Faßmann: Kindergarten-Pädagogen sollen beim Impfen vorgereiht werden
KURIER: Herr Minister, die Schulen sperren wieder auf, aber wie sicher ist der Arbeitsplatz Schule jetzt?
Heinz Faßmann: Was die Infektionslage betrifft, ist die Schule zumindest in der Primar- und Sekundarstufe sicherer als andere Teile des Arbeitsmarktes oder der Gesellschaft. Dennoch schwappen Infektionen in und aus der Schule heraus. Aber die Zahl der Infektionen war in der Schule immer geringer als in anderen Bereichen.
Jetzt, also erst neun Monate nach Beginn der Pandemie, sollten an allen Schulen für die Pädagogen FFP2-Masken vorhanden sein. Das ist eher eine schwache Leistung ...
Aber die Schulen haben diese jetzt in ausreichender Zahl, 6,5 Millionen haben wir bestellt. Wenn Sie jetzt eine Läuterung von mir hören wollen, ja, wir hätten sie früher bestellen und verteilen können. Am Weltmarkt waren sie in der großen Stückzahl allerdings auch nicht von Anfang an erhältlich.
In Kindergärten oder integrativen Schulen können Pädagogen keine Distanz zu den Kindern einhalten. Was können Sie den Pädagogen dort mitgeben?
Unzweifelhaft ist in der Elementarpädagogik der persönliche Kontakt mit den Kindern notwendig. Die Kinder wollen ab und zu in den Arm genommen werden, da sind die normalen Abstandsregeln nicht möglich. Was wir anbieten, ist die Möglichkeit für häufigeres Testen. Und wir können auch dafür sorgen, dass jene Pädagogen, die sich besonders um ihre Gesundheit sorgen, vielleicht nicht in der ersten Reihe stehen, sondern Verwaltungsarbeit übernehmen.
Sollte diese Berufsgruppe bei den Impfungen vorgereiht werden?
Das Gesundheitsministerium verfolgt die Strategie, die vulnerablen Gruppen zuerst zu impfen, was ich für richtig halte. Und unzweifelhaft müssen jene, die physischen Kontakt zu anderen haben, von Altenpflegern bis zu den Elementarpädagogen, beim Impfen auch prioritär behandelt werden.
Das Homeschooling war für viele Familien sicher eine große Belastung. Wie bewusst ist Ihnen das?
Manchmal tut man so, als ob Politiker oder Minister nicht im Leben stehen. Das stimmt nicht, ich sehe in meiner Familie und bei Freunden, wie mit Homeoffice und Homeschooling teils sehr stark belastend waren. Aber die Wahrheit ist, dass es kaum große Alternativen gegeben hat, wir leben immer noch in einer erheblichen Pandemie, das muss man schon insgesamt sehen. Die Zeit, in der wir leben, ist eine unglaublich herausfordernde.
Wurde überlegt, die Weihnachtsferien schon auf den Freitag, den 18. Dezember, vorzuverlegen und die Schulen erst wieder am Montag, den 11. Jänner, zu öffnen?
Es hat viele Überlegungen gegeben, auch dazu. Wir haben uns aber dagegen entschieden, damit die Kinder nicht noch mehr Präsenztage verlieren.
Wie lief die Diskussion in der Bundesregierung über den Schul-Lockdown? Wurde heftig gestritten?
Natürlich war das eine Güterabwägung, zwischen dem Recht auf Bildung und dem Schutz der Gesundheit. Wir haben da gleichsam immer mehrere Bälle in der Luft, und müssen schauen, dass alle wieder aufgefangen werden. Da wurde aber argumentiert, nicht gestritten.
Aber gab es da Friktionen zwischen Ihnen und dem Bundeskanzler?
Nein. Wir haben beide ein respektvolles und wertschätzendes Verhältnis. Jeder weiß, was er am anderen für Talente hat. Das passt schon.
Ein Riesenthema war, ob die Schüler letztendlich die notwendige Hardware daheim haben.
Ich stelle da einen interessanten Gegensatz fest zwischen dem, was man so hört, und dem, was wir in empirischen Umfragen herausfinden. Da gibt es ein, zwei, drei Prozent der Schüler, die nicht ausreichend ausgestattet sind, und bei denen wir mit Leihgeräten aushelfen.
Sie haben rund 12.000 Endgeräte für Schüler der Bundesschulen besorgt. Für alle anderen Schulen sind die Länder zuständig, und dort gibt es sehr wohl die Kritik, dass das nicht immer gut funktioniert hat. Wäre es nicht besser gewesen, das alles zentral zu machen?
Dass vielleicht manche Länder nicht unglaublich aktiv waren, das kann schon sein. Aber wenn wir nächstes Jahr erstmals die Laptops ausgeben für die fünfte und sechste Schulstufe, werden die Landesschulen inkludiert sein.
Also auch im Bildungsbereich sehen Sie Probleme mit dem Föderalismus?
Jede Krise ist wie ein Brennglas auf bestimmte Probleme. Föderalismus ist nie friktionsfrei. Auf der anderen Seite hat uns der Föderalismus geholfen, lokale und regionale Pandemiesituationen gut zu bewältigen. Ich gehöre nicht zu jenen, die sagen, alles muss aus Wien gesteuert werden.
Vor dem zweiten Lockdown warnten sogar Wirtschaftsforscher vor den negativen Auswirkungen, der Bildungsverlust würde sich auf Jahrzehnte auswirken.
Die sprechen aber schon über einen Bildungsverlust über einen längeren Zeitraum.
Aber 2020 war wohl doch kein gutes Jahr für die Bildung, oder?
Nein, optimal war das nicht, keine Frage. Aber der zweite Lockdown hat im Pflichtschulbereich einen vierzehntägigen Verlust der Präsenzlehre gebracht, dafür ein durchaus ordentliches Distance Learning. Wir werden verstärkte Anstrengungen setzen und setzen müssen, um möglichen Bildungsverlusten gerade bei Schülern aus bildungsfernen Familien vorzubeugen. Das kann ich versprechen, das werden wir auch halten.
Also Angebote für Ferienkurse?
Wichtig ist jetzt, dass die bewährten Förderinstrumente ausgebaut werden, damit es in einem größeren Ausmaß stattfinden kann. Das ist für mich prioritär.
In Wien gibt es mit dem Neos-Politiker Christoph Wiederkehr einen neuen Bildungsstadtrat. Haben Sie mit ihm schon gesprochen?
Selbstverständlich, ich habe ihm gratuliert, und wir werden uns sehen.
Er will einen Fokus auf Brennpunktschulen legen, ganz, wie sie das auch vorhaben. Sehen Sie da neue Synergien mit den Neos?
Wir werden bei unserem Treffen darüber sprechen. Wir haben das 100-Schulen-Pilotprojekt, ich bin gespannt, wie das Wiederkehr sieht und welche Maßnahmen er setzen will.
Dabei gibt es im Land über 600 dieser Brennpunktschulen, zeigt die Bildungsstatistik. Warum wollen Sie nur 100 Schulen helfen?
Es geht ja auch um ein Pilotprojekt, wo wir sehen wollen, was der archimedische Hebel ist, wo man ansetzen muss, damit die Resultate besser werden. Wir können nicht ohne Pilotphase in die Fläche gehen, denn einfach nur mehr Geld für alle hat sich bisher selten bewährt.
Kommentare