Finanzministerium: So wurde mit Beinschab-Studien getrickst
Gernot Blümel kann eigentlich froh sein, derzeit hauptberuflich Vater zu sein. So musste der neue Finanzminister Magnus Brunner ran, um in die Rolle des Überbringers der schlechten Nachrichten zu schlüpfen. Ins Dachgeschoß des Winterpalais von Prinz Eugen lud das Finanzministerium, um den Untersuchungsbericht der internen Revision in der Causa Kurz zu präsentieren.
Die Botschaft des 140-Seiten-Berichts lässt keinerlei Interpretationsspielraum zu: "Die Verdächtigungen der WKStA haben sich nicht entkräften lassen", bringt es Wolfgang Peschorn, der Anwalt der Republik, auf den Punkt. Die ÖVP wertet das Ergebnis anders, sie sieht Sebastian Kurz einmal mehr entlastet. Aber dazu später.
1,2 Millionen
Die Affäre nimmt am 6. Oktober ihren Anfang. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) führt Hausdurchsuchungen bei Vertrauten von Sebastian Kurz durch. Der Verdacht wiegt schwer und sollte Kurz die Karriere als Politiker kosten. Es geht um Umfragen, die vom Finanzministerium aus Steuergeldern über Scheinrechnungen zum Nutzen des späteren Kanzlers finanziert worden sein sollen. Gegen zehn Personen, die Verlagsgruppe Österreich und die ÖVP wird ermittelt. Die Vorwürfe lauten auf Untreue, Bestechung bzw. Bestechlichkeit.
Zwei Tage nach den Razzien gab der damalige Finanzminister Gernot Blümel eine interne Revisionsprüfung in Auftrag. Blümel selbst ist von den Vorwürfen nicht betroffen. Zwei Monate durchstöbert ein Team von fünf Beamten die Akten und die Studienaufträge der Kommunikationsabteilung. Interviews mit involvierten Beamten wurden nicht geführt, weil man den Einvernahmen durch die WKStA nicht zuvorkommen wollte.
Beschuldigter Pasquali: "Beitrag zur Aufklärung war nicht erwünscht“
Dieser Punkt ärgert allerdings Johannes Pasquali. Er ist in der Causa Kurz Beschuldigter und war Mediensprecher für das Finanzressort. "Zur Aufklärung und zum Verständnis hätte ich gerne beigetragen, doch war dies offensichtlich nicht erwünscht und wurde sogar schriftlich verweigert. Die Erstellung dieses Berichts widerspricht der geltenden Revisionsordnung des Finanzministeriums“, so Pasquali einer einer Stellungnahme gegenüber dem KURIER.
Der Blick hinter die Kulissen zeigt, wie locker mit Steuergeldern umgegangen wurde. Im Untersuchungszeitraum von 2015 bis 2020 wurden 28 Studien in Auftrag gegeben (davon 13 an Meinungsforscherin Sabine Beinschab). Insgesamt gab das Finanzministerium mehr als 1,2 Millionen Euro aus. 26 der 28 Studien befanden sich gar nicht in den Akten. Von den 26 fehlenden Studien wurden 22 nachgeliefert, zwei Studien allerdings gar nicht und eine Studie nur teilweise, listet Hannes Schuh, der Leiter der internen Revision, auf.
Keine Dokumentation
Ein Werk sticht dabei besonders ins Auge – jenes zur "Wirtschafts- und Budgetpolitik" von Sabine Beinschab. "Dieser Akt ist ein bisschen schräg", sagt Schuh.
"Schräg" ist eine freundliche Umschreibung angesichts dessen, wie ungeniert getrickst wurde: Das Angebot startete mit 34.680 Euro brutto und endete nach zehn Rechnungen mit 155.940 Euro.
Die neun weiteren Rechnungen wurden nur mit dem Vermerk "weitere notwendige Arbeiten" begründet. Im Revisionsbericht heißt es zu dieser Studie: "Aus den […] Unterlagen ist erkennbar, dass die ursprüngliche, undatierte Studie Fragen in hohem Maße zu politischen Parteien und Politikern enthielt und […] den sachlichen Zusammenhang zur ursprünglichen Studie vermissen lässt." Aber damit nicht genug: Die Studie überschneidet sich auch noch thematisch mit den durchgeführten Studien eines anderen Instituts. Erstaunlich ist: Thomas Schmid scheint in den Akten des Finanzministeriums nie auf.
Was sich in den Akten auch nicht findet, ist ein Hinweis auf Sebastian Kurz. „Es gibt keine Involvierung von Ex-Bundeskanzler Kurz bei diesen Unregelmäßigkeiten. Er war in diesem Zeitraum weder Finanzminister noch Kanzler oder ÖVP-Chef“, verteidigt der ÖVP-Abgeordnete Christian Stocker den Altbundeskanzler.
Rechnung unvollständig
Der Vorwurf der WKStA lautet: In der Tageszeitung Österreich wurden manipulierte Umfragen von Beinschab veröffentlicht, dafür gab es Inserate vom Finanzministerium.
Zu ermitteln, ob es hier einen Deal gab, war nicht Aufgabe der Revision. Sie hat nur die Inseratenvolumina ermittelt. Laut Bericht sollen die Rechnungslegungen nicht vollständig oder die Textierung der Rechnungen "unscharf" sein. Zudem wurden keine Vergleichsangebote eingeholt. Außerdem ging die Initiative für die Inserate stets vom Anbieter aus. Von 2016 bis Anfang 2018 wurden rund 2,7 Millionen Euro für Inserate ausgegeben. Dieser Betrag ist offenbar höher als die offiziell gemeldeten Medienkooperationen. Peschorn ist über die Inseratenvergabe empört: "Die Empfehlungen und Ratschläge der Finanzprokuratur wurden teilweise pervertiert."
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