Familienbeihilfe: Karas warnt vor Diskriminierung

Othmar Karas, Delegationsleiter der ÖVP im EU-Parlament
Der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament kritisiert das "Mir sa'n mir"-Verhalten und antworten auf die Idee von Sebastian Kurz. Kritik kommt auch von der EU-Kommission.

Der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas, geht bei dem geplanten Beschäftigungsbonus und der Indexierung der Familienbeihilfe auf Distanz zur Bundesregierung und zu seiner Partei. Am Mittwoch erklärte Karas gegenüber der APA: "Jede Maßnahme ist möglich, die nicht diskriminierend ist und die nicht zwischen EU-Bürgern unterscheidet."

Am Dienstag hatte Karas auf "Twitter" die Ankündigung von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), wonach die ÖVP einen Entwurf für die Reduzierung der Familienbeihilfezahlungen ab 2018 vorgelegt hat, mit der Frage quittiert: "Diskriminierungsverbot beachtet? Wir sind Europa!" Ebenfalls an Kurz twitterte Karas: "Neiddebatte beenden. Sachlich gerechte und europäische Lösungen anstreben!"

Auch zum Beschäftigungsbonus äußerte Karas die Ansicht, dass eine Diskriminierung gegen EU-Bürger bleibe. Die Regierung will den Bonus für Firmen an die Beschäftigung von in Österreich ansässigen Arbeitskräften knüpfen.

Generell stellte Karas fest, das "Mir sa'n mir!"-Verhalten sei inakzeptabel. "Leide seit Jahren darunter. Europa wurscht! Gehe weiter meinen Weg! Aufrecht!", bekräftigte er.

EU-Kommission kritisiert Vorgehen Österreichs

Die EU-Kommission hat Kritik am geplanten österreichischen Vorgehen geübt. Für die EU-Kommission sei das Prinzip klar, erklärte EU-Kommissionssprecher Johannes Bahrke am Mittwoch gegenüber der APA: "Gleicher Lohn für die gleiche Arbeit am gleichen Ort. Das gilt ebenso für Beitragszahlungen und Beihilfen."

Der Sprecher wollte den von ÖVP vorgelegten Entwurf für eine Reduktion der Beihilfen ab 2018 nicht kommentieren. "Wir haben ja auch in diesem Falle noch keinen konkreten österreichischen Vorschlag, insofern werden wir diese Ankündigung nicht weiter kommentieren", sagte er.

"Nach geltender Gesetzgebung ist das nicht zulässig."

Die EU-Kommission ist im Vorjahr nicht dem Wunsch Österreichs nachgekommen, die Familienbeihilfe für Kinder im EU-bzw. EWR-Ausland an die Lebenserhaltungskosten im jeweiligen Land anzupassen. Aus Sicht der EU-Kommission kann Österreich dies nicht alleine machen.

Die zuständige EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen hatte bereits im Dezember Österreich vor einem Alleingang in Sachen Familienbeihilfe gewarnt. "Nach geltender Gesetzgebung ist das nicht zulässig", hatte Thyssen damals erklärt. Thyssen kritisierte auch, sie sehe in der österreichischen Maßnahme "wirklich keinen großen Sparfaktor". Sie jedenfalls wolle "das Fairness-Prinzip nicht für ein paar Peanuts opfern".

Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zu einer besseren Koordinierung der Sozialsysteme in der EU sei darauf ausgerichtet, mehr Fairness bei der Arbeitskräfte-Mobilität in Europa zu erreichen. "Wir müssen Missbrauch abstellen, Sozialdumping bekämpfen und die Rechte der Arbeitnehmer schützen", sagte der Sprecher.

Die Kürzung bzw. Indexierung der Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder würde vor allem die Transferleistungen in Richtung Ungarn, Slowakei, Polen und Rumänien massiv reduzieren. Kinder von in Österreich Beschäftigten, die in diesen Ländern leben, würden nach APA-Berechnungen in Summe um rund 84 Millionen Euro weniger Familienbeihilfe beziehen.

Zählt man die weiteren betroffenen Länder dazu, verspricht sich das Familienministerium Einsparungen in der Höhe von insgesamt 100 Millionen Euro. 2015 wurden 249 Millionen Euro für 122.000 Kinder im Ausland ausbezahlt. Die ÖVP will diese Zahlungen kürzen und hat deshalb einen Entwurf zur Novelle des Familienlastenausgleichsgesetzes vorgelegt, der eine Indexierung der Familienbeihilfe an die Preisniveaus der jeweiligen EU-Ländern vorsieht.

Familienbeihilfe: Karas warnt vor Diskriminierung
Höhe der Familienbeihillfe in ausgewählten EU-Ländern; Familienbeihilfen gesamt in Österreich und Zahlungen ins Ausland - Derzeit und bei Anpassung an Lebenshaltungskosten des jeweiligen Landes GRAFIK 0202-17, 88 x 150 mm

Kinder, die in Ungarn, Slowakei, Polen, Rumänien, Slowenein, Tschechien oder Italien leben, würden nach den ÖVP-Plänen ab Jänner 2018 weniger Familienbeihilfe erhalten. Die Familienbeihilfe ist in Österreich derzeit nach dem Alter der Kinder gestaffelt und beträgt zwischen 112 Euro ab der Geburt und 162 Euro ab 19 Jahren. Im Schnitt liegt sie bei etwa 150 Euro. Nach der neuen Berechnung würde sich die Familienbeihilfe für die Kinder nach dem Preisniveau des jeweiligen Landes richten.

Für in Ungarn lebende Kinder, deren Eltern in Österreich arbeiten, würde dies nach APA-Berechnungen auf Basis der Kaufkraftdaten von Eurostat in Summe eine Reduzierung der Familienbeihilfenleistungen von 65 auf 35 Millionen Euro (-30 Mio.) bedeuten. Für die Slowakei würden sich die Zahlen von 60 auf 38 Millionen (-22) reduzieren, für Polen von 37 auf 19 Millionen (-18), für Rumänien von 27 auf 13 Millionen (-14), für Slowenien von 17 auf 13 Millionen (-4) und für Tschechien von 17 auf 10 Millionen (-7). Die Zahlungen an Kinder in Deutschland würden mit 6 Millionen annähernd gleich bleiben.

Mehr Familienbeihilfe als derzeit müsste laut Familienministerium an Kinder in Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Schweden, Schweiz und Großbritannien überwiesen werden. Wegen der geringen Anzahl an betroffenen Kindern in diesen Ländern rechnet das Familienministerium hier aber nur mir Mehrkosten von rund 100.000 Euro.

Gesetzestext übermittelt

Pro Kind und Monat runtergerechnet würde ein Kind in Ungarn laut den APA-Berechnungen statt derzeit durchschnittlich 150 Euro bei einer Indexierung 82 Euro erhalten, ein Kind in der Slowakei 95 Euro statt 150, ein Kind in Polen 78, eines in Rumänien 74 und eines in Slowenien 114 Euro. Ein Kind in Dänemark erhielte demnach 195 Euro, eines in Großbritannien 192, eines in Irland 176 und eines in Schweden 175 Euro.

In der SPÖ reagiert man auf die ÖVP-Pläne noch reserviert. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hat den Gesetzestext zur Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder im EU-Ausland übermittelt bekommen, hieß es am Mittwoch. Außerdem vermisst man die Erläuterungen zum Gesetz. Man werde den Text nun prüfen und danach Gespräche über etwaige Vor- und Nachteile führen, erklärte ein Sprecher Stögers auf APA-Anfrage. Geht es nach der ÖVP soll das Gesetz bis Mitte März begutachtet und noch vor dem Sommer im Parlament beschlossen werden.

Im Sozialministerium will man sich auch noch anschauen, ob eine Kürzung zum Problem für 24-Stunden-Pflegerinnen aus osteuropäischen Staaten werden könnte. Pflegeorganisationen wiesen zuletzt darauf hin, dass eine Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder von Pflegerinnen dazu führen könnte, dass diese ihre Jobs in Österreich mangels Attraktivität aufgeben und dadurch ein Pflegenotstand drohe.

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