Faymann hat reale Chance, EU-Ratspräsident zu werden

Angela Merkel und der damalige Bundeskanzler Werner Faymann in Berlin 2015.
Sollte den Sozialdemokraten der Top-Job zufallen, ist Österreichs Ex-Kanzler die beste Personalreserve.

In der EU gibt es eine Vereinbarung, wonach Martin Schulz am 1. Jänner 2017 den Vorsitz im EU-Parlament abgeben muss. Der deutsche Sozialdemokrat wehrt sich noch dagegen, aber die entsprechende Vereinbarung, dass der Posten an einen Konservativen geht, gibt es.

Im Gegenzug werden die Sozialdemokraten einen der beiden anderen EU-Top-Jobs fordern. Da Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker offenbar fest im Sattel sitzt, könnte EU-Ratspräsident Donald Tusk weichen müssen.

Sollte den Sozialdemokraten dieser Posten tatsächlich zufallen, ist Ex-Kanzler Werner Faymann die beste Personalreserve dafür. Solche Top-Jobs gehen in der Regel an Regierungschefs – und es gibt keinen Sozialdemokraten, der erst kürzlich aus dem Amt geschieden ist und auf mehr als sieben Jahre Kanzlerschaft und Erfahrung im Europäischen Rat zurück blicken kann.

Die SPE, die europäischen Sozialdemokraten, würden Faymann voll unterstützen. Wie der KURIER erfuhr, soll Faymann auf dem Parteitag der SPE im Dezember in Prag einen großen Auftritt haben. Er soll dort über seine neue Aufgabe als UNO-Beauftragter zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit referieren. In dieser Eigenschaft stattete Faymann am Mittwoch in Berlin SPD-Chef Sigmar Gabriel und Kanzlerin Angela Merkel Besuche ab.

"Ob Faymann EU-Ratspräsident wird, hängt letztlich von Merkel ab. Wenn sie zustimmt, wird er es", sagen Experten in Brüssel.

Merkel ist mit Faymann stets gut ausgekommen – bis auf die letzte Phase in der Flüchtlingspolitik. Faymann hat anfangs Merkels Politik der offenen Grenzen mitgetragen, ist dann aber unter dem innerösterreichischen Druck auf das Zäunebauen ("Tür mit Seitenteilen") umgeschwenkt.

Eine gewisse politische Geschmeidigkeit weiß Merkel jedoch bei einem Ratspräsidenten sicherlich zu schätzen.

Österreich wird in der zweiten Hälfte 2018 den EU-Vorsitz übernehmen. Seit der Einrichtung eines ständigen Ratspräsidenten ist die Arbeit für ein Vorsitzland jedoch merkbar zurückgegangen. Dennoch denkt Außenminister Sebastian Kurz öffentlich darüber nach, ob man nicht wegen des EU-Vorsitzes die Nationalratswahl vorverlegen müsste. "Das war keine Ankündigung einer vorgezogenen Neuwahl. Und wenn, dann geht es um wenige Monate", sagt ein Sprecher des Ministers.

Neuwahl-Szenarien sind bis zur Bundespräsidentenwahl am 4. Dezember in den Regierungsparteien zurückgestellt. Danach muss man die Weihnachtszeit und die Angelobung abwarten, und dann ist man weit im Jänner. Außerdem wird auch das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl einen Einfluss auf Neuwahl-Überlegungen haben. Mit Alexander Van der Bellen wählt sich’s leichter als mit einem unberechenbaren Norbert Hofer.

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