Flucht und Fluchtrouten – vom Weltall aus betrachtet

Flucht und Fluchtrouten – vom Weltall aus betrachtet
Satellitencenter der EU liefert Analysen von Fluchtrouten und Krisenregionen

Madrid, Spanien. Auf dem oberen Bild sieht man eine Siedlung – Häuserdächer in der Wüste, die rosa- und pfirsichfarben aussehen. Auf dem unteren Bild: Derselbe Fleck Land, aber keine Dächer mehr, nur noch Grundmauern und Geröll.

Die Aufnahmen stammen von SatCen, dem Satellitencenter der Europäischen Union, das ein paar Kilometer außerhalb von Madrid angesiedelt ist. Die Arbeit des „Copernicus“-Programms sei so etwas wie „Trip Advisor“ – nur eben für Kriegsschauplätze, Naturkatastrophen und Flüchtlingsströme, erklärt Vizedirektor Giuseppe D’Amico.

„Wenn jemand eine fremde Stadt besucht, will er natürlich wissen, wie es dort ungefähr aussieht, wie die Restaurants oder Hotels sind.“ Seine Auftraggeber interessieren sich allerdings nicht für die angenehmen Seiten des Lebens. D’Amicos Auftraggeber sind Entscheidungsträger in EU-Staaten, die Grenzschutzagentur Frontex oder Hilfsorganisationen – und sie wollen zum Beispiel wissen, wie sich ein Bombenangriff oder eine Überschwemmung ausgewirkt hat.

Die Aufnahmen der Infrastruktur sind mit Hinweisen von Analysten gespickt: Hier eine Tankstelle, da eine beschädigte Straße, dort ein bewaffnetes Fahrzeug.

Basis für Entscheidungen

Frontex zählt mit 20 Prozent des Gesamtvolumens zu den besten Kunden. Die „Produkte“, so heißen die Analysen von SatCen, betreffen den EU-Grenzschutz. In erster Linie geht es um das Einschätzen von Flüchtlingsströmen. Auf den Aufnahmen sieht man zum Beispiel Küstenabschnitte von Libyen – die Boote sind nur wenige Pixel groß, aber geschulte Augen brauchen auch nicht mehr, erklärt eine Analystin beim KURIER-Besuch: „Es ist für meine Arbeit nicht wesentlich, wie scharf das Bild ist, sondern ob ich mehrere in verschiedenen Zeiträumen zum Vergleich zur Verfügung habe. So kann ich einen Trend ablesen, der für unsere Auftraggeber wesentlich ist, um Entscheidungen zu treffen.“

Entscheidungen wie von Frontex, sich mit der Küstenwache kurzzuschließen oder mehr Beamte zu schicken.

Auch bei der humanitären Hilfe in Krisengebieten wie Syrien oder in dem einst vom IS besetzten Mossul im Irak sind die Aufnahmen unverzichtbar. Via Satellit orten die Analysten auch Hilferufe (siehe Bild oben).

SatCen darf Gebiete innerhalb der EU nur mit Genehmigung des jeweiligen Mitgliedslandes analysieren, außerhalb braucht es das nicht. Die EU besitzt sieben Satelliten, die sich 600 bis 700 Kilometer über der Erde befinden. Die Auftragslage von SatCen ist in den vergangenen zehn Jahren fast ums Neunfache gestiegen. Vermehrt gefragt sind Prognosen, sagt Vize-Chef D’Amico: „Entscheidungsträger wollen nicht nur informiert, sondern auch alarmiert werden.“

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