Nach FPÖ-Desaster in Wien: Muss Hofer gehen?
"Die Partei ist immer das Original“, zitiert Dominik Nepp im Wahlkampf seinen Vorgänger Heinz-Christian Strache. Und immerhin 7,7 Prozent der Wahlberechtigten geben ihm am Wahlsonntag recht, geben der „Partei der Wiener“, wie sich die FPÖ seit Nepps Ägide tituliert, ihre Stimme. Das sind drei Viertel weniger (Minus 23 Prozentpunkte) als unter Strache.
Die Gründe für das blaue Debakel liegen auf der Hand: die Folgen von Ibiza, die direkte Konkurrenz aus den eigenen Reihen mit dem „Team HC“ und seinem fast identen Wahlprogramm sowie der ehemalige Regierungspartner.
Die ÖVP, die via Gernot Blümel eine „anständige Mitte-Rechts-Politik“ propagierte, grub der FPÖ mit der Forderung nach Deutschkenntnissen als Voraussetzung für eine Gemeindebau-Wohnung, der altbekannten Nikolo-im-Kindergarten-Diskussion und dem strikten Nein zur Aufnahme von Flüchtlingskindern aus Moria das Wasser ab.
"Die Stimmenverluste sind innerparteilich eingepreist. Das Wahlergebnis der Wiener FPÖ hat keine Konsequenzen auf Bundesebene."
Umfragen attestierten der FPÖ wegen oben genannter Gründe von Anfang an einen Stimmenverlust von mehr als 20 Prozentpunkten und damit eines der historisch schlechtesten Ergebnisse (1954: 4,63 %). Die Messlatte war hoch, hatte doch Strache im Flüchtlingsjahr 2015 mit 30,79 Prozent die FPÖ zur zweitstärksten Partei in Wien gemacht.
All dessen ungeachtet lautet das blaue Mantra am Wahlabend: "Dominik Nepp war der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt.“
"Das Ergebnis hat seinen Ausgangspunkt in Ibizia. Jetzt geht es darum, mit harter konsequenter Arbeit das Vertrauen zurückzugewinnen."
Er selbst sagt, der Verlust sei "schmerzlich", habe seinen "Ausgangspunkt in Ibiza genommen". "Jetzt gehe es darum, "mit harter konsequenter Arbeit das Vertrauen der Wähler wieder zurückzugewinnen."
Nepp, "der im Druck des Wahlkampfes zum echte Diamanten“ wurde, wie Klubchef Herbert Kickl nicht müde war zu betonen, schwor die Kernwählerschaft mit striktem Anti-Ausländerkurs ("Wir sind Fremde in der eigenen Stadt“), harscher Kritik an der Bundesregierung ("Corona-Hysterie“) und rüden Tönen den politischen Kontrahenten gegenüber ("Schwachmat“ Bürgermeister Michael Ludwig) auf sich ein. Allein: Gereicht hat es nicht, um den Total-Absturz in die Einstelligkeit zu verhindern.
Mit dem vorläufigen – in Relation zu anderen Parteien desaströsen – Wahlergebnis stehen viele FPÖ-Funktionäre in Wien alsbald ohne Job da. Auf Bundesebene indes dürften die Positionen vorerst unangetastet bleiben. Niemand will oder drängt gar nach der Wahl-Talfahrt (Nationalratswahl, Burgenland, Wien) an die Spitze.
"Der Verlust ist seit Monaten eingepreist"
Bundesparteiobmann Norbert Hofer wird wegen der Wien-Wahl nicht infrage gestellt werden, sind sich die FPÖ-Landesgruppen auf KURIER-Nachfrage einig. Der Verlust sei seit Monaten eingepreist, so Stv. Bundesparteiobmann und Oberösterreichs FP-Landeschef Manfred Haimbuchner. "Es wird eine Diskussion mit Hofer geben, aber nicht über ihn“, heißt es in der Partei.
Richtungsweisend werde eine für die kommenden Wochen avisierte Parteiklausur in programmatischer, jedenfalls nicht personeller Hinsicht. Will die FPÖ den harten Oppositionskurs von Klubchef Herbert Kickl einschlagen, der im Parlament jüngst von einer "Corona-Rollkommando-Politik“ der Regierung, einem "Hin-Testen zu einer zweiten Welle“ und einem "multikulturellen Fatalismus“ in Wien sprach?
Kickl oder konziliant?
Oder wird das dritte Lager wenige Monate vor der Wahl in OÖ, wo Haimbuchner seit 2015 kraft 30,36 Prozent mitregiert, beginnen, sich konziliant, pragmatisch also regierungsfähig zu geben? Fix sei, dass die FPÖ ihre Wähler und einige der ÖVP zurückgewinnen muss. „Rückt Türkis noch mehr nach rechts, muss sich die FPÖ im Gegenzug auch etwas mehr in die Mitte begeben“, so der Tenor. Welche Länderchefs auf Kickls Oppositionsseite oder mit Hofer und Haimbuchner auf Regierungskurs stehen, sei noch unklar. „Viele haben sich noch nicht bekannt“, sagt ein ranghoher Funktionär und verweist auf die Zeit, als Sebastian Kurz die ÖVP von Reinhold Mitterlehner übernahm. „Da haben die meisten Länderschefs auch abgewartet und gingen erst später aus der Deckung“.
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