Kärntens neuer SPÖ-Chef: "Mit der Kickl-FPÖ hätte auch ich Bauchweh"

Daniel Fellner
Der neue Chef der Kärntner SPÖ und künftige Landeshauptmann über eine Koalition mit den Blauen, seine Pläne in der Asylpolitik und "absurde" Querschüsse aus dem Burgenland.

Am Samstag wurde Daniel Fellner (48) zum Nachfolger von Peter Kaiser als Kärntner SPÖ-Chef gewählt. In wenigen Monaten wird er ihn auch als Landeshauptmann beerben.

KURIER: Herr Landesrat, am Parteitag haben Sie betont, dass die SPÖ zu sehr mit erhobenem Zeigefinger auftritt und man mehr den Leuten zuhören müsste. Das hat fast wortgleich Leonore Gewessler gesagt, als sie die grüne Partei übernahm. Darf man sich Daniel Fellner als heimlichen Sympathisanten der Grünen vorstellen?

Daniel Fellner: Ich gestehe, ich habe die Rede von Frau Gewessler nicht gehört.

Man würde glauben, es gehört zum Einmaleins eines Politikers, dass er rausgeht und zuhört, wo die Leute der Schuh drückt. Warum ist das bis jetzt nicht passiert?

Ich glaube, dass wir in den letzten Jahren einhergehend mit schlechten Wahlergebnissen zunehmend den Anschluss zur Bevölkerung verloren haben. Sie interessiert sich weniger für die Papiere, die wir produzieren, und für die Antworten, die wir geben, als wir uns das vielleicht vorstellen.

Und wie wollen Sie das ändern?

Indem wir die Lösungen gemeinsam mit den Kärntnerinnen und Kärntnern erarbeiten. Auch, damit sie die Gewissheit haben, es interessiert sich jemand für sie. Es geht nicht darum, irgendwo hinzufahren und 30 Minuten eine Rede zu halten, sondern, dass man vielleicht zehn Minuten redet und dann 20 Minuten zuhört. So möchte ich das in den nächsten Monaten anlegen. Anschließend wollen wir in einer Kärnten-Konferenz, eine Art kleiner Parteitag, die Antworten auf die Fragen geben, die aus der Bevölkerung kommen.

Welche Antworten gibt es auf die wirtschaftliche Lage des Landes, das immer noch Schlusslicht bei der Pro-Kopf-Verschuldung ist?

Wir sind gemeinsam mit der ÖVP schon auf einem guten Weg, haben ein Einsparungspotenzial von knapp einer Milliarde Euro für die nächsten Jahre gehoben. Leider Gottes ist das immer noch zu wenig. Andererseits konnten wir in den vergangenen Jahren unter Peter Kaiser auch auf beachtliche Zahlen hinweisen, hatten teilweise das stärkste Wirtschaftswachstum in ganz Österreich. Es besteht also kein Anlass für die geduckte Haltung, die uns Kärntnern oft zugeschrieben wird. Aber da geht noch mehr. Wichtig für Unternehmen sind etwa beschleunigte Verfahren. Was die Pro-Kopf-Verschuldung betrifft: Wenn wir so weitermachen, dann sind wir nächstes oder spätestens übernächstes Jahr die rote Laterne los.

Zentrales Thema Ihrer Parteitag-Rede war die Zuwanderung. Ihr Grundsatz lautet: Wer sich nicht an die Regeln hält, dem wird die Tür gewiesen. Doch was wollen Sie auf Landesebene umsetzen?

Wir haben Aufgaben, die wir auch als Bundesland erledigen können, ohne mit dem Finger auf den Bund oder die EU zu zeigen. Was sind die Spielregeln in unserem Bundesland? Und was passiert, wenn sich jemand nicht daran hält? Das gilt es nun zu erarbeiten. Das wird einer meiner Schwerpunkte. Ich ducke mich bei dem Thema sicher nicht weg.

Die Position der SPÖ zum Thema Migration wurde einst im Kaiser-Doskozil-Papier formuliert. Ist es für Sie noch die richtige Leitlinie?

Die darin angeführten Lösungsansätze sind äußerst wichtig und richtig. Die SPÖ hat aber einen Fehler gemacht: Die Menschen kennen das Papier nicht und verstehen seinen direkten Nutzen nicht, weil wir anscheinend nicht in der Lage waren, es so zu erklären, dass sie es verstehen.

Daniel Fellner

Daniel Fellner mit KURIER-Redakteur Josef Gebhard

Die Regierung will eine bundesweit einheitliche Sozialhilfe schaffen. Soll sich die Höhe an Bundesländern mit restriktiveren Modellen wie etwa NÖ orientieren?

Über die Höhe wird man noch diskutieren müssen. Die jetzige Regelung ist jedenfalls unsolidarisch: Dass in Kärnten so wenig Asylwerber sind, liegt einzig und allein daran, dass sie in Länder wie Wien drängen, wo die Sozialleistungen besser sind. Das ist ein großer Vorteil für uns, aber das ist egoistisch gedacht.

Soll es künftig wie in Wien oder Kärnten für jedes Kind in einer Familie gleich viel Geld oder eine Staffelung geben?

Ich bin selbst Vater von drei Kindern: Es ist natürlich das erste viel teurer als das zweite und das dritte. Es ist überhaupt nicht einzusehen, wie man in Wien auf Tausende von Euro für eine Familie kommt. Da ein Verständnis etwa bei Pensionistinnen und Pensionisten herzustellen, ist unmöglich. Darum müssen wir uns kümmern.

Sie wollen die Zugangsbeschränkungen für das Medizinstudium aufheben. Wäre es nicht sinnvoller, die Arbeitsbedingungen zu attraktivieren, um mehr Ärzte ins Kassensystem zu bringen – wie etwa die Ärztekammer argumentiert?

Früher ist nicht vor, sondern während des Studiums ausselektiert worden, und es ist eine gute und funktionierende Anzahl an Medizinern herausgekommen. Es gibt tatsächlich eine hohe Ärztedichte in Österreich, aber anscheinend hat sich die Einstellung hinsichtlich der Länge der Arbeitszeit geändert. Das ist auch gut und richtig. Aber deshalb brauchen wir auch mehr Mediziner. Die Ärztekammer ist mitverantwortlich dafür, dass hier ein Flaschenhals entsteht, damit die Gruppe, die sie vertritt, noch elitärer wird. Was die Arbeitsbedingungen betrifft: Ich glaube nicht, dass es einen Spitals- oder niedergelassenen Arzt gibt, der am Hungertuch nagt.

Sie schließen eine Zusammenarbeit mit der FPÖ nicht aus. Geht sich das mit dem Wertekompass aus, den sich die SPÖ auferlegt hat?

Mit der Bundes-FPÖ hatte ich noch keine Berührungspunkte. Die Kärntner FPÖ ist jedenfalls nicht derart massiv auf das Trennen, auf den Zwist fokussiert. Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, nicht mit Parteichef Erwin Angerer zu reden, der in seiner Heimatgemeinde mit 93 Prozent zum Bürgermeister gewählt wurde. Das hielte ich für dumm. Auf Bundesebene, mit der Kickl-FPÖ, hätte aber auch ich so meine Bauchschmerzen.

Heißt das, eine Koalition mit der Angerer-FPÖ ist für Sie vorstellbar?

Es gibt keine Partei im Landtag, mit der ich mir keine Koalition vorstellen könnte.

Und mit einer Kärntner FPÖ mit einem Spitzenkandidaten Kickl?

Er wird bestimmt nicht zurückkommen. Er ist zwar in Kärnten geboren, aber wir sind ganz froh, dass er vor 40 Jahren das Land verlassen hat.

Haben Sie beim SPÖ-Parteitag in Linz 2023 für Andreas Babler oder Hans Peter Doskozil gestimmt?

Ich war nicht beim Parteitag.

Wen hätten Sie unterstützt?

Ich habe beide immer sehr geschätzt und schätze sie immer noch: Doskozils sehr sozialdemokratisch geprägte Politik im Burgenland. Ich bewundere auch die Leidenschaft, mit der Babler versucht, sozialdemokratische Inhalte in der Dreierkoalition einzubauen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwierig eine solche Konstellation ist.

Schätzen Sie es auch, dass immer wieder Babler-kritische Zurufe aus dem Burgenland kommen, zuletzt bei den Pensionserhöhungen?

Das ist nicht meine Art von Politik. Doch würde ich diese Vorgehensweise in aller Deutlichkeit in einem Medium kritisieren, würde ich genau das Gleiche tun, was ich selbst kritisiere. Zusammenstehen nach außen, Geschlossenheit symbolisieren halte ich für essenziell. Nur so kann man geeint auftreten und Dinge bewegen. Wenn in unseren Gremiensitzungen die Fetzen fliegen, ist das vollkommen in Ordnung. Ich würde mir da sogar viel mehr erwarten.

Aber haben die Kritiker nicht recht? Stößt man mit den Kürzungen nicht die SPÖ-Kernklientel vor den Kopf?

Das schmerzt uns massiv. Aber warum mokiert man sich über Babler, der wie ein Löwe dafür gekämpft hat, noch das Beste herauszuholen? Und nicht über ÖVP und Neos, von denen die Kürzungen ausgegangen sind? Innerhalb der eigenen Partei die eigenen Leute kritisieren, die immer eine volle Inflationsabgeltung wollten, das ist absurd.

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