werner Neubauer ist nach eigenen Angaben nie Mitglied der Markomannia Eisenstadt gewesen, sondern nur der Gothia Meran. Wir bedauern.
Korrektur II: In einer früheren Version dieses Artikels wurde die Zahl der Abgeordneten mit 21 angegeben. Allerdings hat Christian Leyroutz (Suevia Innsbruck) auf sein Mandat verzichtet, die Übersicht wurde entsprechend aktualisiert.
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